Väderstad Proceed Einzelkornsämaschine: Einzelkorn für alles
Mit der Proceed setzt Väderstad Akzente im Bereich der Sätechnik. Die Agritechnica-Neuheit vereint die klassische Einzelkornsaat mit dem Getreideanbau.
Wie würden Sie es finden, wenn Sie nur noch eine Sämaschine auf dem Betrieb benötigen würden und damit Mais, Bohnen, Zuckerrüben und sogar Getreide säen könnten? Und das mit einer Tiefenführung jeder einzelnen Saatreihe im Parallelogramm, einer präzisen Saatkornvereinzelung und einer zeitgleichen Düngung?
Väderstad ist mit der neuen Proceed auf einem guten Weg, eine solche Sämaschine anzubieten. Wir waren mit einem Prototyp der Konzeptstudie im Feld und berichten Ihnen, was in den nächsten zwei Jahren bis zur Marktreife zu erwarten ist.
Viele der genutzten Bauteile sind bereits in anderen Väderstad-Maschinen erprobt. Dazu zählen zum Beispiel der 3 000-l-Saattank mit der Central-Fill-Technologie und die Säaggregate aus der Tempo-Baureihe. Diese sind bei der Proceed erstmals auf zwei Säschienen angeordnet, um engere Reihenweiten zu ermöglichen.
Väderstad Proceed: Zwei Säschienen
Die gefahrene Maschine nutzt auf 5,40 m Arbeitsbreite 24 Einzelreihen. Hierfür sind die Säreihen auf den beiden Säschienen im Abstand von 45 cm positioniert. Durch einen Versatz der ersten und zweiten Reihe ergibt sich ein Reihenabstand von 22,5 cm. Im Vergleich zur bisherigen Drillsaat ist das zwar viel, mit Blick auf bevorstehende Herausforderungen der Unkrautbekämpfung aber womöglich ein zukunftsfähiger Kompromiss. Eine Gefahr von zu engen Pflanzenabständen in der Reihe sehen wir weniger: Bei reduzierten Saatstärken von beispielsweise 120 Kö/m² ist der Pflanzenabstand bei 22,5 cm Reihenweite in der Reihe mit 3,6 cm noch größer als bei einer Saatstärke mit 400 Kö/m² bei 12,5 cm Reihenabstand.
Großer Scharschritt
Der Scharschritt ist mit sportlichen 1,39 m ungewohnt groß. Eine Herausforderung für Kurvenfahrten — zumindest, wenn eine mechanische Unkrautbekämpfung folgen soll. Ob es für die beiden Säschienen bis zur Marktreife eine Kurvenbahnkompensation geben wird, ist noch unklar. Konkretere Ideen haben die Entwickler bereits für einen Aushub einzelner Reihen, um mit der gleichen Maschine zum Beispiel auch Kulturen wie Mais oder Zuckerrüben mit doppelter oder gar dreifacher Reihenweite säen zu können. Inwiefern die asymmetrische Reihenanordnung dann eine Hürde ist, wird sich zeigen.
Um den Tausch der Lochscheiben beim Fruchtartwechsel zu erleichtern, lässt sich die hintere Schiene rund 55 cm hydraulisch nach hinten verfahren — das macht einen komfortablen Eindruck. Angelenkt sind die Rahmensegmente mittig am Hauptträger, auf der Straße klappen sie vertikal ein.
Ackerbauliches Konzept
Um hohe Feldaufgänge in einem möglichst engen Zeitfenster zu generieren, setzt Väderstad auf diese Philosophie: Vor jeder Säreihe erfolgt zunächst eine reihenabhängige Rückverfestigung. Bei 22,5 cm Reihenweite laufen also insgesamt 24 Druckrollen vorweg, die einzeln aufgehängt sind und hydraulisch belastet werden können.
Die 24 Hydraulikzylinder an den Druckrollen sind über ein vorgespanntes Druckrohr — in Anlehnung an ein Common-Rail-System — miteinander verbunden. So erreicht jede Druckrolle selbst bei einer Konturanpassung eine gleichmäßige Verfestigung des Bodens — besser als jeder vorlaufende Reifenpacker auf einer durchgehenden Welle. Die Druckräder sind zurzeit 167 mm breit und 370 mm hoch.
Hinter jeder Vorverdichtung folgt eine Tempo-Säreihe. Die Ablagetiefe hält jedes Aggregat über zwei Tiefenführungsräder der Größe 406 mm x 110 mm und eine Querpendel-Aufhängung ein. Jede Einzelreihe wird Tempo-typisch per Parallelogramm in der Tiefe geführt. Apropos Ablagetiefe: Die Sätiefe lässt sich in 5 mm Schritten in einem Bereich von 1,5 cm bis mindestens 10 cm einstellen.
