Sie sind selten — die größten je gebauten Deutz-Fahr-Traktoren der Agrostar-Baureihe — und waren das Ergebnis eines USA-Abenteuers des deutschen Traditionsherstellers. Wir nehmen die exotischen Dinosaurier unter die Lupe.
Ganz aus der Ferne betrachtet könnte der Agrostar 8.31 fast als ein großer Deutz-Fahr AgroXtra durchgehen: Die lange Nase fällt schräg nach vorne ab. Die Freisicht-Optik ist typisch für die AgroXtra-Traktoren dieser Zeit, die im KHD-Werk in Köln vom Band liefen. Die Topmodelle der Agrostar-Baureihe (6.71 und 6.81) kamen seinerzeit aus Italien — bei 139 kW/190 PS war allerdings Schluss. Und das kurz nach der Wende. Großbetriebe waren händeringend auf Schleppersuche — und die amerikanische Konkurrenz in Rot und Grün-Gelb konnte deutlich mehr anbieten.
Lösung aus den USA
Bei Deutz-Fahr wurde fieberhaft an einer Lösung gearbeitet, und man besann sich auf das Deutz-Allis-Nachfolgeunternehmen Agco (profi 12/2020). Bei Agco gab es bereits mit der 9600er-Serie eine Großtraktoren-Baureihe bis zu 170 kW/230 PS, die in Indipendence, Missouri produziert wurden und auf einer Deutz-Allis-Entwicklung basierten. Deutz-Fahr warb für den Agrostar 8.31 später explizit damit, dass der Schlepper bereits auf dem amerikanischen Großflächenmarkt erprobt war.
Jürgen Martens, damals als Produktmanager bei Deutz-Fahr am Agrostar 8.31-Projekt beteiligt, berichtet aus der Zeit: „Wir hatten enormen Zeitdruck: Die erste Probefahrt mit einem Schlepper war 1992, kurz darauf fiel die Entscheidung für den Agrostar mit amerikanischen Wurzeln.“ Die ersten 25 Traktoren erreichten bereits im Juli 1993 in Bremerhaven mit einer RoRo-Fähre deutschen Boden. „Anschließend mussten die 8,31er erst „germanisiert“ werden.“ Zwar baute man die Maschinen in den USA bereits nach deutschen Vorgaben auf, Dinge wie Druckluftbremse oder Frontkraftheber wurden aber beim Deutz-Händler MAG in Mittenwalde nachgerüstet. „Darüber hinaus wurden die Traktoren dem TÜV einzeln vorgeführt, da es keine allgemeine Bauartgenehmigung für die Schlepper gab.“
Wo Deutz drauf steht, sollte aber auch Deutz drin sein! Deutz setzte dabei auf einen alten Bekannten: Der luftgekühlte Deutz BF6L 513 R Sechszylinder-Diesel mit satten 9,6 l Hubraum verrichtet bereits im DX 8.30 seinen Dienst — dem Topmodell von Deutz-Fahr in den 1980er Jahren. Bei 2 300 U/min Nenndrehzahl leistete das Aggregat dank Turbolader bis zu 169 kW/230 PS.
Der größte luftgekühlte: Der Deutz BF6L 513 FR stemmt rund 179 kW/230 PS auf die Welle.
(Bildquelle: Colsman)
(Bildquelle: Colsman)
Funk funktioniert
Aus Nordamerika stammt das Getriebe: Für die Deutz-Allis-Traktoren lieferte Funk die voll lastschaltbare Box mit 18 Vorwärts- und neun Rückwärts-Stufen. Damit konnte ein Geschwindigkeitsbereich von 2,7 bis 40 km/h abgedeckt werden — mit sieben Stufen im Hauptarbeitsbereich von 4 bis 12 km/h.
Alle Stufen wurden ohne Treten des Kupplungspedals durch Vor- bzw. Zurückbewegen des Schalthebels durchgeschaltet, der am Schleppersitz montiert war und mit dem Fahrer mitschwang. Als Anfahr-Gang war die sechste Stufe hinterlegt. Modernes Detail: Die Schaltgeschwindigkeit wurde lastabhängig elektronisch gesteuert.
Ein echtes Plus war das ebenfalls lastschaltbare Wendegetriebe. Damit bot die Funk-Schaltbox beste Voraussetzungen auch für den deutschen Markt. Sparsamer war dagegen die Zapfwellenausstattung: Mit 1000 U/min stand nur eine Drehzahl zur Verfügung, die aber immerhin per Knopfdruck geschaltet werden konnte. Ebenfalls nicht so recht deutschen Standard erfüllen konnte die Hydraulik: Statt einer echten EHR gab es nur eine mechanische Unterlenkerregelung.
Drei Steuergeräte konnten die externen Verbraucher aus dem gemeinsamen Getriebe-/Hydraulikölhaushalt versorgen.
