Die Motoren von Elsbett liefen mit Pflanzenöl, waren sparsam, brauchten keine Kühlung und galten als unkaputtbar. Ausgerechnet ein Traktorhersteller hat dem ein Ende gesetzt.
Wer Ausarbeitungen des Ingenieurs, Erfinders und Motorkonstrukteurs Ludwig Elsbett liest, glaubt kaum, dass diese schon vor Jahrzehnten entstanden sind. Bereits in den 1950er warnte er vor dem Ausverkauf der Natur und hatte Ideen, wie sich der CO2-Austoß reduzieren ließe. In der Landtechnik wurde die Firma Elsbett bekannt, als sie ab Ende der 1980er Jahre Traktoren mit pflanzenöltauglichen Motoren ausrüstete.
Geboren wurde Ludwig Elsbett 1913 im kleinen Ort Salz in Unterfranken (Bayern). Er wurde Landmaschinenschlosser und absolvierte in nur zwei Jahren ein Maschinenbaustudium. Ab 1937 arbeitete er beim Flugzeugbauer Junkers in der Forschung. Seine Aufgabe war es, leichte, einfache und sparsame Motoren zu konstruieren.
Keine Kühlung nötig
Nach dem Krieg baute Elsbett in Wolfhagen (Nordhessen) aus Flugzeugmotoren und Jeeps „neue“ Nutzfahrzeuge sowie Stand- und Bootsmotoren. Im Jahr 1948 ging er zu den Autowerken Salzgitter. Dieses Unternehmen existierte nur bis 1950, und daraus baute Ludwig Elsbett ein Ingenieurbüro für die Entwicklung von Dieselmotoren auf. Zu seinen Auftraggebern gehörten Fahrzeughersteller wie MAN, Mercedes-Benz und KHD. Elsbett sprühte vor Ideen und setzte von Beginn an auf die Direkteinspritzung.
Er begann, eigene Motoren zu bauen. Seine damals spektakulärste Konstruktion waren ein Pkw und ein Kleinlaster mit einem Vierzylinder-Sternmotor. Es handelte sich um luftgekühlte Zweitakter, die mit Dieselkraftstoff betrieben wurden. Dies waren die ersten Hubkolbenmotoren weltweit, die ohne Kühlrippen oder Wassermantel auskamen.
Zu der Zeit setzten die Motorenentwickler bei MAN in Nürnberg auf das M-Verfahren von Professor Dr. Joachim Meurer. Dabei ist die Brennkammer kugelförmig in den Kolben eingelassen, und der Kraftstoff wird an die Wand des Brennraums gespritzt. Zwar liefen diese Motoren relativ leise und vertrugen nach dem Start auch andere Kraftstoffe als Diesel. Doch scheiterten die Konstrukteure an der Reduzierung der Emissionen und der Erhöhung der Effizienz.
Jetzt kam Ludwig Elsbett ins Spiel. Auch er arbeitete mit einem kugelförmigen Brennraum im Kolben. Sein Konzept war aber genau das Gegenteil der Wandanspritzung. Er sagte: „Um zu zünden, muss der Kraftstoffstrahl den heißesten Teil der komprimierten Luft erreichen, also das Kompressionszentrum. Dort wirkt keine Wandabkühlung auf die Zylinderluft. Diese Luft muss in Rotation gebracht werden, wobei sich die heißeste Luft im Zentrum und die kälteste Luft außen an die Brennraumwände anordnet. Unter Zentrum ist die Luft innerhalb des Schwerkreises der rotierenden Luftmasse zu verstehen“. Elsbett erreichte diese zielgerichtete Einspritzung durch entsprechend angeordnete Einspritzdüsen.
Wieder selbstständig
Dieses wichtige Prinzip hat Elsbett bei allen seinen weiteren Konstruktionen beibehalten und weiterentwickelt. Das ist auch der wesentliche Grund, weshalb seine Motoren bis auf einen etwas größeren Ölkühler kein Kühlsystem mehr benötigten.
Dank Ludwig Elsbetts Wissen und der Nutzung seiner Patente gelang es MAN ab Mitte der 1960er Jahre, im Motorenbau wieder in die Erfolgsspur zu kommen. Doch hatte Elsbett ganz andere Vorstellungen von der Weiterentwicklung seiner Ideen als die Kollegen von MAN. So schied er dort 1966 im Guten und dank seiner Patente als reicher Mann aus und gründete in Hilpoltstein ein eigenes Motorenentwicklungsinstitut.
