Automatisch lenken: Computer mit Orientierungssinn
So wie heute fast jedes Auto ein Navi hat, sind auch viele Landmaschinen mithilfe von Satelliten unterwegs. Die Technik ist ebenso faszinierend wie betriebssicher.
Satellitenbasierte Automatiklenkungen ermöglichen im Ackerbau und auf dem Grünland eine Arbeitsqualität, die bis vor wenigen Jahren undenkbar war. Denn selbst der beste Schlepperfahrer wird irgendwann müde, und besonders in hügeligen Regionen ist ein perfektes Anschlussfahren, wie es die Systeme leisten, kaum möglich.
Dabei sah es vor knapp 20 Jahren zuerst nicht nach einem Siegeszug der Lenksysteme aus. Denn es gab nur das amerikanische Satellitensystem Navstar-GPS mit 24 aktiven Satelliten, die um die Erde kreisten. Für die Ortung ist immer der Empfang von mindestens vier Satelliten nötig, die obendrein nicht zu flach am Horizont stehen dürfen.
Anfangs war automatisch lenken sehr teuer
In den ersten Jahren war überdies eine betriebseigene Basisstation mit Funkverbindung zur Maschine nötig, um die von Haus aus im Meterbereich arbeitende Technik für die Spurführung nutzbar zu machen. Unter dem Strich waren beim Einstieg 40 000 Euro erforderlich, um mit wenigen Zentimetern Abweichung fahren zu können.
Heute ist die Situation ungleich besser. Es gibt mit dem amerikanischen Navstar GPS, dem russischen Glonass, dem europäischen Galileo und dem chinesischen Beidou vier große, weltweit aktive Satellitendienste. Hinzu kommen im asiatischen Raum das Quasi-Zenit-Satelliten-System (QZSS) aus Japan und das Indian Regional Navigation Satellite System (IRNSS) aus Indien.
Diese Dienste haben sich abgestimmt, so dass hochwertige GNSS-Empfänger alle Signalarten gleichzeitig nutzen können, sofern sie einen Sichtkontakt zum Satelliten haben. GNSS steht für „Global Navigation Satellite System“ und ist der Oberbegriff für die Satellitennavigation. Früher sprach man von GPS, das aber allein auf das amerikanische System bezogen war.
Rund 100 aktive, frei empfangbare Ortungssatelliten umkreisen heute die Erde. War man früher schon froh, wenn das Terminal des Lenksystems sieben oder acht Satelliten anzeigte, sind 30 und mehr aktive Satelliten heute normal. Dadurch ist die Betriebssicherheit eines Lenksystems gerade an Waldrändern oder in Hanglagen deutlich besser geworden.
Damit es nicht zu bunt wird, lässt sich die Ansicht auf wenige Elemente reduzieren.
(Bildquelle: Werkbild)
Hier wurde das Lenkrad gegen ein neues mit integriertem Elektromotor getauscht.
(Bildquelle: Tovornik)
Das Internetmodem verbindet zum Korrekturdienst und zur Fernwartung.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Arbeitsansicht lässt sich beliebig zoomen, wichtig ist die Nummerierung der Spuren.
(Bildquelle: Tovornik)
Nicht ohne Korrektursignal
Nach wie vor nötig ist beim automatischen Lenken im Zentimeterbereich aber ein erdgebundenes Korrektursignal. Selbst die besten Empfänger erreichen ohne Korrektur nur +/– 50 cm. Ein freier Korrekturdienst für Mitteleuropa ist das Egnos der europäischen Raumfahrtbehörde, das wie die Ortung selbst per Satellit übertragen wird.
Bei +/– 20 bis 30 cm liegt die Genauigkeit in der Praxis, was zum automatischen Lenken zu viel ist. Dennoch nutzen die meisten Hersteller Egnos als Notfall, wenn das bessere Korrektursignal ausgefallen ist.
Vor allem für Regionen mit schlechter Mobilfunkabdeckung bieten die Lenksystemhersteller eigene, ebenfalls satellitenbasierte Korrekturdienste mit höherer Genauigkeit an. Das sind zum Beispiel das Trimble Centerpoint, das TerraStar bei AgLeader und Topcon oder das Starfire von John Deere. Diese Dienste sind gebührenpflichtig, haben aber zwei Vorteile. Zum einen sind sie unabhängig vom Mobilfunknetz, und zum anderen kann der Kundendienst des Herstellers bzw. des Händlers bei Problemen in der Regel gezielter helfen.
Ebenfalls kostenpflichtig und weit verbreitet sind die Korrekturdatendienste der Landmaschinenhändler. Diese haben eine oder mehrere feste Referenzstationen und können das Signal in ihrem Verkaufsgebiet per Funk übertragen. Auch bei dieser Variante kann der Kundendienst bei Ausfällen schnell und zielgerichtet eingreifen.
