Revolutionär
Aus profi 11/1992
Preiswert, beliebt und technisch ganz vorne: Porsche war ein erfolgreicher Schlepperhersteller! 1992 brachte Wilfried Holtmann den Auf- und Abstieg des Unternehmens zu Papier.
Da muss etwas Besonderes dran sein: Spontan bringen die meisten Landwirte die Bezeichnungen Junior, Standard oder Super mit dem Namen Porsche in Verbindung. Und das, obwohl der letzte Porsche-Diesel vor dreißig Jahren vom Band gelaufen ist und nur noch wenige im Einsatz sind. Wer dieses Phänomen verstehen will, muss die spannende Geschichte der Porsche-Diesel-Schlepper kennen.
Die Ursprünge liegen in den dreißiger Jahren. Ferdinand Porsche, der "Vater" des Volkswagens, arbeitete unter anderem auch an der Konstruktion eines "Volksschleppers" . Umgesetzt wurde dieser Gedanke aber erst 1950, als die Firma Allgaier mit der Lizenz-Produktion von Porsche-Schleppern begann.
Das erste Modell AP 17 mit 18 PS, in orange lackiert, hatte einen für damalige Verhältnisse mit 2000 U/min schnelllaufenden, luftgekühlten Zweizylindermotor. Geradezu revolutionär war das geringe Leergewicht von nur 950 kg sowie der Preis: 4450 DM kostete der Schlepper. Für einen 20er Bulldog musste man immerhin schon 6800 DM hinlegen.
Die Rechnung von Professor Porsche ging auf: Die sparsamen, leichten, wendigen und in der Anschaffung billigen Schlepper kamen bei den Landwirten an. Deshalb wurde die Typen-Palette erweitert, so dass ab 1953 Schlepper mit 12, 22, 33 sowie 44 PS zur Verfügung standen. Die Firma Allgaier stellte die Produktion der eigenen wassergekühlten Schlepper ganz ein und lackierte die Allgaier-Porsche-Schlepper jetzt grün.
Diese wurden als Ein-, Zwei-, Drei- und Vierzylinder im Baukastensystem gefertigt. Alle Schlepper hatten einen Hubraum von 822 ccm pro Zylinder, 85 Prozent der Motorteile waren einheitlich und für alle Typen verwendbar. Interessante Ausstattungen wie die ölhydraulische Kupplung und ein Kraftheber trugen zum Erfolg bei. Dem schlechten Ruf des Leichtgewichts als Zugschlepper begegnete man mit variablen Ballastierungen, einer für damalige Zeiten noch ungewöhnlichen Ausrüstung.
Inzwischen kam die Produktion in den Allgaier-Werken kaum noch hinter der Nachfrage her. So zeichnete sich schon 1954 ab, dass der Bau eines größeren Werks notwendig wurde. Da die Firma Allgaier sich aus der Schlepperherstellung zurückziehen wollte, wurde die Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH gegründet, hinter der der Mannesmann-Konzern stand. 1956 begann man, in Friedrichshafen ein ganz neues Schlepperwerk zu bauen.
Das Produktionsziel lag bei 20 000 Schleppern pro Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 1991 wurden in Deutschland etwa 30 000 Schlepper verkauft! Ab 1956 waren die Porsche nicht mehr grün, sondern knallrot. Damit brachte Porsche "Farbe" in die boomende Schlepperindustrie.
Mit Beginn der Produktion im neuen Werk wurde 1957 eine überarbeitete Produktpalette vorgestellt. Erstmals tauchten die Namen Junior, Standard und Super auf. Jetzt standen Schlepper mit 14, 25, 38 sowie der Typ Master mit 50 PS zur Verfügung. Wiederum im Baukastensystem gefertigt, mit Motoren von ein bis vier Zylindern. Bis auf den Junior, der über ein 6/2-Getriebe von ZF verfügte, waren alle Porsche-Schlepper mit einer Hydrokupplung sowie dem antiquierten 511-Getriebe aus eigener Produktion ausgerüstet. Die schlechte Gangabstufung sowie die fehlende Doppelkupplung schienen die Steigerung der Verkaufszahlen aber nicht zu beeinträchtigen, zumal die meisten Mitbewerber auch nichts Besseres zu bieten hatten. Die Zusatzausrüstungen waren dafür "vom Feinsten": Fronthydraulik, Frontzapfwelle und Frontlader. Der Junior wurde als T-Modell auch mit Wespentaille angeboten, um Zwischenachsgeräte anbauen zu können - natürlich mit hydraulischer Aushebung.
Mitte 1958 kündigte Porsche dann eine große "Typenbereinigung" sowie die "freundschaftlich-industrielle Zusammenarbeit" mit Deutz an. Konkret ging es darum, einzelne Bauteile, wie Getriebe und Hinterachsen, gemeinsam zu entwickeln, um Kosten einzusparen. Dadurch wollten die beiden Marktführer ihre Position gegenüber der Konkurrenz weiter ausbauen.
Die gute Qualität, die günstigen Preise sowie eine professionelle Werbung zahlten sich für Porsche aus: Während der Marktanteil in Deutschland zu "Allgaier-Zeiten" um die vier Prozent betragen hatte, wurde der Absatz innerhalb von vier Jahren mehr als verdreifacht!
