Mit dem RO 1 zeigte Horsch im vergangenen Jahr eine Vision für die autonome Feldbewirtschaftung. Wir haben das System in der Getreidebestellung kennengelernt.
Der Betrachter tut sich schwer — durch das Fehlen der Kabine hat das Auge Schwierigkeiten, die Maschine einzuordnen. Auch die kompakten Abmessungen lassen den Schluss zu: Hier fehlt das Zugfahrzeug!
Horsch RO 1: Fahrerlos fahren
Falsch gedacht: Dadurch, dass bei der Zugmaschine viele Komponenten entfallen können, fällt diese einfach kleiner aus als ein herkömmlicher Traktor. Denn der Horsch RO 1 verzichtet auf Kabine, Vorderachse und Federungssysteme. Außerdem fällt durch den Verzicht auf den Fahrer auch die Notwendigkeit weg, die Maschine möglichst übersichtlich zu gestalten. So können mehr Komponenten auf engerem Raum untergebracht werden. Trotzdem hat Horsch für ein gefälliges Äußeres eine schmucke Motorhaube montiert — und sich dafür bei der Selbstfahrfahrspritze Horsch Leeb PT 330 bedient.
Bevor wir den Blick unter die Haube werfen, einige Worte zum Konzept selbst: Horsch setzt für die autonome Aussaat auf Schlagkraft durch Großtechnik. „Wir stimmen nicht in das Schwärmen von Schwärmen ein“, lautet das Motto von Michael Horsch beim Thema Robotik. Dafür spricht laut Horsch die Arbeitsqualität: So braucht es z. B. Schardruck, um die Funktionen im Boden zu sichern — bei leichten Schwarmmaschinen ist dieser schwer zu erreichen.So entspricht die Drillmaschine weitestgehend einer 12 m breiten Serto SC. Alternativ kann der RO 1 auch mit einer 24- oder 36-reihigen Maestro eingesetzt werden.
Ein Zurückrüsten für den Einsatz hinter einem Standard-Schlepper soll einfach möglich sein. Statt einer Standard-Zugdeichsel werden die aufgesattelten Maschinen mit einem Koppelpunkt für den vertikalen Drehkranz des RO 1 ausgerüstet — in Zukunft per hydraulischem Schnellwechsler. Durch den Drehkranz ist eine seitliche Geländeanpassung des Triebkopfes möglich. Triebkopf, das bezeichnet die Funktion des RO 1 am besten, dient der Roboter doch vorrangig dem Vorankommen und der Versorgung der Hydraulikfunktionen.
Zum Vorankommen ist der RO 1 mit zwei Claas-Raupenlaufwerken ausgerüstet, die auch beim Axion Terra Trac verwendet werden. Die 1,35 m langen und 89 cm breiten Bänder kommen zusammen auf rund 2,4 m² Aufstandsfläche. Durch die starre Verbindung mit der Drillmaschine und die damit verbundene Stützlast auf den RO 1 soll auch die Traktion mit den beiden kurzen Raupen kein Problem sein.
Für den Vortrieb sorgt aktuell ein hydrostatisches Getriebe. In Zukunft soll allerdings ein eigenes, stufenloses CVT-Getriebe entwickelt werden. Dazu Michael Horsch: „Da die Maschine nur für den reinen Feldeinsatz konzipiert ist, sind auch die Anforderungen an das Getriebe geringer. Es muss ein deutlich kleinerer Bereich für die Fahrgeschwindigkeit abgedeckt werden, und Fahrkomfort spielt eine untergeordnete Rolle. Da trauen wir uns eine eigene Entwicklung schon zu.“ Maximal 20 km/h, dann ist Schluss beim Horsch RO 1 in Sachen Fahrgeschwindigkeit.
Bei der Drillmaschine handelt es sich um eine 12 m breite Serto 12 SC mit modifizierter Deichsel.
(Bildquelle: Tovornik)
Die fehlende Kabine und die kompakten Abmessungen lassen die 350 PS nicht vermuten.
