Fahrer: Wir streiten uns gerade darüber, wer zur Maisernte die kugelsicheren Westen bezahlt, der Chef oder die Jäger. Schlappe 500 Euro kostet solch ein Fummel, und ohne steige ich dieses Jahr nicht auf den Häcksler.
Maring: Ist es so dramatisch?
Fahrer: Ja, ich habe in der Getreideernte noch nie solche heftigen Schäden durch Wildschweine gesehen wie in diesem Sommer. Ich möchte nicht wissen, was jetzt im Mais los ist.
Bauer: Bei mir haben die Schwarzkittel einen halben Hektar Weizen auf links gedreht. Ich hätte es erst beim Dreschen gemerkt, wenn die Agrarförderung mich nicht vorher gewarnt hätte.
Lohner: Dann haben die Vorortkontrollen auch einen praktischen Sinn.
Bauer: Nix Vorortkontrolle, so etwas geht heutzutage digital mit Satellitenbildern.
Fahrer: Ich habe von der E-Mail-Aktion der Bewilligungsstellen gehört. Einige Bauern waren richtig sauer.
Bauer: Zu Recht. An einem Freitagnachmittag kam eine E-Mail mit folgendem Inhalt: „Guten Tag, zu Ihrer Registriernummer liegen für folgende Flächen neue Fotobelegaufträge vor.“
Fahrer: Was für Aufträge?
Bauer: Das fragte ich mich auch. Denn es waren 14 meiner Schläge aufgelistet, mit dem Hinweis: „Bitte reichen Sie die aufgeführten Fotobelegaufträge über die Fani-App ein.“ Für den ersten Schlag blieb genau eine Woche!
Lohner: Nicht öffnen und sofort löschen, das hat mir mein EDV-Spezi für zweifelhafte E-Mails mit der Androhung körperlicher Gewalt eingetrichtert.
Bauer: Eine Spam war auch mein erster Gedanke. Aber wie kommen Spitzbuben an meine Schlagnummern? Die Mail konnte tatsächlich nur von der Bewilligungsstelle kommen.
Maring: Selbst wir beim Maschinenring bekamen Anrufe zu dieser E-Mail. Daraufhin habe ich mich in der Sache schlaugemacht.
Bauer: Weil ich neugierig war, habe ich die Mail montags noch einmal geöffnet und die App namens Fani auf meinem Smartphone installiert.
Fahrer: Was macht oder kann diese App?
Bauer: Sie hat eine Verbindung zum Server der Agrarförderung und greift auf deine Schlagdaten aus dem Prämienantrag zurück. Dieser Verein hat eine Software, die automatisch Satellitenbilder auswertet und mit der angegebenen Nutzung abgleicht.
Maring: Wenn dieses Programm nicht überall Weizen im Feld erkennt, weil die Schweine zugeschlagen haben oder Teile abgesoffen sind, fordert das System dich auf, die Nutzung mit Fotos nachzuweisen.
Bauer: Weil wir Landwirte ja alle kriminell sind, könnten wir die Kartoffeln oder den Mais des Nachbarn fotografieren und davon ein Bild hochladen. Aber Vorsicht: Beim Fotografieren werden zusätzlich die Satellitenkoordinaten und die Himmelsrichtung der Aufnahme mitgespeichert. Ist die Ortung deaktiviert oder bist Du nicht nahe genug am richtigen Feld, verweigert die App die Aufnahme.
Lohner: Und das alles soll automatisiert ausgewertet werden?
Maring: Man weiß es nicht. Auf der Internetseite der Agrarförderung ist zu lesen, dass die hochgeladenen Fotos durch das Fernerkundungsunternehmen, die Bewilligungsstelle oder den Prüfdienst bewertet werden.
Bauer: Hätten die Behörden uns vor der Einführung des Systems miteinbezogen oder zumindest vorher informiert, wären wir vorbereitet gewesen. Aber ohne Vorwarnung eine E-Mail mit völlig irritierendem Inhalt rausschicken, das ist ein Unding.
Maring: Immerhin hat sich der Direktor der Landwirtschaftskammer bei den Bauern entschuldigt.
Bauer: Die zweite Mail war genauso peinlich wie die erste. Immerhin enthielt sie den Hinweis, dass die Nutzung der App freiwillig ist. Aber wie unsere Kollegen ohne E-Mail und ohne Smartphone klarkommen sollen, stand nicht drin.
Lohner: Habe ich richtig verstanden, dass Du 14 Felder fotografieren und die Bilder hochladen solltest?
Bauer: Genau das. Aber der Wickroggen und die Gerste waren schon weg, da gab es nichts mehr zu fotografieren. Und wer mir den Zeitaufwand bezahlt, war ebenfalls offen.
Fahrer: Dann vergiss es.
Bauer: Das käme einer Einladung zu einer Vorortkontrolle gleich, und die kostet dann noch mehr Zeit als die Früchte und Felder zu fotografieren. Also habe ich tatsächlich alle Schläge abgeklappert und Nahaufnahmen und Gesamtaufnahmen gemacht und hochgeladen. Seitdem ist Ruhe.
Maring: Was digital so alles möglich ist, mag die Technikfans begeistern. Aber wenn unser Berufsstand jetzt nicht geschlossen gegen solche Auswüchse vorgeht, kommen wir alle unter die Räder der Digitalisierung.