Über 30 Jahre ist es her, dass mit Eicher einer der wohl erfolgreichsten deutschen Schlepperhersteller Konkurs anmelden musste.
In seiner Blütezeit gehörte Eicher in der deutschen Traktorenindustrie zu den ganz Großen im Markt. 1936 wurde von den Brüdern Josef und Albert Eicher der erste Eicher-Schlepper konstruiert, 1954 wurde der Eicher-Schlepper Nr. 25.000 gebaut, schon 1965 erreichte der Eicher-Bestand im Markt die magische Zahl 100.000. Der bayerische Schlepperhersteller lag mit jährlich über 7.000 verkauften Neuschleppern auf Platz 4 der deutschen Zulassungsstatistik, etwa 2.000 Mitarbeiter produzierten jährlich bis zu 9.000 Schlepper auf den Montagebändern im bayerischen Forstern. Die luftgekühlten Eicher-Motoren setzten Maßstäbe in der Landtechnik.
Eicher übernahm 1968 von der einstigen Hans Glas GmbH die Firma Isaria und baute in dem von BMW gekauften Isaria-Werk in Dingolfing Drillmaschinen, die noch 1982 einen Marktanteil von 25 % hatten.
Eicher organisierte eigene Maschinenvorführungen in ganz Deutschland und im benachbarten Ausland, und im heimatlichen Freistaat Bayern kam an Eicher keiner vorbei. Die großen – und durchaus modernen - Produktionshallen am Wiesenweg 22 in Landau zeugen noch heute von dieser Vergangenheit.
Doch das ist auch so ziemlich das Einzige, was geblieben ist. Und selbst die Produktionshallen gehören Eicher heute nicht mehr. Hier ist die Firma Einhell eingezogen und vertreibt Pkw-Anhänger, fünf Traktoren standen in den letzten Monaten verloren vor dem großen Eicher-Verwaltungstrakt. 280 bis 300 Schlepper hoffte man in Landau 1991 zu verkaufen. Tatsächlich waren es dann jedoch nur 187 Traktoren, Eicher hielt damit 1991 noch Platz 18 der gesamtdeutschen Schlepper-Zulassungsstatistik.
Am 6. März 1992 kam dann das Aus: Nachdem sich der Hamburger Multi-Unternehmer Ulrich Harms als Eigner weigerte, weitere Millionen "in den Landauer Sand zu setzen" (so beschrieb es die Landauer Tageszeitung), kündigte die Hausbank Ende Februar einen mehrere Millionen Mark umfassenden Kredit. Eicher-Geschäftsführer Peter Hering musste beim Amtsgericht Landau den Konkurs anmelden. Und muss nun fürchten, dass sogar der Konkursantrag abgelehnt wird - mangels Masse.
Schuld daran ist allerdings nicht das Produkt. Der luftgekühlte Eicher-Motor mit den charakteristischen halbrunden Ventilatorgehäusen an jedem Zylinder genießt selbst heute noch einen guten Ruf, auch wenn sich der Geldmangel und die fehlende Weiterentwicklung des Schleppers in den letzten Jahren bemerkbar machten. Nein, schuld am Ende von Eicher sind vielmehr Fehler im Management des Unternehmens. Manche davon wurden sicherlich auch in den letzten Jahren mal gemacht, die meisten Fehl-Entscheidungen fielen jedoch schon vor 10, 20 oder gar 30 Jahren.
Anfang der siebziger Jahre beispielsweise. Schon damals war der Motor das Herz des Eicher-Schleppers nicht nur beim Antrieb, sondern auch im Verkauf. Dem Motor gehörte stets die Aufmerksamkeit der Konstrukteure. Als ZF deshalb Ende der sechziger Jahre die Fertigung der kleinen Traktorengetriebe einstellen wollte und Eicher einen neuen Getriebelieferanten brauchte, wurde der Gedanke an eine hauseigene Getriebeentwicklung schnell wieder verworfen.
Dabei hätte ein eigenes Eicher-Getriebe vermutlich eine noch größere Produktidentität bewirkt und die erreichten Marktanteile langfristig sichern können. Noch heute gehen im Schlepperbau etwa 40% der Wertschöpfung eines Traktors auf das Konto Getriebe und Vorderachse.
Eicher suchte jedoch stattdessen nach einem neuen Getriebelieferanten und fand ihn 1970 in MF. Weil MF für Eicher die Schmalspurschlepper in die Welt verkaufen helfen sollte, trat Eicher – gegen eine Kapitalspritze von MF - 30 % seiner Anteile an den multinationalen Konzern ab. Damit begann eine geschäftliche Beziehung zum damals noch kanadischen riesigen Konzern, die sich später für Eicher sehr nachteilig auswirken sollte.