(Bildquelle: Tovornik)
Über eine Deichsel kann der RO 1 einfach mit dem Logistik-Lkw umgesetzt werden.
(Bildquelle: Tovornik)
Fernbedientes Kraftpaket
Seine Kraft bezieht der Triebkopf aus einem 350-PS-Dieselmotor von MTU. „In Zukunft werden wir aber in Richtung 450 bis 500 PS gehen“, stellt Michael Horsch in Aussicht. Insgesamt ist der Aufbau des RO 1 mit den technischen Grundkomponenten einfach gehalten. Die Herausforderung steckt im autonomen Betrieb des Triebkopfes.
Soweit also zu den harten Themen rund um den RO 1. Fahren lässt sich das Gespann über eine Fernbedienung, wie sie beispielsweise auch bei Baukränen zum Einsatz kommt. Selbstverständlich ist der ferngesteuerte Einsatz aber nur für Rangier- und Servicearbeiten gedacht. Auf dem Acker soll der RO 1 dagegen komplett autonom arbeiten.
Damit dies möglich ist, mussten im Rahmen der Entwicklung im ersten Schritt die kompletten Funktionen der Maschine automatisiert und damit von den Fähigkeiten des Fahrers entkoppelt werden. Im zweiten Schritt ist auch die Überwachungsfunktion des Fahrers durch Technik abzulösen. Da mit beidem die Leistungsfähigkeit deutlich ansteigt, sind viele der einzelnen Funktionen wie Section Control oder Blockade-Überwachung bereits bei schleppergezogenen Geräten integriert.
Aktuell ist auch die an den RO 1 gekoppelte Maschine noch eine Standard-ISO-Bus-Maschine. Meldungen und Störungen werden zum einen auf dem ISO-Bus-Terminal direkt an der Maschine angezeigt — und zum anderen im Trimble-Portal „connected farm“. Ein automatischer Stopp der Maschine, etwa bei Blockaden der Säaggregate, ist bisher allerdings noch nicht integriert. Hier zeigt sich: Zum autonomen Feldeinsatz gehört deutlich mehr als nur die Automatisierung einzelner Funktionen. Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag ab Seite 106.
Das Raupenlaufwerk stammt vom Claas Axion terratrac.
(Bildquelle: Tovornik)
Baustelle Sicherheit: Mit Lidar- und Radarsensoren sowie Notaus-Schaltern an der Maschine wird den Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen.
(Bildquelle: Tovornik)
Gestartet wird der RO 1 klassisch per Zündschlüssel, für Rangierarbeiten und die Vorbereitungen zum Straßentransport gibt es eine Fernbedienung.
(Bildquelle: Tovornik)
Horsch RO 1: Autonomer Einsatz
Aber: Wir konnten mit dem RO 1 bereits einen autonomen Drilleinsatz simulieren. Neben den Sicherheitsaspekten, die über Kameras, Lidar- und Radar-Sensoren abgedeckt werden, spielt die Spurplanung eine entscheidende Rolle. Das Rangieren mit dem RO 1 ist dabei kein Problem: Vorwärts- wie Rückwärtsfahren kann der Triebkopf wie ein herkömmlicher Schlepper — er braucht dabei durch die kompakte Bauweise deutlich weniger Platz. Die Wendemanöver lassen sich bei der Fahrspurplanung berücksichtigen und so zeitsparend auslegen.
Zu diesen Themen hat Horsch eine Entwicklungsvereinbarung mit Trimble abgeschlossen. Denn in Zukunft müssen die Flächen sehr genau vorgeplant sein. „Grundvoraussetzung sind exakte Flächenkoordinaten“, hält Michael Horsch fest. „Betriebe, die sich mit solcher Technik beschäftigen, haben aber schon mehrjährige Erfahrung mit GPS-Systemen. Sicher wird es aber auch Flächen geben, für die der Einsatz eines autonomen Systems nicht interessant ist.“ Weitere Infos dazu lesen Sie im Kasten „Fahren nach Plan“ auf der nächsten Seite.