Vor allem haben diese Dienste RTK-Qualität und damit die höchstmögliche wiederholbare Genauigkeit von +/– 2 bis 3 cm. Das Kürzel RTK steht für „Real Time Kinematik“ und hat historische Wurzeln. Denn zu Beginn der Satellitenortung vor fast 30 Jahren war eine zentimetergenaue Ortung nicht in Echtzeit möglich, sondern erforderte immer eine Nachbearbeitung der Daten.
Die Händler-basierten Korrekturdienste können das Signal auch per Internet und Mobilfunk übertragen. Das RTK-Clue von Reichhardt ist dafür ein langjährig bewährtes Beispiel. Auch andere Lenksystemfabrikate können dieses Signal nutzen.
Zu einer starken Konkurrenz für die Korrekturdienste der Hersteller und Händler haben sich die RTK-Signale der Landesvermessungsämter entwickelt. In Deutschland heißt dieser Dienst Sapos, in Österreich Apos und in der Schweiz Swipos. Als Landwirt kann man über die jeweilige Internetseite eine Lizenz beantragen. Diese ist frei oder kostet nur eine kleine Gebühr. Das Signal wird per Internet und Mobilfunkmodem auf den Traktor gebracht.
Hier wurde ein Elektromotor am vorhandenen Lenkrad nachgerüstet.
(Bildquelle: Werkbild)
Alle Lenksysteme benötigen zusätzlich zur Satellitenortung ein 3D-Gyroskop.
(Bildquelle: Werkbild)
Kosten bei vermeintlich freiem Signal
Kosten können dann je nach Kartenvertrag bei der Datenübertragung anfallen. Denn bei internetbasierten Korrekturdiensten fließen immer auch Positionsdaten von der Maschine an den Anbieter. Das ist nötig, damit dieser die Korrekturdaten mehrerer Stationen im Sinne einer maximalen Genauigkeit passend zum Standort interpolieren kann.
Wer in seinem Aktionsradius einen sicheren Mobilfunkempfang hat, für den ist diese Variante wahrscheinlich die günstigste. Allerdings bieten die Ämter anders als die Händler oder Hersteller mit ihren Diensten keinen technischen Kundendienst an.
Was passiert, wenn der Korrekturdienst tatsächlich ausfällt, weil z. B. das Mobilfunknetz abreißt oder überlastet ist oder der satellitenbasierte Dienst einem Baumschatten zum Opfer gefallen ist? — Die Lenksystem-Hersteller bieten für solche Fälle einen Überbrückungsmodus an. Diese heißen zum Beispiel StableLoc (AgLeader), Skybridge (Topcon), XFill (Trimble) oder RTK Extend (John Deere).
Das klappt bis zu 20 Minuten lang. Danach fällt die Genauigkeit in der Regel auf Egnos oder bei John Deere auf SF1 zurück. Weil das mit heftigen Seitenschlenkern verbunden ist, deaktivieren Trimble und Müller-Elektronik die Automatiklenkung nach dem Ende des XFill komplett.
Der Einstieg in das automatische Lenken kann beim Kauf eines neuen Schleppers die Vorrüstung dafür sein. Diese besteht aus einem elektronisch ansteuerbaren Lenkventil sowie einer zusätzlichen Verkabelung.
Oft ist dieses Geld gut angelegt, selbst wenn nicht gleich ein Lenksystem aufgebaut wird. Denn die Nachrüstung dieser Komponenten ist sehr aufwändig. Meist steht die Vorrüstung zusammen im Paket mit weiteren elektronischen Komponenten in der Preisliste, so dass der Mehrpreis am Ende nicht mehr so stark ins Gewicht fällt.
In der ISO 11783 ist auch die Ansteuerung einer automatischen Lenkung genormt. Der Vorteil liegt darin, dass theoretisch jedes Nachrüstfabrikat, das diese Norm unterstützt, auf einen vorgerüsteten Traktor aufgebaut werden kann. In der Praxis funktioniert dies auch, wobei einige Hersteller sich neuerdings die Freischaltung der Schnittstelle für ein Fremdfabrikat bezahlen lassen.
Eine weitere Möglichkeit ist ein elektrischer Motor am Lenkrad. Die Hersteller bieten entweder ganze Lenkräder zum Tausch an oder alternativ einen Antrieb zum Einbau in die Lenkradspeichen. Beide Varianten haben die Eigenart, dass sie sich anders als die voll integrierten Lösungen beim automatischen Lenken immer mitdrehen. Der Vorteil ist, dass sich ein elektrisches Lenkrad leichter von einem auf den anderen Traktor oder den Mähdrescher umbauen lässt.