Massey-Ferguson wollte natürlich langfristig nicht nur Getriebe liefern, sondern mehr. MF entschied darum als erstes, die verschiedenen Fertigungsstätten von Eicher in Bayern zu verkaufen und stattdessen in Landau an der Isar ein neues Werk zu errichten, in dem alle Eicher-Produkte gefertigt werden sollten. 1973 lief hier die Produktion an. Daneben sollte Eicher in seine Schlepper zukünftig MF-Getriebe und Perkins-Motoren einbauen. Das war für die "Produktidentität" des traditionell luftgekühlten Eicher-Schleppers ein schwerer Schlag. Nur die Schmalspurschlepper und die großen Sechszylinder durften noch mit Eicher-Motoren verkauft werden.
Als MF jedoch Ende der siebziger Jahre ernsthaft ins Straucheln geriet, stand Eicher plötzlich zum Verkauf. Weil sich kein Käufer fand, beschlossen die damaligen MF -Manager, die Eicher-Produktionsstätten in Landau zum 31. Januar 1982 stillzulegen. Nun war es – Ironie des Schicksals - die eigene Tochter, die die Mutter retten sollte.
In guten Zeiten hatte Eicher 1952 in Indien Exportverträge mit der indischen Firma Goodearth geschlossen, die seit 1958 indische Eicher-Traktoren in Lizenz baute. Vikram Lal, Chef von Eicher Goodearth, nutzte die Gelegenheit und übernahm 1981 die deutsche Eicher-Gesellschaft von MF "mit Mann und Maus", allerdings ohne die Gebäude und Maschinen. Die verblieben im Besitz von MF bzw. deren Banken.
Das sollte sich als eine schwere Bürde erweisen. Teure Mieten für die Landauer Eicher-Immobilie (jährlich mussten 2,3 Millionen Mark an den Eigentümer MF gezahlt werden) trafen zusammen mit dem ersten Zusammenbruch des deutschen Schleppermarktes, auf dem Eicher traditionell am besten vertreten war.
Das konnte die ehemals kleine indische Tochter, die in ihren besten Zeiten 12000 Schlepper im Jahr verkauft hatte, jedoch nun unter einer knappen Finanzdecke, hohen Kosten und schlechten Märkten litt, nicht verkraften. Zumal MF aus Lieferverträgen noch Außenstände von gut 10 Millionen Mark reklamierte. Die nötigen Gelder zur Finanzierung der Produktion und des Vertriebs blieben aus, am 22. Mai 1984 meldete Eicher den Konkurs an. Nun schien alles aus. Doch wer das glaubte, der hatte die Lebensfähigkeit von Eicher, vor allem aber den Überlebenswillen der Eicher-Händler, unterschätzt. In einer beispiellosen Aktion schlossen sich knapp 80 Eicher-Händler zusammen, um den Schlepperhersteller gemeinsam zu retten. Die Händler zahlten insgesamt 1,3 Millionen Mark in eine gemeinsame Auffanggesellschaft ein, am 2. Januar 1985 wurde Eicher von seinen eigenen Händler gekauft (mit Hilfe eines Zuschusses des Landes Bayern und unter mehrheitlicher Kontrolle einer Schweizer Finanzgruppe).
Inzwischen waren die vielen Probleme der Vergangenheit jedoch nicht spurlos an Eicher vorübergegangen. Geschrumpfte Märkte und schlechtere Zeiten für die Landtechnik-Industrie einerseits und die fehlende Weiterentwicklung des Typenprogramms andererseits hatten auch in der Eicher-Produktpalette ihre Spuren hinterlassen. Der jährliche Traktorenabsatz der luftgekühlten Schlepper sank Mitte der achtziger Jahre auf weniger als 400 Einheiten, die von noch etwa 120 Mitarbeitern in Landau montiert wurden. Der Schwerpunkt lag schon lange nicht mehr bei Ackerschleppern, sondern bei den Schmalspurschleppern für den Obst- und Weinbau.
Bei den Standardschleppern stagnierte die Entwicklung, große Forschungsvorhaben wurden nicht mehr getätigt. Die einzige nennenswerte Neuvorstellung war 1989 auf der Agritechnica in Frankfurt zu sehen: Der Eicher-Elsbett, ein Sechszylinder-Standardschlepper mit 108 PS und Elsbett-Rapsölmotor. Obwohl Eicher damit noch einmal seine Kompetenz vor allem im Bereich der Schleppermotorenentwicklung demonstrierte, wurde das erhoffte Geschäft zum Flop: Die Zeit war noch nicht reif. Statt der erhofften 150 Schlepper (siehe profi 1/89) wurden ganze zwei der modernen Biotraktoren gebaut, verkauft wurde keiner.
