Kuhn präsentierte seinen autonomen Futtermischwagen Aura für Herden bis 280 melkende Kühe plus Nachzucht bereits 2021 auf der französischen Messe Space. Mit Details zur Technik hielt man sich aber bedeckt. Mit einer offiziellen Präsentation im Juli setzte Kuhn den Spekulationen nun ein Ende. Kaufwillige müssen sich dennoch in Geduld üben.
Autonomer Futtermischwagen Kuhn Aura: Der kleine große Unterschied
Anders als beim Melkroboter zeigen Landwirte beim automatischen Füttern Zurückhaltung. Dabei ermöglicht ein Fütterungsroboter eine flexiblere Arbeitsgestaltung, die häufige Futtervorlage verspricht gesunde Tiere und die Treibstoffkosten sind reduziert. Dass aber das Futter fast immer noch vom Landwirt vom Silo geholt werden muss, stößt bei vielen auf Kritik.
Hier betritt Kuhn die Bühne: Der Aura ist der erste offiziell vorgestellte Fütterungsroboter auf Rädern, der autonom die Silos anfährt und sich per 50 cm breiter Silofräse selbst belädt. So spart er viel Zeit. Zudem ist auch kein Bunkersystem oder eine separate Halle für einen Siloblockvorrat nötig.
Nach dem selbsttätigen Beladen der Ration aus Raufutter, Silage, Mineral- und Kraftfutter durchmischen mit zwei vertikale Schnecken den Inhalt des 3 m3 großen Behälters. Am Ende des Mischvorgangs nach Zeit fährt die 6,92 m lange und 2,60 m hohe Maschine ohne Fahrer zu den Ställen. Über ein hinten quer eingebautes Förderband mit beidseitigem Auswurf wird das Futter verteilt. Bei Ställen mit Stichfuttertisch landet so schon am ersten Fressplatz Futter.
Rotierende Besen am hinteren Ende des Aura räumen das frische Futter unmittelbar an. Die Schiebefunktion funktioniert auch ohne den Austrag von Futter.
Hof wird vermessen
Der leer 5,8 t schwere Aura arbeitet und fährt laut Hersteller mit einer Genauigkeit von 2 cm. Maßgebend für diese Präzision ist ein ausgeklügeltes System aus einer ständigen Wi-Fi-Verbindung zum Anlagenserver und zwei GNSS-Antennen auf der Maschine, die in Kombination mit einem GPS-RTK-Signal (Abo-frei) auf der offenen Hoffläche die Koordination übernehmen. Bei Verlust des GPS-Signals im Stall bestimmt die Maschine mit vier Stapler-Vollgummirädern und Radsensoren per Odometrie (Streckenmessung) die Maschinenposition.
Das Highlight der Maschine sind jedoch Lidar-Sensoren (Light Detection and Ranging), die Kuhn von Jenoptik bezieht. Wie bei einer Geschwindigkeitsmessung per Laserpistole vermessen sie mit unsichtbarem und augensicherem Laserstrahl die Umgebung in 3D. Der Hersteller verspricht beim optischen Verfahren eine höhere Orts- und Tiefenauflösung als bei Radar-Sensoren. Außerdem soll es schneller und weniger rechenintensiv sein.
Neben einer Objekterkennung dient das Lidar-System bei autonomen Fahrzeugen in erster Linie der Kollisionsvermeidung. Hunderttausende Abstandsmessungen pro Sekunde erzeugen dabei ein exaktes 3D-Bild der Fahrzeug- oder Prozessumgebung.
Das klingt modern. Dennoch muss vor einer Inbetriebnahme ein Vermessungsbüro den Betrieb kartieren. Angefangen von der Position der einzelnen Ställe und der Position der Tröge bis hin zum Standort der einzelnen Kraft- und Mineralfuttersilos, Raufutterdepots und Silomauern: Alles muss eingemessen werden. Mal eben eine Silomiete anlegen oder ein Kraftfuttersilo aufstellen, geht also nicht. Die Kosten einer „Nachrüstung“: rund 1 000 Euro je Objekt.
Vorab festzulegen sind vom Landwirt auch die Fahrwege des Aura. Wer den Hof z. B. zum Silieren oder zur Ernte benötigt, sollte vorab Ausweichrouten festlegen.
Der untere Teil des 3-m3-Mischbehälters besitzt eine langlebige Edelstahllegierung.
(Bildquelle: Zäh)
Mineralfutter etc. gelangt per Futterspirale in den Mischbehälter des Aura.
(Bildquelle: Zäh)
Zum Aufnehmen von Raufutter sind 1,80 m hohe und 2 m tiefe Wände erforderlich.