Wer ein Lenksystem von John Deere auf einem anderen, vorgerüsteten Fabrikat aufbauen möchte, braucht dafür eine spezielle Adaptionstechnik. Diese gibt es von der Firma Reichhardt in Form des Systems „Greenfit“ oder das iTC Extend von AgraGPS.
Die Position des GNSS-Empfängers ist beim Nachrüsten stets ein Kompromiss zwischen geschützter und exponierter Lage.
(Bildquelle: Werkbild)
Parallelfahrsysteme mit Terminal, wie hier von Teejet, lassen sich mit einem Lenkradmotor zur Vollautomatik aufrüsten.
(Bildquelle: Teejet)
Das bleibt festzuhalten
Für Traktoren und Selbstfahrer gibt es automatische Lenksysteme ab Werk. Nachrüstungen sind ebenso genau, integrierte Lösungen lassen sich hingegen einfacher warten. Bei der Wahl des Korrektursignals spielt die Mobilfunkabdeckung eine wichtige Rolle.
Die Nachrüster im Kurzportrait
AgLeader
AgLeader gehört in den USA zu den führenden Nachrüstanbietern des automatischen Lenkens. In Deutschland vertreibt und betreut die Firma Roden Landtechnik aus Lensahn (Schleswig-Holstein) die Systeme.
AgOpenGps ist eine Windows-Software zum Lenken, entwickelt von einem kanadischen Farmer. Bauanleitungen und Bausätze werden in einer Community geteilt.
AgraGPS hat sich darauf spezialisiert, die Lenksysteme von John Deere auf anderen Fabrikaten einzusetzen. Der Vertrieb und der Kundendienst für Deutschland und Europa sitzen in Springe (Niedersachsen).
Cerea ist ein spanisches Unternehmen mit Sitz in Viana de Cega. Der Gründer Angeles Tejedor ist Landwirt und hat anfangs für sich selbst eine automatische Lenkung gebaut. Seit 2014 vertreibt er die Windows-Software Cerea zum Download für Selbstbauer und in Spanien ganze Systeme. Seit Kurzem gibt es die Bausätze über die Internetseite auch in ganz Europa.
FieldBee ist ein ukrainisch-niederländisches Unternehmen und verkauft Lenksysteme mit Android-Rechnern über das Internet. Wie bei Cerea gibt es keinen explizit deutschen Vertrieb, wohl aber einen deutschsprachigen Kundendienst.
John Deere gehört zu den Pionieren des automatischen Lenkens und betreibt als einziger Landmaschinenhersteller einen eigenen Korrekturdienst. Mit einem elektrischen Lenkrad oder bei vorgerüsteten Traktoren per Steckverbindung kann John Deere auch Fremdfabrikate lenken.
FJ-Dynamics ist ein chinesisches Fabrikat. In Süddeutschland und Österreich vertreibt und betreut die Firma Eder-Landtechnik (Tuntenhausen) die Systeme, in Norddeutschland die Firma Dittec (Neuenkirchen, Schleswig-Holstein).
Müller-Elektronik gehört seit 2017 zum Unternehmen Trimble. Mit dessen Technik sowie den eigenen Terminals verkauft Müller auch heute noch Lenksysteme.
Raven (dem CNH-Konzern angeschlossen) gehört wie AgLeader zu den führenden Nachrüstern in Nordamerika und übernahm 2014 die Firma SBG mit Sitz in Hoorn (Niederlande). Von dort verkauft und betreut Raven auch im deutschsprachigen Raum über ausgewählte Landmaschinenhändler.
Die Firma Reichhardt aus dem hessischen Hungen gehört zu den Pionieren des automatischen Lenkens über Sensoren und Satelliten. Das Unternehmen produziert ISO-Bus-bedienbare GNSS-Lenksysteme sowie für John Deere das Adaptersystem Greenfit, mit dem Fremdfabrikate gelenkt werden.
Die Firma SK-Agrar aus Gladbeck (Nordrhein-Westfalen) hat sich auf den Vertrieb von Precesion-Farming-Produkten spezialisiert. Mit im Programm ist der aus Ungarn stammende MachineryGuide, einem auf Android basierenden RTK-Lenksystem.
Das dänische Unternehmen Teejet mit dem Vertrieb für Deutschland in Schorndorf (Baden-Württemberg) produziert u. a. Parallelfahranzeigen. Für die hochwertigste Ausführung gibt es auch eine vollautomatische Lenkung.
Topcon ist ein großes, weltweit agierendes Unternehmen, das alles produziert, was mit Satellitenortung zu tun hat. In Deutschland vertreibt und betreut die Firma geo-konzept die Lenksysteme.
Trimble gehört ebenfalls weltweit zu den Pionieren des automatischen Lenkens, und vertreibt seine Systeme sowohl unter eigenem Namen als auch für Konzerne wie CNH. Außerdem beliefert Trimble fast alle großen Landtechnikfirmen mit Komponenten.