Es ist Anfang Februar, die Düngeverordnung lässt eine erste Güllegabe zu, die Flächen sind befahrbar trocken. Die Sonne scheint, 8 ° Celsius, eigentlich wäre Regen das Optimum, um Gülle ausbringen zu können. Gelassen steigt Christian Schlichtmann (23) von seinem John Deere 6230R: „Ich muss kurz das Säurefass mit der Pumpe kuppeln, dann kann es losgehen.“
Säure? – Ja. Schlichtmann hat vor drei Jahren in ein System zur aktiven Schwefelsäuredosierung (Syre-N) investiert. Dabei wird der Gülle oder dem Gärrest Säure zudosiert, um den pH-Wert zu senken. Die Folge der Absenkung ist, dass kaum noch Ammoniak entsteht — selbst bei vermeintlich schlechten Ausbringparametern.
Als Schlichtmann den Schutzanzug, samt Handschuhen und Schutzbrille übergezogen hat, wird eins deutlich: Der mit dem speziellen Rahmen aufgenommene IBC-Container hat es in sich. Schwefelsäure gilt als äußerst reaktiv und ist zudem stark ätzend (pH-Wert 1,8). Und das Zeug soll ich auf meinen Acker fahren? Schlichtmann beruhigt: „Wie so oft gilt: Die Dosis macht das Gift. Wenn wir hier etwa 2 l Säure pro 1 000 l Rindergülle zufügen, ändert sich der pH-Wert in Richtung 6. Regen hat einen pH-Wert von 5,5. Von der ätzenden Wirkung bleibt damit nichts übrig. Und das Gemisch verhält sich ähnlich wie saurer Dünger, z. B. schwefelsaures Ammoniak (SSA).“
Wie bei einem Bierfass wird das System mit dem Container über einen tropffreien Schnellverschluss gekoppelt. Die Schläuche sind säurefest und werden über flachdichtende Kupplungen zum Fass hin verbunden.
(Bildquelle: Bensing)
Die Technik am Fass ist überschaubar: Die Säure wird in der Druckleitung oben eingemischt, ein Sensor überwacht permanent den pH-Wert. Der Güllezufluss wird über den induktiven Durchflussmesser bestimmt.
(Bildquelle: Bensing)
Die Vorderreifen des Schleppers deuten auf eine weitere Besonderheit der neuen Technik hin: Bei einem spezifischen Gewicht von 1,8 kg/l hat der Traktor bei vollem Tank 1 800 kg zu tragen. Außerdem kommt das Gewicht der Fronteinheit dazu: Da ist zum einen eine Art Palettengabel, mit die der Fahrer den IBC-Container aufnehmen kann. Zum anderen schützt ein stabiles Gehäuse den Container vor Beschädigung. Außerdem gibt es eine Säurepumpe sowie ein Staufach für Schutzkleidung und einen Klarwasserbehälter für den Fall des Falles. In Summe wiegt die Einheit vorne rund 2,5 t. Zudem baut das Fass weit vor den Schlepper. Eine Kamera ist für die Straßenfahrt daher unabdingbar.
Das Frontgerät trägt auf einer Gabel den IBC-Container mit Säure.
(Bildquelle: Bensing)
Der Tank baut weit vor den Schlepper. Eine Kamera zur Einsicht des Verkehrs ist Serie.
(Bildquelle: Bensing)
Nur mit ADR-Schein
Als Fahrer auf öffentlichen Straßen darf Schlichtmann nur mit einem Gefahrgutführerschein (ADR-Schein) diese Säure transportieren. Dabei müssen neben Begleitpapieren das orangene Gefahrenschild und Schutzkleidung immer an Bord sein.
Doch zurück zur Gülle. Nachdem das Güllefass normal gefüllt wurde, geht es auf den Acker. Im ISO-Bus-Terminal des Schleppers wird die Maske der Säuredosierung aufgerufen. Als Fahrer hat man die Wahl zwischen zwei Ausbringmethoden: Einerseits einer definierten Schwefeldüngung, dabei dosiert das System über einen Durchflussmengenmesser eine definierte Säuremenge zu — unabhängig vom späteren pH-Wert der Gülle.
In der Regel nutzt Schlichtmann die zweite Variante, bei der ein definierter pH-Wert festgelegt wird. Ein pH-Messgerät vor dem Schneidverteiler und hinter der Säuredosierung misst permanent den pH-Wert in der auszubringenden Gülle. Ist dieser auf z. B. 6 festgelegt, regelt die Steuerung automatisch die dafür nötige Säuremenge aus dem Fronttank nach. In unserem Fall waren das etwa 2 bis 2,5 l Schwefelsäure pro Kubikmeter Gülle. Bei 25 m³/ha kommen damit etwa 50 l Schwefelsäure auf den Hektar. Das entspricht einer Schwefeldüngergabe von etwa 28 kg/ha.
Während der Fahrt dosiert die Technik die Säure in den Güllestrom. Dafür ist in der Druckleitung vor dem Ausbringgestänge eine Düse eingebaut, welche die Säure mit etwa 2 bar in den Güllestrom drückt und vermischt. Eine Armatur aus Edelstahl verwirbelt die Gülle mit der Säure.
Schlichtmann setzt bisher auf ein Vakuumfass, hat aber bereits einen Pumptankwagen angeschafft: „Der Gegendruck in der Druckleitung durch die Säureeinspritzung ist nicht zu unterschätzen. Ich war mit der Ausbringleistung meines Vakuumkompressors, trotz Ausbringbeschleunigers nicht zufrieden. Daher habe ich mich jetzt für einen Pumptankwagen entschieden.“ Davon erhofft sich Schlichtmann auch eine kontinuierlich genauere Ausbringung.
