Bauer: Mich nervt gehörig, dass ich nach und nach meine Souveränität als Betriebsleiter abgebe. Denn heute schaue ich vor jeder Maßnahme im Stall und auf dem Feld zuerst ins Internet, ob ich dieses oder jenes überhaupt noch darf. Oder ich rufe gleich den Berater an.
Lohner: Uns geht es kaum anders, und manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich einem Kunden gegenüber den Oberlehrer spiele, gerade wenn es um Düngen und Spritzen geht.
Bauer: Wenn ich nicht im vorigen Jahr einen Teil meines Düngers vorgekauft hätte, könnte ich jetzt dichtmachen.
Lohner: Ich habe heute früh gerade die aktuellen Preise bekommen. Kalkammonsalpeter und schwefelsaures Ammoniak weit über 60 Euro den Doppelzentner plus Mehrwertsteuer! Den Vogel schießt Diammonphosphat mit über 80 Euro ab. Ich weiß noch nicht, wie ich das einigen Maisprofis erklären soll.
Bauer: Und Harnstoff ist gar nicht mehr zu bekommen.
Maring: Das Zeug ist auch als AdBlue extrem knapp.
Bauer: Als wir voriges Jahr einen neuen Düngerstreuer brauchten, war mein Vater strikt dagegen, fast den doppelten Preis für eine Wiegeeinrichtung und die ISO-Bus-Ausrüstung mit SectionControl zu bezahlen. Heute erzählt er am Stammtisch stolz, dass er mit Hilfe von Satelliten düngt.
Fahrer: Wir können uns mit unserem ISO-Bus-Streuer kaum noch vor Aufträgen retten. Der Chef hat im Winter die App für das Teilflächendüngen freischalten lassen.
Lohner: Ich wäre fast vom Stuhl gefallen, als die Werkstatt mir den Preis nannte. Fast 1 500 Euro habe ich dafür bezahlt, damit meine Landwirte ihren teuren Dünger besser verteilen können. Das ist glatte Erpressung.
Maring: Die Softwareentwickler wollen auch leben.
Bauer: Ich habe die Freischaltung der VR-App für das Teilflächendüngen beim Kauf des Düngerstreuers eingehandelt.
Maring: Wer bastelt euch die Streukarten?
Lohner: Manchmal meine Frau. Aber am besten können die Landwirte die Karten selbst herstellen und uns die Streudatei mailen. Die Teilflächenportale sind mittlerweile so einfach zu bedienen, dass das meist gut klappt. Die Düngerpreise wirken Wunder.
Maring: Wenn ich so zuhöre, verstehe ich den eingangs geäußerten Frust nicht. Die Landmaschinenindustrie und die Softwarefirmen bieten euch tolle Möglichkeiten, den teuren Dünger optimal einzusetzen. Und die hohen Preise treiben immer mehr Landwirte zu den Lohnunternehmern.
Fahrer: Das bedeutet aber auch, dass ohne Computer und Internet keine praktische Landwirtschaft mehr möglich ist.
Bauer: Bastle für solch einen Betrieb wie meinen mal von Hand eine Düngebedarfsplanung und setze dies ohne Wiegeeinrichtung am Streuer um. Du wirst scheitern.
Maring: Die meisten Landwirte haben doch noch gar keine elektronische Waage am Streuer.
Fahrer: Aber es werden mehr. Oder sie kommen zu uns.
Bauer: Mich soll nicht wundern, wenn die Wiegeeinrichtung eines Tages so wie eine Grenzstreueinrichtung vorgeschrieben wird.
Lohner: Und wir bezahlen das alles, am besten noch mit einem gebührenpflichtigen Sachkundenachweis für Wiegeeinrichtungen.
Bauer: Wenn ihr wissen möchtet, wie Verwirrung wirklich geht, dann solltet ihr euch einmal meine Düngebedarfsplanung anschauen.
Maring: Die machst du doch am Computer, wo ist das Problem?
Bauer: Ich habe Flächen in zwei Bundesländern, in grünen und roten Gebieten sowie teilweise im Wasserschutzgebiet. Hinzu kommen Felder mit Drainagen, auf denen Nmin-Proben nur auf 60 cm gezogen werden dürfen. Nicht zu vergessen sind teils sehr unterschiedliche Gehalte beim Phosphor.
Maring: Du hattest doch genug Zeit, um dich schlauzumachen. Die neue Düngeverordnung ist doch schon seit dem vorigen Jahr gültig, und im Winter gab es dazu mehrere Vortragsveranstaltungen.
Bauer: Aber es kann doch nicht sein, dass ich wochenlang am Schreibtisch sitze, telefoniere und recherchiere, nur um meine Düngung zu planen. Wenn es gut läuft, brauche ich für die erste Gabe selbst nur anderthalb Tage.
Lohner: Ich gebe dir recht. Der bürokratische Aufwand steht in keinem Verhältnis mehr zur praktischen Umsetzung.
Bauer: Und wenn ich mich irgendwo verrechnet habe, kann ich einpacken.