(Bildquelle: Zäh)
Meldung per SMS
Und: Aura erkennt zwar auf seinem Weg liegende und stehende Hindernisse. Um Hindernisse herumfahren kann Aura jedoch (noch) nicht. Stattdessen hält der Selbstfahrer an und wartet. Dauert dieser Zustand länger an, stoppt die Maschine und informiert den Landwirt per SMS.
Eine Kurznachricht geht auch raus, sollte bei der Entnahme eine Person der Maschine gefährlich nah kommen — oder gar oben auf dem Silohaufen stehen. Die Personenerkennung basiert auf einem breiten Sicherheitssystem aus Radar-, Lidar- und Ultraschallsensoren. Falls alle Elektronik versagt, gibt es in 20 cm Höhe einen um die Maschine verlaufenden Rohrbügel, der bei Berührung die Maschine stoppt.
Die gute Nachricht: Im Falle einer kontaktlosen Personenerkennung schaltet die Maschine nur die Entnahmefräse ab. Sie wartet dann, bis sich die Person wieder entfernt hat. Die Fälle, in denen der Landwirt persönlich den Endstörungsknopf auf der Maschine betätigen muss, dürften so auf ein Minimum reduziert sein.
Bei der uns vorgeführten Maschine diente ein Dieselmotor (Dreizylinder von Kohler, 42 kW/57 PS) als Antrieb. Der Kraftstoffverbrauch wurde mit knapp 4 l/h angegeben. Eine Maschinenversion mit Akku-Antrieb soll folgen, Details dazu ließ Kuhn noch offen.
Ganze 7 km/h schnell
Auf freier Strecke erreicht der hydrostatisch angetriebene Mischwagen flotte 7 km/h. Um den Sicherheitsvorschriften zu genügen, muss der Aura mindestens 2 m tief in das Silo mit mindestens 1,80 m hohen Wänden einfahren. Am Futterstock geht es langsam per GPS-Navigation zur zuletzt bekannten Entnahmeposition.
Eine Sensorik zur Erkennung der genauen Anschnittfläche im Silo gibt es nicht. Folglich darf der Landwirt aus dem gleichen Silo nicht Futter per Frontlader z. B. für die Biogasanlage entnehmen. Ebenso erkennt das System nicht, ob das Silo fachmännisch aufgedeckt ist oder ob der Wind die Folie vor den Futterstock geweht hat.
Exakte Entnahme
Ungeachtet der Defizite sind wir dennoch überrascht, wie genau die Maschine immer wieder ihre Position zu optimalen Siloentnahme erreicht. Unter anderem fährt der Aura dafür im Hundegang seitlich auf die Wände zu, um wenige Zentimeter von der Mauer entfernt stehen zu bleiben.
Die Silofräse kann so parallel zur Silowand ihre bis zu 10 cm tiefe Bahn nach unten ziehen. Damit an der Wand nicht zu viel Silage stehen bleibt, ist der Fräsarm hydraulisch um 70 cm nach links und rechts verschiebbar. Tatsächlich blieb so bei uns nur ein kleiner Rand mit Futter stehen.
Überrascht hat uns, mit welcher Sorgfalt die Fräse zu Boden gefallenes Futter aufnimmt, indem sie mehrmals vor- und zurückfährt und dabei geschickt die Frästrommel über den Beton führt. Unsere ersten Befürchtungen, dass der Landwirt regelmäßig mit einer Schaufel von Hand nacharbeiten muss, haben sich so nicht erfüllt — sehr gut.
Der erste Aura der Nullserie verrichtet seit Mitte 2021 in einem Milchviehbetrieb in La Bruffiére (Westfrankreich) mit 300 Melkenden ohne Nachzucht seinen Dienst. An 365 Tagen war er 3 688 Stunden zum Verteilen und Mischen von 3 200 t Futter unterwegs. Das sind zehn Stunden täglich, mit denen die Maschine mit der auf sechs Futterblöcke unterteilten Vorlage beschäftigt ist. Die Dauer eines Zyklus beträgt im Schnitt
45 Minuten. 45 % der Zeit ist die Maschine mit Entnehmen und Beladen des Mischers beschäftigt, 11 % beansprucht das Verteilen und 44 % das Fahren.
Vor dem autonomen Aura war der Betrieb täglich 90 Minuten mit der einmaligen Futtervorlage beschäftigt. Heute benötigt der Betrieb täglich 30 Minuten zum Abdecken der Silos, Abstechen der Siloränder und Befüllen des in einem kleinen Fahrsilo untergebrachten Raufutterlagers.