Das Dreipunktgestänge wurde mit Walterscheid-Schnellkupplern der Kategorie III ausgestattet.
Während die Allis-Traktoren der Baureihe 9600 in den USA und Kanada auch als Hinterrad-Ausführung erhältlich waren, gab es den deutschen 8.31 ausschließlich mit Allrad. Deutz kaufte die bewährte Achse vom Typ 5052 bei ZF zu und sicherte sich damit einen Zentralantrieb und die automatische Differenzialsperre Optibloc.
Die Kabine stammt ebenfalls von den bei Deutz-Allis entwickelten Schleppern der Serie 9100. Auffälligstes Merkmal: die etwas außermittig geteilte Frontscheibe mit den nach hinten versetzen A-Holmen.
Die Einstiegstür öffnet dabei die komplette vordere linke Kabinenecke — eine komfortable Lösung für den Einstieg. Serienmäßig gab es einen Luftsitz, eine Klimaanlage und ein schwenk- und teleskopierbares Lenkrad — was auch bei der Konkurrenz zum Standard gehörte.
In der Kabine ist alles schnell gefunden und komfortabel zu bedienen — trotzdem erreichte die Kabine des Agrostar 8.31 nicht den Standard der seinerzeit sehr fortschrittlichen Kabinen der kleineren Agrostar-Modelle.
Nur knapp 50 der großen 8er-Agrostar-Traktoren wurden gebaut. Damit sind die Deutz-Dinosaurier selten zu entdecken.
Fast ungetrübter Blick — durch die weit nach hinten versetzten A-Säulen ist die Übersicht nach vorne gut.
(Bildquelle: Colsman)
Komfortable Getriebebedienung am Sitz: Der Hebel schaltet zwischen vorwärts und rückwärts und durch antippen die Stufen, der rote Knopf muss als Sicherung gedrückt werden.
(Bildquelle: Colsman)
Luft als Fuhrparkphilosophie
Auf dem Hof von Christoph Eithoff und seinem Bruder Bernd setzte bereits der Vater auf eine reinrassige Flotte von luftgekühlten Deutz-Traktoren. „Der Agrostar 8.31 ist der größte luftgekühlte Deutz, den es je gab“, erklärt der 38-Jährige. „Der musste einfach zur Abrundung unseres Fuhrparks auf den Hof.“
Der 8.31 der Eithoffs hatte bisher kein leichtes Leben: Bei einem Straßenbau-Unternehmen lief der Agrostar vor Kalkstreuer und -fräse. Das hat Spuren hinterlassen: Während die Technik annähernd in Ordnung ist, hat der aggressive Kalk an der Außenhaut des Schleppers genagt. „In den kommenden Jahren wollen wir daran immer ein wenig arbeiten“, gibt Christoph Eithoff einen Ausblick.
Der große Deutz-Fahr ist nur noch wenige Stunden im Jahr für die schwere Bodenbearbeitung im Einsatz und darf ansonsten seinen Vorruhestand genießen. Zu unserem Termin stand noch ein zweiter Agrostar 8.31 auf dem Hof, den zwei Freunde vor allem zum Traktor-Pulling einsetzen. Ein besonderer Zufall, dass gleich zwei
der seltenen Deutz-Fahr-Amerikaner nur wenige Kilometer entfernt voneinander ihre Rente genießen können.
Der Agrostar 8.31 bot einen bewährten Motor, ein voll-lastschaltbares Getriebe und eine komfortable Kabine — trotzdem schreckte der amerikanische Ursprung wohl die Kunden ab. Weniger als 50 der großen „Schräghauber“ wurden verkauft.
Dazu Jürgen Martens: „Der Agrostar 8.31 konnte mit seinem stabilen Heck und dem großvolumigen Motor richtig viel bewegen — leider kam er etwas zu spät. Auf den großen Betrieben der neuen Bundesländer war der Großtraktoren-Kuchen bereits verteilt.“ Daran konnte auch die mutige Werbung von Deutz-Fahr nichts mehr ändern: „Er ist nicht der Erste, weil er der Beste sein sollte.“, titelte der Originalprospekt.
Schließlich trat der komplett neu entwickelte Agrotron 260 in die Fußstapfen des Agrostar 8.31 — allerdings mit wassergekühltem Motor.
Der Deutz-Fahr-Agrostar hat seinen Ursprung in der Deutz-Allis-Serie 9100. Mit dem Ende von Deutz-Allis und der Entstehung von Agco wurden die Traktoren unter den Eigenmarken Agco-Allis, Massey-Ferguson und White weiterentwickelt. Zudem gab es ein Kooperationsprojekt mit Same-Lamborghini-Hürlimann (SLH):
– Massey Ferguson 9240 (Cummins-Motor)
– White 6195 (Cummins)
– Agco-Allis 9600 bzw. 9605 (Deutz, Detroit bzw. International Navistar Motoren)