Das Firmengebäude als Rundbau mit einem befahrbaren Dach war ein Spiegel dessen, was den genialen Erfinder sonst noch umtrieb außer der Entwicklung und dem Bau von Verbrennungsmotoren. Seine Kundschaft und Lizenznehmer rekrutierten sich hauptsächlich aus den Pkw- und Nutzfahrzeugherstellern weltweit. Traktoren spielten zu der Zeit eine untergeordnete Rolle. Das Geschäft brummte, und in Spitzenzeiten beschäftigte Ludwig Elsbett 74 Mitarbeiter, darunter seine Söhne Günter und Klaus sowie seine Enkelin Elke als Testfahrerin.
Kurz vor der Ölkrise 1973 stellte Elsbett seinen legendären pflanzenöltauglichen Motor mit Pumpe-Düse-Direkteinspritzung vor. Aus 1,4 l Hubraum schöpfte der Dreizylinder 90 PS. Für damalige Zeiten war das sensationell, ebenso wie der Verbrauch von unter 3 l/100 km in einem VW Golf.
Eigener Versuchsbetrieb
Im Jahr 1974 stieg die Familie Elsbett in die Landwirtschaft ein. Sie kaufte in Soyen bei Wasserburg am Inn einen Hof, um dort Versuche mit verschiedensten Ölpflanzen zu machen. Federführend waren dort der dritte Sohn Max sowie Mutter Lieselotte Elsbett.
Während die Fahrzeugindustrie mit den Elsbett-Motoren und -Ideen experimentierte, produzierte die Firma selbst hauptsächlich Prototypen für die Lizenznehmer. Im kleinen Rahmen wurden auch Motoren an Privatleute verkauft. Die Fachwelt war voll des Lobes, und bei spektakulären Ausdauer- und Verbrauchswettbewerben hatte Elsbett immer die Nase vorn. Ludwig Elsbett war auch der erste Motorkonstrukteur überhaupt, der unbehandeltes Pflanzenöl einsetzte. Er wollte die Technik an die Natur anpassen und nicht umgekehrt.
Ab Ende der 1980er Jahre gab es eine Kooperation mit Mercedes-Benz. Elsbett rüstete MB tracs pflanzenöltauglich um. Dazu wurden die Kolben, die Pleuel und der Zylinderkopf getauscht. Auch Fendt und Renault setzten gemeinsam mit ihrem Motorhersteller MWM nach dem Elsbett-Prinzip umgerüstete Versuchstraktoren mit Pflanzenöl ein.
Doch Nägel mit Köpfen machte ausgerechnet Eicher zur Agritechnica 1989. Statt einen eigenen Motor zu modifizieren, gab es einen Wotan 3108 mit einem Original-Elsbett-Motor. Es blieb aber bei diesem Eicher-Elsbett-Prototyp, und später wurde dieser mit einem Eicher-Motor rückgerüstet.
Ludwig Elsbett kehrte im Alter in sein Elternhaus zurück und richtete dort ein Museum ein.
(Bildquelle: Herrmann, Archiv Prillinger)
Dieser Fendt Favorit 615 LSA mit 185 PS hatte einen von Elsbett umgerüsteten MWM-Motor. Das Foto entstand 1994 in der Versuchsanstalt Grub (Bayern).
(Bildquelle: Herrmann, Archiv Prillinger)
Dieser von Elsbett umgerüstete MB trac 1000 steht im Deutschen Landwirtschaftsmuseum in Stuttgart-Hohenheim.
(Bildquelle: Herrmann, Archiv Prillinger)
Das Schnittmuster zeigt den kugelförmigen Brennraum im Kolben. Der Pleuel ist oben v-förmig und übernimmt den Druck direkt vom Kolben.
(Bildquelle: Tovornik)
Der Schlüter Bio Traktor Super 1700 LS von 1992 gehört Wilhelm König aus Empfingen und läuft noch heute mit Pflanzenöl.
