Anton Schlüter würde es sicher gefallen. Der Eurotrac als weiterentwickelter Trac-Schlepper im modernen Schlüter-Design mit stufenlosem Getriebe und Vollfederung. Klar: Ein Vergleich in dieser Art und Weise ist nicht möglich. Dennoch haben wir die Möglichkeit genutzt, beide Tracs gegenüberzustellen — um auch die technischen Unterschiede nach mehr als 30 Jahren Schlepperentwicklung beleuchten zu können.
Hintergrund der besonderen Lackierung ist, wie so oft, die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu steigern — Marketing eben. Dabei haben die findigen Verkäufer der Agravis Technik in Meppen (Emsland) bereits Erfahrung mit gewagten Farbspielen. Des Öfteren wurde ein JCB Fastrac aufwendig umgetauft, getarnt als New-Holland, Claas, Fendt oder im vergangenen Jahr als legendärer MB trac-Nachfolger. In ähnlicher Manier wie Christo hat man sich in diesem Jahr einen JCB Fastrac 4220 vorgenommen. Herausgekommen ist ein richtig schicker JCB Eurotrac. Das wohl einmalige Modell ist Highlight der kommenden Auktion auf ab-auction.com und geht an den Höchstbietenden.
Sogar der Bär im Emblem von Schlüter wurde genutzt, er stützt sich aber richtigerweise auf das JCB-Logo. Die Mitarbeiter der Agravis in Meppen haben neben unzähligen Stunden etwa 8 000 Euro in die Lackierung investiert.
Der Schlüter hat in diesem Vergleich den großen Kultvorteil. Entsprechend tiefer möchten wir in seine Entwicklungsgeschichte einsteigen, wenn auch der Fastrac ebenfalls eine bewegte Vergangenheit aufweisen kann. Der Eurotrac mit vier An- und Aufbauräumen war revolutionär und die Technik dazu visionär: vier gleich große Räder, Wespentaille für mehr Wendigkeit, hydropneumatische Kabinenfederung, einfachste Rückfahreinrichtung sowie ein stufenloses Getriebe zumindest als Prototyp für die kleinsten Modelle der Schlüter-Eurotrac-Serie. Gehapert hat es eher an der finanziellen Ausdauer für die Markteinführung — dazu später mehr.
Ein um 70° verdrehter Sechszylinder von MAN verbirgt sich unter der kippbaren Kabine. Die Kühlung war ein Problem dieser Bauweise.
(Bildquelle: Tovornik)
Typisches Merkmal der Eurotracs: Der verschiebbare Ballastblock, der für bis zu 15 % mehr Zugkraft sorgen sollte. Er wiegt etwa 1,9 t und kann auf Stützen abgestellt werden.
(Bildquelle: Tovornik)
Technisch kann der JCB natürlich mithalten: 60 km/h, vollgefedertes Fahrwerk mit Vierradlenkung und ein stufenloses Getriebe von Fendt bedeuten auf der Straße Lkw-ähnlichen Fahrkomfort.
Für unseren fotografischen Vergleich haben wir einen ganz besonderen Schlüter Eurotrac 1300 aufgetan. Mit der Fahrgestellnummer 823 0001 ist dieser Eurotrac wohl der erste Prototyp aus der schlüterschen Ideenschmiede! Die rustikale, teils sehr einfache Schweißkonstruktion bestätigt das Unikat. Das originale Dach sowie das sonst flachere, ausschiebbare Frontgewicht sind aber leider nicht mehr im Originalzustand wie auf dem Bild vor der Villa Anton Schlüters einst dargestellt.
1990 war Schlüter als Traktorenhersteller bereits finanziell geschwächt. Der Verkauf großer Schlüter lief verhalten. Der Eurotrac war der letzte Strohhalm, nach dem die Traktorenwerke aus Freising griffen. Chefentwickler Siegfried Leutner rollte das Trac-Konzept neu auf: Vier gleich große Räder, vier Anbauräume und bis zu 190 PS — der Eurotrac war geboren. Nach viel Überzeugungsarbeit gegenüber der Geschäftsführung wurde das Vorhaben Eurotrac tatsächlich angepackt.
Die Markteinführung des Schlüter Eurotrac sowie die gesamte Neuentwicklung verschlangen viele Millionen. Aus der Erbengemeinschaft zahlte Schlüter bereits 15 bis 20 Millionen D-Mark allein für die Entwicklung. Für eine Marktdurchdringung, den Service und die Händlerakquise waren weitere Millionen nötig. Die Idee war, zusammen mit Claas ab Herbst 1990 den Vertrieb im großen Stil zu organisieren. Dafür beteiligte sich Claas mit 40 % am Unternehmen.