Auch ein weiterer Versuch, mit neuen Strategien dem Trend nach unten eine andere Richtung zu geben, sollte scheitern. Ebenfalls 1989 stellte Eicher die neue Baureihe 2000 vor: Standardschlepper mit luftgekühlten Eicher-Motoren, die mit einem Getriebe und Achsen der italienischen SLH-Gruppe (Same-Lamborghini-Hürlimann) ausgestattet waren. Die erklärte Absicht: Diese Schlepper im italienischen SLH-Werk bauen zu lassen und ab 1990/91 jährlich 150 bis 200 Einheiten in Deutschland zu verkaufen.
Eicher gehörte zu dieser Zeit bereits dem Unternehmer Ulrich Harms, der im Jahre 1988 den Landauer Schlepperhersteller einschließlich der Gebäude und Maschinen von den Händlern übernommen hatte. Doch auch das neue Management konnte ein Scheitern des SLH-Deals nicht verhindern:
Der Bau der Eicher-Baureihe 2000 mit Eicher-Motoren in Italien erwies sich in seiner geplanten Form als zu teuer. Eicher handelte deshalb mit den italienischen Managern den Kauf von 150 Hürlimann-Traktoren aus, die in Eicher-Blau und mit einer Eicher-spezifischen Sonderausstattung in
Deutschland verkauft werden sollten. Das scheiterte allerdings daran, dass sich weder Eicher noch die SLH-Gruppe Gedanken gemacht hatten über die Eigenarten des deutschen Marktes:
Die deutsche SLH-Tochter Same-Lamborghini hat in Bayern Verträge mit der BayWa über die Lieferung von Lamborghini-Traktoren. Eicher versuchte nun, gerade in diesen Markt die neuen blauen SLH-Traktoren zu verkaufen, was natürlich der BayWa nicht gefallen konnte. Im Spätsommer 1991 fiel deshalb auch hier der Vorhang: Eicher erhielt über die bereits gelieferten 30 Einheiten hinaus keine weiteren Traktoren.
Nachdem Einhell zunächst als Mieter in die Hallen auf dem Landauer Eicher-Werksgelände eingezogen war, verkaufte Eicher-Besitzer Harms 1991 die Produktionsstätte an Einhell. Der im Herbst 1991 erfolgte vorletzte drastische Einschnitt in die Eicher-Geschichte sah weiter die Verlagerung der Schlepperproduktion in eine Fabrik im sächsischen Cunewalde in Ostdeutschland vor. In Landau sollte nur noch der Vertrieb bleiben, die Eicher-Belegschaft wurde erneut um ein Drittel verringert.
So wurde auch 1991 wieder kein Jahr für Eicher, das eine Trendwende bringen konnte. Auch die im November 1991 verkündete Zusammenarbeit mit Valmet - der finnische Schlepperhersteller hatte sich zum Einstieg in den bundesdeutschen Markt Eicher als Importeur und Handelspartner ausgesucht - konnte nichts mehr ändern: Noch ehe die ersten Valmet-Traktoren vom TÜV freigegeben und an Landwirte verkauft waren, stand bei Eicher der schwere Gang zum Konkursrichter an.
Die derzeitige Situation ist düster. Die Vorräte an Motoren und Teilen in Landau sind aufgebraucht, das ehemals große Ersatzteillager von Eicher ist fast leer. Über den Konkursantrag entscheidet das Amtsgericht. Nur wenn sich die Ansprüche der Gläubiger vom Verkauf der Firma wenigstens teilweise befriedigen lassen, wird ein Konkursverfahren eröffnet. Die Liste der noch bestehenden Sachwerte, die Eicher mit dem Konkursantrag bei Gericht einreichte, war jedoch sehr kurz. Deshalb steht zu vermuten, dass kein Konkursverfahren eröffnet wird und stattdessen ein Zwangsvergleich in den nächsten Monaten das endgültige Ende von Eicher besiegelt.
Es gibt theoretisch noch die Möglichkeit, dass der Name Eicher erhalten bleibt. Die Produktionsstätte in Cunewalde interessiert sich für Eicher und bemüht sich, die Produktion der Eicher-Spezialschlepper und den Vertrieb mit einem eigenen Ersatzteillager zu übernehmen. Dabei soll auch auf Fachpersonal aus Landau zurückgegriffen werden. Valmet möchte einen eigenen Vertrieb in Deutschland gründen und wird vielleicht auch einige der zuletzt noch 53 Eicher-Mitarbeiter übernehmen. Eicher selbst wird aber wohl nun endgültig keine Zukunft mehr haben. Und das ist schade.