Wichtige Grundlagen zu Reifen und Bodendruck erklärt Roger Stirnimann von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in der Schweiz.
Für Traktoren hat sich der Radialreifen gegenüber Reifen mit diagonaler Bauweise der Karkasse durchgesetzt. Zudem konnte im Lauf der Jahre das Luftvolumen der Reifen bei gleichem Durchmesser weiter gesteigert werden (Grafik: „Das Volumen wächst“).
Reifen in der Landwirtschaft: Viel Luft, viel Traglast
Vorteil: Je größer die Luftmenge in einem Reifen, umso mehr Radlast kann er tragen. Oder umgekehrt: Je größer das Volumen, je weniger Innendruck ist erforderlich, um die gleiche Radlast zu tragen. Zusammen mit den neuen Karkassen mit IF-Technologie (High Flexion) oder VF-Technologie (Very High Flexion) wurde so ein Tragfähigkeitszuwachs bzw. eine Luftdruckabsenkung von bis zu 40 % möglich.
Nicht lösen kann die Reifentechnik allerdings „das Dilemma zwischen Feld und Straße“ (Grafik). Während ein hoher Reifendruck auf dem Acker für tiefe Fahrspuren sorgt (was viel Energie kostet), ist der Rollwiderstand auf der Straße gering. Umgekehrt ist es bei niedrigem Reifendruck: Der Rollwiderstand und Verschleiß auf der Straße erhöhen sich, während der Reifen auf dem Acker „länger“ aufsteht und weniger tiefe Spuren verursacht.
Am einfachsten lösen kann man dieses Problem mit einer Reifendruckregelanlage (profi 3/2022). Auf Knopfdruck lässt sich damit der Druck an die Bedingungen anpassen. Alternativ gibt es auch günstigere Möglichkeiten, zum Beispiel mit dem Airbooster-System (profi 8/2022).
Tiefenwirkung oft unterschätzt
Trotz aller Weiterentwicklung bei den Reifen und den Reifendruckregelanlagen kann man die Grundlagen der Terramechanik nicht außer Kraft setzen (Grafik: „Radlast, Aufstandsfläche und Bodendruck“). Wie diese Unterschiede zustande kommen, verdeutlichen die beiden Kugelmodelle (Grafik: „Die Tiefenwirkung des Drucks“).
Obwohl die Aufstandsfläche rechts doppelt so groß ist wie links, hat die doppelte Radlast eine erheblich größere Tiefenwirkung (Erklärung in der Grafik unten). Optimal ist ein breiter Reifen mit niedriger Radlast (Mitte).
(Bildquelle: Tovornik)
Das Kugelmodell veranschaulicht stark vereinfacht den Grund für die größere Tiefenwirkung bei gleichem Kontaktflächendruck (kg/cm2): Jedes Bodenteilchen gibt die Last je zur Hälfte an die beiden darunter liegenden Teilchen ab. Je mehr Bodenteilchen oben belastet werden, umso weiter nach unten kann sich der Druck fortsetzen.
(Bildquelle: Tovornik)
Dabei wird schnell klar, dass eine dreimal so große Radlast nicht einfach durch eine dreifache Aufstandsfläche ausgeglichen werden kann. Dabei hängt die Bodenfestigkeit — also seine Widerstandsfähigkeit gegen den Druck — im Wesentlichen von drei Faktoren ab:
Bodenfeuchtigkeit: Je feuchter der Boden, desto einfacher lassen sich die Partikel gegeneinander verschieben. Die Gefahr von Unterbodenverdichtungen steigt.
Bodenart: Schwere, tonige Böden sind stärker gefährdet verdichtet zu werden als leichte sandige Böden.
Bodenstruktur: Eine gut ausgebildete Bodenstruktur mit lebendverbauten, wasserbeständigen Bodenkrümeln schützt vor Bodenverdichtungen.
Fazit
Reifen können heute wegen moderner Karkassen und des großen Luftvolumens mit deutlich niedrigeren Drücken gefahren werden. Um dieses Potenzial voll nutzen zu können, empfiehlt sich eine Reifendruckregelanlage oder zumindest Ventile zur schnellen Ent- und Belüftung.
Gleichzeitig sollte man die Möglichkeiten der modernen Reifentechnik aber nicht überschätzen, da die Grundsätze der Terramechanik nach wie vor nicht außer Kraft gesetzt werden können. So kann eine dreimal so große Radlast nicht einfach mit einer dreimal so großen Reifenaufstandsfläche ausgeglichen werden. Insbesondere wenn die Bodenfestigkeit nicht groß genug ist, entstehen Verdichtungen im Unterboden, die nur sehr schwer wieder zu beheben sind.