1958 verkaufte Porsche im Inland knapp 11 000 Schlepper und lag mit 12 Prozent der Zulassungszahlen an zweiter Stelle hinter Deutz mit 14 Prozent. Weitere 6000 Porsche-Diesel
wurden exportiert. Mit einer solchen Exportrate von über 35 Prozent könnte sich Porsche auch heute
noch sehen lassen.
1959 ging es noch einmal bergauf. Die angestrebte Produktion von 20 000 Schleppern wurde in diesem Jahr nur knapp verfehlt. Zum Jahreswechsel 1960 präsentierte Porsche eine völlig neue Serie. Nur der Junior mit 15 PS war im Wesentlichen mit seinem Vorgänger identisch. Dafür waren die Mittelklasse-Schlepper mit 20, 26, 30, sowie 35 PS absolute Neukonstruktionen. Etwas größere Zylinderbohrungen sorgten für mehr Hubraum. Die typische "Porsche-Stellung" des Lenkrades war einem modernen Tulpenlenkrad gewichen. Die 30- und 35-PS-Schlepper hatten serienmäßig ein Traktormeter mit Drehzahlmesser und Geschwindigkeitsanzeige. Die Hinterachsen und das neue 8/2-Getriebe stammten von ZF (außer beim 20er).
Die Zapfwelle wurde jetzt über eine Doppelkupplung geschaltet, die Turbokupplung war geblieben. Der Zwischenachsanbau von Geräten war für alle Typen möglich. Wie bei den Vorgänger-Modellen war der Anbau zapfwellengetriebener Frontgeräte möglich. Die Fronthydraulik konnte werkzeuglos demontiert werden. Auf Wunsch konnten die Schlepper sogar als "Schnellläufer" ausgeliefert werden, die im achten Gang 29 km/h erreichten. Ein "Wetterdach" sowie eine Motorabluft-Heizung waren ebenfalls lieferbar. Ab 1961 wurden die Schlepper serienmäßig mit der neu entwickelten Bosch-Regelhydraulik verkauft.
Für den oberen Leistungsbereich standen der Super L mit 40 PS und Dreizylinder-Motor sowie der Master mit 50 PS und vier Zylindern zur Verfügung. Bei diesen Schleppern handelte es sich nicht um
Neuentwicklungen, sondern um eine Überarbeitung des alten Master. Eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Vorgänger-Modell war ebenso wie bei den kleineren Schleppern - die Ausrüstung mit einer Motorzapfwelle sowie einem 8/4-Getriebe. Dadurch war nicht nur die Abstufung der Vorwärtsgänge besser, sondern endlich stand auch ein "schneller" Rückwärtsgang zur Verfügung. Eine Regelhydraulik, wie sie ab 1961 in die kleineren Typen eingebaut wurde, war aber erst ab 1962 erhältlich.
Für alle Typen wurde ab 1960 eine thermostatisch geregelte Luftkühlung angeboten. Dazu hatte man ein plattenförmiges Bimetall an der linken Motorseite im Abluftstrom installiert, das über einen Bowdenzug und eine Klappe den Kühlluftstrom leitete. Lebensdauer und Spritverbrauch sollten davon profitieren. So gut wie der Grundgedanke dieser Konstruktion war, so schlecht war aber die Bewährung in der Praxis. Zahlreiche Kolbenfresser und gerissene Zylinderköpfe führten schnell dazu, dass Porsche den Werkstätten die Anweisung gab, diese Ausrüstung komplett auszubauen und diskret verschwinden zu lassen.
Mit der neuen Produktpalette setzte Porsche 1961 noch einmal über 16000 Schlepper ab, davon gut
10000 im Inland. Die Renner waren eindeutig die Mittelklasse-Modelle von 20 bis 35 PS. Inzwischen liefen in der deutschen Landwirtschaft schon über eine Million Schlepper. Die Nachfrage war weitgehend gesättigt.
Diese Entwicklung blieb den Managern des Mannesmann-Konzerns nicht verborgen, zumal Porsche-Diesel bei ihnen schon länger auf der "roten Liste" stand: durch hohe Investitionen und niedrige Preise hatte die Schlepper-Herstellung bislang kaum Gewinne abgeworfen. Deshalb fiel Anfang 1962 nach einigen Kooperations-Versuchen mit anderen Herstellern die Entscheidung, die Schlepper-Produktion einzustellen. Das gesamte Unternehmen wurde kurzerhand an den französischen Schlepper-Hersteller Renault verkauft.
Das traf nicht nur die Landwirte wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Selbst die Händler erfuhren von dieser Entscheidung erst aus den Zeitungen. Für den Absatz erwies sich diese Meldung als verheerend. Während 1961 noch 16 000 Schlepper verkauft wurden, waren es 1962 nur noch 6 000. Anfang 1963 wurden dann die letzten Porsche-Diesel-Schlepper montiert. Renault übernahm das Vertriebsnetz für seine eigenen Schlepper und stellte die Ersatzteilversorgung für Porsche sicher.
Besonders tragisch ist, dass die Porsche-Schlepper nicht mangelnder Qualität oder Fehlmanagement, sondern einer knallharten Konzernpolitik zum Opfer gefallen sind. Deshalb gehören sie zweifellos zu den schillerndsten Erscheinungen einer vergangenen Landtechnik-Epoche. Nicht nur wegen der roten
Farbe.