(Bildquelle: Herrmann, Archiv Prillinger)
Schlüter kommt dazu
Zu der Zeit kämpfte auch Schlüter ums Überleben. Gemeinsam mit Ludwig Elsbett und dem Dieselmotorenwerk Schönebeck (DMS) entwickelte Dr. Anton Schlüter ab 1991 Ideen, wie sie als erste einen pflanzenöltauglichen Serientraktor auf die Räder stellen konnten. Weil sowohl Schlüter als auch DMS nicht über das nötige Kapital für eine neue Motorenentwicklung verfügten, schulterten die Elsbetts die Kosten.
Die Konstrukteure bauten einen Elsbett-Motor mit vier Zylindern, 7,5 l Hubraum und 170 PS.
Die Fahrzeugbasis war ein Schlüter Super 1500 TVL-LS. Ende 1992 war dieser Traktor als Prototyp fertig und ging in die Erprobung. Er konnte mit Rapsmethylester, kaltgepresstem Rapsöl oder Diesel betrieben werden.
Alle drei Partner hatten große Hoffnungen in den weltweit sparsamsten Traktor gesetzt. Doch setzte ausgerechnet die staatliche kontrollierte Treuhand-Gesellschaft dem Projekt ein Ende. Das DMS wurde liquidiert, und die Verträge mit der Firma Elsbett waren damit hinfällig. Das galt aber nicht für den Bankkredit in zweistelliger Millionenhöhe, den Elsbett aufgenommen hatte. Im Laufe des Jahres 1993 trieben die Rückforderungen das Unternehmen mitsamt des Pichl-Hofes in Soyen in den Ruin.
Während seine Söhne sich beruflich neu orientierten, ging Ludwig Elsbett zurück in seinen Geburtsort und übernahm von einer Schwester das Elternhaus. Dort baute er eine Halle und richtete darin ein Museum ein. Bis zu seinem Tod im März 2003 arbeitete er täglich am Reißbrett, um seinen letzten Traum zu realisieren: einen funktionierenden Gegenkolbenmotor. Dabei handelt es sich um einen Zweitaktdirekteinspritzer ohne Ventile in einfachster Bauweise, der das Potenzial hat, der effizienteste Hubkolbenmotor überhaupt zu sein.
Das Museum
Der Gegenkolbenmotor kam über Umwege zur TU Braunschweig und wartet dort auf seine Finalisierung. Im Elsbett-Museum in Salz stehen umgerüstete Pkw sowie eine Reihe von Mustermotoren. Von Mai bis Oktober ist das Museum nach Absprache geöffnet.
Die Führungen übernimmt in der Regel der Bürgermeister der Gemeinde Salz, Martin Schmitt (salz.rhoen-saale.net). Der gelernte Werkzeugmacher kannte Ludwig Elsbett persönlich und kann dessen Erfindungen auch Laien hervorragend erklären — und vorführen! Denn im Museum steht ein Mercedes mit einem Elsbett-Motor und weit über 500 000 Kilometern auf dem Tacho, der auf den Schlag anspringt. Der Geruch nach Pommesbude lässt dann alte Erinnerungen aufkommen. Für wagemutige Konstrukteure könnte es der Anlass sein, den Faden wieder aufzunehmen. Die 400 Patente von Elsbett sind inzwischen allesamt frei.
Diesen Renault 145-14 rüstete Elsbett etwa 1990 mit einem Dreizylinder-Pflanzenölmotor mit 170 PS aus.
(Bildquelle: Herrmann, Archiv Prillinger)
Ludwig Elsbett 1973 mit seinem legendären, pflanzenöltauglichen Dreizylindermotor.
(Bildquelle: Tovornik)
Diese Ölproben sind im Elsbett-Museum ausgestellt und stammen aus der Hochzeit der Firma in Hilpoltstein. Rizinusöl ist auch dabei!
(Bildquelle: Tovornik)
Bürgermeister Martin Schmitt bietet von Mai bis Oktober Führungen an und kann das Lebenswerk von Elsbett sehr gut erklären.
(Bildquelle: profi)
Fazit
Ludwig Elsbetts Motor ist weltweit einmalig und hat einen hohen Wirkungsgrad. Als er in den Traktorenbau ging, waren alle beseelt von der neuen Technik, versprach sie den Landwirten doch weitgehende Autarkie. Dass ausgerechnet ein Traktorhersteller die Firma Elsbett mit in die Tiefe riss, ist die Tragik der Geschichte.