An dem bekannten Gillstring-Überdrucksäherz hat der Hersteller nur Ausstattungsmerkmale hinzugefügt, der Grundaufbau ist unverändert: Zunächst fördert ein Luftstrom — wie beim Tempo Central Fill-System — das Saatgut aus dem Drucktank in ein 150 ml großes Vordosiergehäuse an jeder Reihe. Von dort wird das Saatgut an die elektrisch angetriebene Lochscheibe geführt und durch einen separaten Luftstrom an die Scheibe gepresst. Eine halbe Scheibenumdrehung später lösen ein Luftunterbrecher und ein Auswerfer die Körner wieder von der Scheibe. Anschließend schießt der Luftstrom das Saatgut mit bis zu 14 m/s durch das Fallrohr in die Saatfurche. In der Saatrille, die ein Doppelscheibenschar formt, fixiert eine Fangrolle das Saatgut.
Der zentrale Saattank fasst 3 000 l. Das System basiert auf einem Überdruckverfahren.
(Bildquelle: Schulz)
Unter den Tankausläufen sind Dosierhauben platziert. Dort wird das Saatgut in die Förderstrecken übergeben.
(Bildquelle: Schulz)
Getreide in Einzelkornsaat
Der Clou am neuen Drillkonzept ist die Vielfalt: Mit passenden Lochscheiben kann die neue Einzelkornsämaschine fast jedes Saatgut vereinzeln. Selbst für die Aussaat von gängigen Getreidearten wie Weizen, Hafer oder Roggen ist keine besondere Saatgutaufbereitung notwendig. Für Weizen beispielsweise erprobt Väderstad aktuell zwei verschiedene Lochscheiben, um die höheren Saatstärken im Vergleich zu bisherigen Einzelkornsaaten zu kompensieren. Eine Testscheibe arbeitet mit einer Lochreihe und die andere mit zwei — jeweils mit 2,1 mm großen Bohrungen.
Im Vergleich zu klassischen Getreidedrillmaschinen ist die Proceed schwer; ein Vor- und Nachteil zugleich. Leer wiegt die Maschine 7,5 t — etwa so viel wie eine Universaldrillmaschine mit integrierter Bodenbearbeitung. Auf den Boden wird das Gewicht vor allem durch die Tiefenführungsräder an jeder Einzelreihe und die vorlaufenden Andruckrollen übertragen.
Hierdurch kann die Maschine mit hohen Schardrücken punkten. Selbst mit leerem Tank sind rund 325 kg pro Säreihe möglich, ohne dass sich der Rahmen aushebt. Somit ist das System zum Beispiel gut für die Direktsaat geeignet. Von Nachteil ist das hohe Gewicht für Standorte, die zum Verdichten, Verschlämmen und zur Erosion neigen. Ebenso gehören staunasse Böden nur begrenzt zum Einsatzfeld der Drillmaschine. Auf Sandboden kann man die Aggregate entlasten, um einem Häufeleffekt entgegenzuwirken.
Um Weizen zu vereinzeln, nutzt Väderstad Lochscheiben mit 2,1 mm großen Bohrungen.
(Bildquelle: Schulz)
In der iPad-Bedienmaske finden sich Väderstad-Fahrer schnell zurecht. Jede Einzelreihe wird separat überwacht.
(Bildquelle: Schulz)
Die Druck- und Tiefenführungsräder überrollen einen Großteil des Ackers. Veränderte Rollenprofile sollen das Erosions- und Verschlämmungsrisiko mindern.
(Bildquelle: Schulz)
Kontaktdüngung möglich
Noch ein paar Worte zum Tank: Die gefahrene Maschine war als Eintankkonzept ausgeführt. In den nächsten Generationen ist der Tank auf Wunsch auch geteilt zu bekommen, um zum Beispiel Saatgut und Dünger zeitgleich ausbringen. Dann ist die Maschine mit drei anstatt wie bei unserem Einsatz mit zwei Gebläsen bestückt: Zwei für den Transport von Saatgut und Dünger und ein drittes für den Überdruck in den Säherzen.
Dennoch haben wir bereits mit einer Kontaktdüngung beim Säen gearbeitet. Hierfür war das Gespann mit einem Fronttank kombiniert. Abgelegt wird der Dünger zwischen den Fang- und Andruckrollen. Die Ablagetiefe lässt sich mit Werkzeug in Relation zur Sätiefe über ein Langloch verstellen.
Bekannte iPad-Bedienung
Spätestens beim Bedienen der Maschine in der Schlepperkabine finden sich Väderstad-
Fahrer schnell zurecht. Über die iPad-Maske lassen sich alle gängigen Einstellungen einfach vornehmen.
In der Hauptansicht sind die 24 Einzelreihen grafisch dargestellt. Als Fahrer erkennt man so beispielsweise zügig vorliegende Probleme bei der Saatvereinzelung – sehr schön. Erfasst werden die Doppel- und Fehlstellen von Sensoren in den jeweiligen Schussrohren der Reihe.