Denn der Einsatz eines Feldroboters erfordert auch eine durchgeplante Logistik. Horsch hat diesen Faktor bei seinen Projekten voll integriert. Denn auch die Übergabepunkte für Saatgut und Dünger muss die autonome Drilmaschine kennen — sie müssen bei der Spurplanung ebenfalls von vorneherein berücksichtigt werden. „Allein hier sehen wir ein großes Potenzial zur Leistungssteigerung“, ist sich Michael Horsch sicher.
Für autonomes Fahren auf der Straße ist der RO 1 nicht vorgesehen. Vielmehr nutzt Horsch das bereits bekannte Lkw-Shuttle-System: Eine kurze Zugmaschine ist mit einem Wechselaufbausystem für körnige und flüssige Güter ausgestattet. Damit wird kontinuierlich für Nachschub des autonom arbeitenden RO 1 gesorgt. Der Fahrer des Lkw soll zudem die Maschine überwachen und in regelmäßigen Abständen die Arbeitsqualität kontrollieren.
Gleichzeitig dient der Shuttle-Lkw als Zugmaschine, um den RO 1 von einer Fläche zur nächsten zu transportieren. Eine ausziehbare Deichsel macht den Roboter für den Transport zum Anhänger. Die Deichsel wird über ein Stützblech in Position gehalten, so dass der RO 1 im Einmannbetrieb zum Zugmaul des Lkw rangiert werden kann. Zudem ist der RO 1 bzw. die angehängte Drillmaschine mit einer Druckluftbremse versehen, die mit dem Lkw gekoppelt wird. „Für den Transport sind die kompakten Abmessungen entscheidend, damit kein überlanger Gliederzug entsteht“, erklärt Michael Horsch.
In spätestens zwei Jahren sollen die autonomen Verfahren, darunter auch der RO 1, voll auf der Horsch-Farm Agrovation in Tschechien integriert sein.
Ein 350 PS starker MTU-Motor versorgt derzeit die Hydraulikpumpen.
(Bildquelle: Tovornik)
Kompakt geklappt: Durch den Wegfall der Kabine kann die komplette Einheit kürzer gestaltet werden.
(Bildquelle: Tovornik)
Weitere Projekte
Weitere autonome Systeme sind bei Horsch bereits in Planung oder in der Prototypenphase: So wird an einer selbstfahrenden Pflanzenschutzspritze auf PT-Basis, allerdings ohne Kabine, gearbeitet. Ein ganz neues Konzept konnten wir bereits im Aufbaustadium betrachten: ein gigantischer, 24 m breiter Portalschlepper — ebenfalls für den autonomen Einsatz entwickelt. Diskutiert werden auch weitere Überlegungen, diesen Gantry mit seitlichen Auslegern später sogar auf 36 m Arbeitsbreite bei der Einzelkornsaat zu erweitern. Auf dem Portalschlepper werden große Saattanks für hohe Reichweiten montiert.
Außerdem ist die Entwicklungsabteilung mit einer kleineren Einheit für teilflächenspezifische Pflegearbeiten betraut: ein elektrisch betriebenes Trägerfahrzeug mit 3 m Arbeitsbreite und Solarpaneelen.
Festzuhalten bleibt: Der Einsatz des RO 1 wird vor allem auf Großflächen, z. B. in Südamerika oder der Ukraine, starten. Auf großen Flächen oder arrondierten Betrieben hat das System großes Potenzial. Weitere Einsatzfelder wie die Nutzung des RO 1 als Triebkopf vor dem Überladewagen sollen in der kommenden Saison folgen. Und auch die flache Stoppelbearbeitung mit Anbaugeräten wie Finer oder Joker sind bereits in der Planung — es bleibt also spannend.