Als Zuschauer dieser Ausbringung fallen zwei Dinge auf: Zum einen schäumt die Gülle enorm. Bei der Zugabe der Säure in der Druckleitung entsteht während der chemischen Reaktion CO2, welches mit hohem Druck entweicht. Das Volumen der Gülle verdoppelt sich kurzzeitig. Diese Volumenänderung ist bei der Wahl der Schneidverteiler zu berücksichtigen.
Das zweite Phänomen: Es riecht nicht mehr nach Ammoniak. Keiner rümpft die Nase. Das bestätigen auch wissenschaftliche Untersuchungen, die dem Syre-N-System noch weniger Emissionen zuschreiben als bei der Ausbringung mit einem Schlitzgerät — abhängig von Witterung und Gegebenheiten natürlich.
Aber was kostet das System? In der Anschaffung rechnet Schlichtmann mit mehr als 100 000 Euro. Davon entfallen 70 000 Euro auf die Säuretechnik im Fronthubwerk, die Umrüstung des Güllefasses und die Steuerung für die Dosierung. Weitere 30 000 Euro rechnet der Praktiker für eine ordnungsgemäße Säurelagerung ein. In einem doppelwandigen Seecontainer lagert Schlichtmann bis zu 15 IBC-Fässer.
Für Kunden ergibt sich folgende Rechnung: Für die Gülleausbringung mit einem 20 m³ großen Fass, samt 15 m breiten Schleppschuhgestänge rechnet Schlichtmann mit 85 Euro pro Stunde zuzüglich Diesel. Für das Syre-N-System addiert der Praktiker dann 30 Euro pro Hektar und die Säurekosten von etwa 40 ct/l.
Prädestiniert ist das System für organische Dünger mit niedrigen pH-Werten, wie z. B. Schweinegülle. Bei Gärresten sind höhere Säuremengen nötig (pH Wert 8), um den Zielwert von pH 6 erreichen zu können. Weiterhin ist das System bei bewachsenem Acker und hohen Außentemperaturen im Vorteil, z. B. bei der Getreide- sowie Grünlanddüngung und der eventuellen N-Gabe in stehenden Maisbeständen.
Der Grund: Auch nicht eingearbeitet, verliert die angesäuerte Gülle kaum Ammoniak. Schlichtmann erklärt ferner: „Bei einem sauren Milieu ist Phosphor weniger stark gebunden. Die Chance, dass das Phosphat pflanzenverfügbar wird, ist wesentlich höher.“ Andererseits übersteigt das Schwefelangebot den Bedarf, wenn bei intensiver Grünlanddüngung mehrfach mit Gülle gedüngt wird.
Für hohe Ausbringmengen muss auch die Säurelogistik geplant sein. Schließlich wäre in unserem Fall das Fass nach etwa 400 m³ ausgebrachter Gülle leer. Der Transport darf nur mit Gefahrgutführerschein erfolgen.
Der Wechsel eines Containers dauert nur wenige Minuten. Das Ventil ist tropffrei.
Die Säurepumpe wird hydraulisch angetrieben und schafft 5 bis 50 l/min.
Die Anmischung in offenen Behältern wäre denkbar. Die Gefahr und die hohe Schaumbildung sprechen dagegen.
Eine emissionsarme Ausbringung mit dem Prallteller wäre nach der Ansäuerung möglich.
Fazit
Das Syre-N-Verfahren ist in nordischen Ländern mit intensiver (Schweine-)Veredlung etabliert. In Deutschland ergeben sich Nischen, die z. B. von Christian Schlichtmann genutzt werden. Er sieht in dem Verfahren die effektivste Möglichkeit, die Gülle an die Wurzeln zu bringen.
Schwefelsäure ist hochgradig ätzend und gefährlich, entsprechend sicher muss die Handhabung erfolgen. Mit der Hardware von Vogelsang bzw. Biocover aus Dänemark ist eine praxistaugliche Lösung möglich. Dennoch verzeiht das System in der hektischen Ausbringperiode keine Fehler. Und bei einer Investition von mehr als 100 000 Euro scheidet die Eigenmechanisierung in der Regel aus.
Die chemische Funktion der Säure in der Gülle ist einfach. Durch die Absenkung des pH-Wertes kann das Enzym Urease im Salz gebundenes Ammonium (NH4+) nicht mehr zu Ammoniak (NH3) umsetzen. Daher reduziert sich mit dem Säureeinsatz die Ammoniakkonzentration erheblich. Das „erheblich“ steht hier im Verhältnis zur aktuellen Witterung und dem Ausbringverfahren, da die Ammoniakbildung stark mit der Temperatur und dem Kontakt zur Umgebungsluft einhergeht. Mit der direkten Gülleeinarbeitung mittels Grubber oder Strip-Till-Verfahren werden ähnlich geringe Werte bei den Verlusten erzielt, wie mit dem Syre-N-Verfahren. Mit dem Prallteller sind die N-Verluste am höchsten, gefolgt vom Schleppschlauch, dem Schleppschuh und dem Schlitzgerät. Dennoch: Sind die Ausbringparameter gut (Nieselregen, geringe Temperaturen und schnelle Infiltration in den Boden), sind natürlich auch die Ammoniakverluste minimiert.