Fahrgassen sowie eine GPS-gestützte Teilbreitenschaltung sind möglich. Zum An- und Abschalten via GPS ist jedoch ein separater Task Controller (z. B. vom Schlepper) mit entsprechender Freischaltung notwendig. Dieser kommuniziert über den ISO-Bus mit der Sämaschine.
Alles Weitere in Kürze
Beim Furchtartwechsel soll der Lochscheibentausch keine 20 Minuten dauern.
In der Kombination mit Fronttank muss der Schlepper 130 Liter Öl pro Minute bereitstellen.
In der gefahrenen Kombination musste der Schlepper 5 dw Steuergeräte, 1 ew und zwei freie Rückläufe (!) vorhalten.
Das System benötigt Zugkraft: Schon bei 5,40 m Arbeitsbreite sind 300 PS zu empfehlen.
Auf dem Fahrwerk sind Räder der Größe 520/50 R 17 montiert.
Die bordeigene Lichtmaschine wird hydraulisch angetrieben, um Strom für die elektrischen Reihenantriebe zu erzeugen.
Für Gras und Zwischenfruchtmischungen gibt es keine passenden Lochscheiben.
Jeweils an den äußeren Parallelogrammen sind Stellungssensoren integriert, die dem Fahrer in der Kabine einen Blick auf die korrekte Winkelstellung erlauben.
Die Maschine macht einen sehr robusten Eindruck.
Arbeitsbreiten sind vorerst von 6 bis 12 m zu erwarten.
Einen Preis gibt es noch nicht. Vermutlich wird die 5,40-m-Maschine aber hier vergleichbar mit einer 24-reihigen Tempo L oder einer Rapid RDA 600C mit Vorwerkzeugen und Düngerkomponenten sein.
Zum Konzept zählen vorlaufende Druckrollen und zwei Säschienen. Der Verteilerkopf leitet den Dünger aus dem Fronttank zu den Einzelreihen.
(Bildquelle: Schulz)
Beispielsweise zum Tausch der Lochscheiben kann man die hintere Scharschiene um rund 55 cm nach hinten verfahren. Dann ist die Zugänglichkeit gut.
(Bildquelle: Schulz)
Die vorlaufenden Druckrollen passen sich individuell dem Boden an.
(Bildquelle: Schulz)
Die Zeit für eine Einzelkornsaat in Getreide ist reif: Jahre mit extremer Trockenheit und drastisch steigende Betriebsmittelkosten fordern neue Wege für eine optimale Einzelpflanzenentwicklung. Verschiedene Aspekte von einer gleichmäßigeren Wurzelentwicklung über eine homogene Bestockung bis zu phytosanitären Vorteilen und einer besseren Abreife werden seit Jahren diskutiert. Der Durchbruch in die Praxis blieb bisher aus. Der Grund? — Bisherige Systeme fordern hohen Aufwand, um homogene Saatpartien zu kalibrieren. Und selbst pilliertes Getreidesaatgut, woran die Industrie forscht, wird Zusatzkosten nach sich ziehen — eine Frage der Akzeptanz.
Durch das einfach gehaltene System sehen wir für die Proceed durchaus gute Chancen für einen Durchbruch. Auch weil die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten eine Möglichkeit zur innerbetrieblichen Kostenreduktion darstellt. Zudem überzeugt das Argument, klassisches Saatgut — auch aus eigener Vermehrung bzw. Aufbereitung — einzusetzen.
Im ersten Schritt wird die Maschine sicherlich Interesse bei Getreideanbauern mit Hybridsaaten wecken, später womöglich auch für Anbauer mit Konsumgetreide. Dennoch bleibt abzuwarten, ob sich die Proceed als Multitalent etablieren kann oder doch den Restriktionen zwischen einem Generalisten und Spezialisten kämpfen muss.
Wir fassen zusammen
Väderstad stellt auf der Agritechnica ein neues Drillkonzept vor: Ein Einzelkornsägerät, das für nahezu alle gängigen Fruchtarten geeignet ist, auch für klassisches Saatgetreide — ohne vorherige Aufbereitung. Uns überzeugt der ackerbauliche Ansatz: Eine reihenabhängige Vorverdichtung, die Saatgutvereinzelung und eine präzise, parallelogrammgeführte Scharführung.
Bei unserem Einsatz lag der Weizen selbst beim Durchqueren von vorherigen Schlepperspuren stets in der gewünschten und optimalen Saattiefe. Die Reihenweite beträgt 22,5 oder 25 cm — alternativ kann man auch die doppelte oder dreifache Reihenweite z. B. für Zuckerrüben oder Mais nutzen. Wenn Väderstad das Gewicht und die flächige Überrollung mit Blick auf eine Erosionsgefährdung im Auge behält, kann die Maschine durchaus ein passendes Konzept für bevorstehende Anforderungen sein — zumindest unter optimalen Aussaatbedingungen.