Autonome Feldbewirtschaftung
Fünf Aussagen von Micheal Horsch
– „Bereits mit dem Aufkommen von GPS-Spurführungssystemen vor über 20 Jahren entstanden bei uns die ersten Visionen zur autonomen Feldarbeit — schon damals als Variante mit Triebkopf und Raupenlaufwerk.“
– „Man braucht sowieso Sicherheitseinrichtungen und die ganze Steuerungssoftware: Ob das Ding 3, 18 oder 24 m breit ist — das kostet alles das gleiche.“
– „Über kurz oder lang werden die Traktoren, so wie sie sind, weiter automatisiert — dann hat jeder neben RTK ein Radar/Lidar-System drauf. Da muss kein neues Fahrzeug mehr erfunden werden.“
– „Es geht nicht darum, den Mitarbeiter zu ersetzen, sondern ihm eine neue Aufgabe und neue Verantwortung zu geben.“
– „Wir haben eine ganz klare Forderung: Das Ganze muss am Ende deutlich kostengünstiger sein als die Kombination mit einem Schlepper mit 400 bis 500 PS.“
Herzstück für die Spurplanung des RO 1 ist das Trimble-Portal „connected farm“. Ähnlich wie die Maschine selbst befindet sich die Spurplanung noch im Entwicklungsstatus, wir konnten aber bereits einen Blick auf das Demonstrations-Tool werfen. Das Tool wird im 1. Halbjahr 2022 für ausgewählte Kunden verfügbar sein und nicht nur für autonome Maschinen eingesetzt. Felddaten und Spurlinien werden dazu aus dem Portal auf die Maschine importiert.
Für die Erstellung eines Spurlinien-Auftrags werden Flächen und Maschinendaten im Portal angelegt. Bezogen auf die Flächendaten bedeutet das, dass der Nutzer eine Fläche bzw. Feldgrenze auswählt und eine AB-Linie der Fahrspur angibt. Außerdem werden Hindernisse angewählt und ob diesen ausgewichen oder sie umrundet werden sollen.
Bei den fahrzeugbezogenen Daten müssen nicht nur die Breite und Länge angegeben werden. Für einen automatischen Ablauf sind weitere Daten nötig: So muss ein definierter Fahrgeschwindigkeits-Bereich angegeben werden, hinzu kommen Kurvengeschwindigkeiten und Lenkwinkel. „Mit reinen technischen Daten kommt man schnell an die Grenzen“, erklärt Meiko Martin, Verantwortlicher für den Bereich Offroad-
Autonomie bei Trimble. „Ohne Erfahrungswerte, die wir gemeinsam mit Horsch erarbeitet haben, funktioniert das autonome Abfahren der Spuren nicht.“
Es werden Startpunkt und Einfahrrichtung in die Fläche festgelegt, ob das Vorgewende ein- oder zweimal umrundet werden soll und ob Spur an Spur bearbeitet oder ob Spuren übersprungen werden sollen.
Sind diese Schritte vorgeplant, kann die Planung in der Maschine geladen und ausgeführt werden. Für die Logistikplanung kann über den Tankfüllstand oder die Applikationsmenge der nächste Befülltermin sehr genau vorhergesagt werden, da die Fahrtstrecke bekannt ist — ein Vorteil auch beim autonomen Einsatz, bei dem sich die Kontrollperson des Roboters um die Logistik kümmert. Die Übergabepunkte lassen sich im Vorfeld anlegen.
Eine wichtige Funktion für den autonomen Einsatz ist die Verwendung der Flächengrenze als Geofence, beim Überfahren schaltet der RO I automatisch ab. Wird das Tool bei einer Maschine mit Fahrer verwendet, lässt sich der Geofence deaktivieren.
Bisher wirken noch keine Maschinenparameter auf den Einsatz ein, die Maschinenüberwachung ist losgelöst von der Spurplanung. Fehlermeldungen (z. B. Blockaden) werden aber in das Trimble-Portal übertragen. Der Bediener kann dann entscheiden, ob er die Maschine anhält und sich direkt um den Fehler kümmert oder sie bis zum Vorgewende weiterarbeiten lässt.
Ausblick
Für einen noch reibungsloseren Einsatz sollen in der kommenden Saison weitere Optionen hinzukommen: So kann etwa ein individuelles Anpassen der Kurvenradien und -geschwindigkeiten den Einsatz in Hanglagen optimieren.