Auf den ersten Blick spart so der autonome Futtermischwagen nur eine Arbeitsstunde täglich ein. Tatsächlich benötigt der Milchviehbetrieb mit einer Jahresmilchmenge von 2,4 Mio. l samstags nur noch zwei Personen und sonntags nur noch eine Arbeitskraft. Vorher waren zum Erledigen der Routineaufgaben immer drei Personen erforderlich. Kein Wunder also, dass der Betriebsleiter den Gewinn an Lebensqualität aller Mitarbeiter durch mehr freie Wochenenden als „enorm“ bezeichnet.
Positiv bewertet er auch die Auswirkungen auf die Milchproduktion. So verzeichnet der mit vier Melkrobotern ausgestattete Betrieb durch die mehrmalige Futtervorlage weniger selektiertes Futter und Rangkämpfe am Futtertisch. Auch brechen die Tierleistungen in der heißen Jahreszeit nicht mehr so deutlich ein wie all die Jahre davor. In der Summe sind die Tierarztkosten um 80 % zurückgegangen, und durch die präzisere Rationsgestaltung weden nun jedes Jahr 8 ha Silomais eingespart, so der Betriebsleiter.
Bleibt noch zu erwähnen, dass der Betrieb mit Aura mit 12 700 l Diesel statt vorher 17 000 l ein Viertel weniger verbraucht.
Zum Navigieren und zur Kollisionsvermeidung kommen Stoßbügel, Radar, Lidar- und Ultraschallsensoren sowie zwei GNSS-Antennen mit GPS-RTK-Signal zum Einsatz.
(Bildquelle: Zäh)
Das hinten angebrachte Querförderband taugt für Ställe mit Stichfuttertisch. Mit seinen Besen kehrt der Aura auch das Futter an.
(Bildquelle: Zäh)
Beim Fahren ist der Fräsarm mittig abgelegt. Für die Entnahme an der Silowand verschiebt Aura den Arm beidseitig um bis zu 70 cm.
(Bildquelle: Zäh)
Die Kosten
Den Grundpreis beziffert Kuhn aktuell mit 240 000 Euro. Hinzu kommen noch die Kosten für das GPS-System (3 800 Euro), für da Wi-Fi-Netzwerk (1 800 Euro) und für die Anpassung der Siloperipherie (15 000 Euro), so dass unterm Strich etwa 280 000 Euro zu investieren sind.
Bei von Kuhn empfohlener Abschreibung auf sieben Jahre (40 000 Euro jährlich) kommen mit Wartung und Reparatur (16 000 Euro) sowie den Ausgaben für Diesel und Strom (21 600 Euro; 1,60 Euro/l Diesel) jährliche Kosten von 77 600 Euro zusammen (alle genannten Preise ohne MwSt.).
So geht es weiter
Neben der 2021 installierten Testmaschine will Kuhn unweit des eigenen Produktionsstandortes in La Copechagnière alsbald zwei weitere Aura in Betrieb nehmen. Erst dann wird ein Verkauf in ganz Frankreich in Erwägung gezogen. Der Haken: Für den deutschsprachigen Raum ist der Verkaufsstart erst zur EuroTier 2024 geplant.
Die Entnahmetiefe beträgt 8 bis 10 cm. Aura erkennt nicht, wo der Silohaufen anfängt.
(Bildquelle: Zäh)
Zur Unfallvermeidung klappt der 50 cm breite Schutz erst vor dem Silostock hoch.
(Bildquelle: Zäh)
Fazit
Der Kuhn Aura ist der erste mobile Fütterungsroboter, der per Silofräse auch selbsttätig Futter aus dem Silo entnehmen kann. Nach dem Vermischen der Komponenten fährt er ebenso selbsttätig zum Verteilen des Futters zu den Stallungen.
In Sachen Sicherheit verwendet Kuhn mit Lidar-Sensoren modernste Technik. Vermisst haben wir eine gewisse Form der Intelligenz. Dann könnte der Aura selbst erkennen, wo ein Silohaufen anfängt. Und einen auf dem Hof liegenden Hund könnte er damit selbsttätig umfahren.
Bis zum Serienstart wünschenswert wäre auch ein Elektroantrieb für den Aura. Denn bei 300 Kühen inklusive Nachzucht arbeitet der Selbstfahrer bis zu 20 Stunden täglich. Mit Dieselmotor nervt dann gewiss das ständige Brummen des Fahrzeugs.
Auch mit Blick auf weiter steigende Dieselpreise lohnt gewiss ein elektrischer Antrieb. Und so dürfen wir gespannt sein, mit welcher finalen Version Kuhn uns auf der EuroTier 2024 überraschen wird.