Unser besuchter Trac ist ein ganz besonderer: Fahrgestellnummer 0001 deutet auf den ersten Prototypen hin, der hier vor der Villa von Anton Schlüter abgelichtet wurde. Die rustikale Bauweise bestätigt diesen Status.
(Bildquelle: Archiv, Bergmann)
Anton Schlüter in einem Interview 1989. Der Eurotrac war die letzte Chance die Marke Schlüter zu retten.
(Bildquelle: Archiv, Bergmann)
Die Schlüterära ging zu Ende
Der Erfolg währte nicht lange, nur ein halbes Jahr nach Beginn der Kooperation zog sich Claas zurück. Die Verkaufszahlen der Schlütertraktoren sanken weiter. 1992 wurden gerade noch 99 neue Schlüter-Traktoren zugelassen, davon sogar 60 Eurotrac. Am 1. September 1993 übernahm die LTS (Landtechnik Schönebeck) die Eurotrac-Produktion — die legendären Schlüter-Tore in Freising wurden geschlossen. Der Trac lebte auch in Schönebeck nicht lange, zu groß waren die Kinderkrankheiten, zu gering war die Nachfrage nach dem teuren Eurotrac.
So ist das von uns für diesen Vergleich gefundene Modell einzigartig und wertvoll. Schlepperverrückte schätzen den Wert auf mehr als 300 000 Euro! Besitzer ist Stephan Kersting. Als Landmaschinenhändler ist ihm der Eurotrac vor einem halben Jahr angeboten worden.
Die Kommandozentrale des Schlüters ist definitiv geräumig, aber geschlossen genau so laut wie der Fastrac mit offenen Scheiben.
(Bildquelle: Tovornik )
Auf dem JCB gleitet der Fahrer mit gefederten Achsen und Kabine mit 63 km/h über die Straße.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Rückfahreinrichtung ist vorbildlich! In wenigen Sekunden hat der Fahrer die Richtung gewechselt und hinten alles im Blick.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Bedieneinheit des Schlüter ist aus heutiger Sicht rustikal. Das Getriebe mit nur zwei LS-Stufen passte damals schon nicht mehr in die Zeit.
(Bildquelle: Tovornik)
JCB startet zur gleichen Zeit
Dass der JCB Fastrac dem Schlüter technisch überlegen ist, steht außer Frage. Die technischen Daten zeigen es eindrucksvoll.
JCB hat es allerdings bis heute geschafft, den Fastrac erfolgreich zu vermarkten. Die Engländer begannen 1986 mit der Entwicklung, ebenfalls 1989 ackerte der erste Prototyp auf englischer Scholle. 1991 wurde das erste schnelle Modell exportiert.
Im Vergleich hatte das englische Unternehmen deutlich mehr Finanzkraft zu der Zeit. So konnte JCB den Markt mit seinen bestehenden Händlern effektiver durchdringen — bis heute. Damals wurde der 150er Fastrac von einem 150-PS-Perkinsmotor angetrieben, und geschaltet wurde mit einem 18/6 vollsynchronisierten Getriebe. Ebenfalls kultig, wenngleich der Status des Eurotrac nicht erreicht wurde.
Der Fastrac kommt dem Eurotrac tatsächlich sehr nahe, und die Farbgebung steht dem JCB, oder?
(Bildquelle: Tovornik)
Die Agravis Technik in Meppen, hat sich schon zu manchem Farbenspiel verleiten lassen.
(Bildquelle: Archiv, Bergmann)
So hat man aus Marketinggründen bereits mehrere Modelle umlackieren bzw. folieren lassen.
(Bildquelle: Archiv, Bergmann)
Auch ein Blauer war dabei.
(Bildquelle: Archiv, Bergmann)
(Bildquelle: Archiv, Bergmann)
Fazit
Die Agravis Meppen hat für die Auktion Ende Februar ein Farbenspiel auf die Räder gestellt. Mit viel Liebe zum Detail mutierte dort ein Fastrac zum Eurotrac. Die Farbe steht dem Engländer erstaunlich gut. Die inneren Werte erinnern dabei kaum an die kurze und legendäre Eurotrac-Geschichte, hier vertreten durch den Prototypen mit der Fahrgestellnummer 0001. Dessen Wert wird der verhüllte JCB wohl nie erreichen.