profi damals: Fahrbericht Deutz-Fahr Agrostar 8.31: Agrostar aus USA mit 230 PS
Die beiden großen Agrostar 6.71/6.81 mit 160 bzw. 180 PS und neunstufiger SLH-Lastschaltung sind gerade erst in wenigen Einheiten ausgeliefert, da landet Deutz-Fahr den nächsten Coup: ein Agrostar 8.31 mit 230 PS und volllastschaltbarem Getriebe, der aus den USA importiert wird. Was von dem neuen Flaggschiff der Deutz-Flotte zu halten ist, beschreibt der profi-Fahrbericht.
Der 8.31 sorgte als größter Deutz-Fahr Agrostar nur kurz für Aufsehen. Bereits 1995 wurde der Import von Agco aus den USA wieder eingestellt.
Wenn man zum ersten Mal hört, dass Deutz-Fahr einen 230-PS-Schlepper mit elektronisch voll lastschaltbarem Getriebe aus den USA importiert, ist man misstrauisch: der Traktor stammt aus der Serienproduktion von Agco und wird im US-Bundesstaat Missouri gebaut. Er wird dort zwar auf deutsche Verhältnisse umgerüstet, schön und gut, aber: ein US-Schlepper im Programm von Deutz-Fahr?
Die Überraschung beim ersten Anblick des Agrostar 8.31 ist dann um so größer, und sie ist positiv: der neue Deutz-Fahr ist tatsächlich ein Deutz-Schlepper. Er hat zwar eine andere Kabine, ein überaus groß dimensioniertes Hubwerk und ein paar kleine ungewohnte Besonderheiten. Aber insgesamt steht ein "typischer" Deutz-Schlepper im "europäischen Look" vor dem staunenden Betrachter.
Der Einstieg in den 8,5 t schweren und gut 3 m hohen Traktor (mit 2,48 m Breite) ist angenehm kurz und bequem. Die gerahmte Glastür bildet gleichzeitig die Kabinenecke; das ist ungewöhnlich, aber durchaus eine angenehme Lösung für einen breiten Einstieg. Wenn man auf dem luftgefederten Grammer-Sitz Platz genommen und sich in der geräumigen Kabine kurz orientiert hat, kommen die ersten Fragen nach den technischen Daten auf. Und auch hier wieder findet sich viel gut Bekanntes:
Unter der Haube dieselt serienmäßig ein Deutz-Motor BF6L 513R, ein luftgekühlter Sechszylinder-Turbomotor mit knapp 10 l Hubraum. Der Motor leistet 169 kW/230 PS bei 2300 Umdrehungen und hat einen normalen Drehmomentanstieg von 25 % bei 28 % Drehzahlabfall. Besonderheiten sind der keilriemenlose Zahnradantrieb für das geregelte Kühlluft-Gebläse (und den Druckluftkompressor) sowie die zusätzliche Staubabscheidung von dem eigentlichen Luftfilter: die Auspuffgase saugen einen Großteil des Staubes aus der Verbrennungsluft ab, bevor er in die Filterung gelangen kann.
Der Motor wird über den Zündschlüssel gestartet (und abgeschaltet). Wenn der Schlepper nun läuft, gilt das Augenmerk des Fahrers dem Getriebe. Auch hier zeigt der 8.31 Interessantes.
Das voll lastschaltbare Getriebe wird elektronisch gesteuert und kommt von Funck, diese nordamerikanische Firma beliefert auch Ford mit dem gleichen Basisgetriebe. Der neue Deutz Agrostar 8.31 hat jedoch eine andere Steuerung und Bedienung des Getriebes aufzuweisen:
Die Schaltkonsole mit dem Ganghebel ist fest am Sitz montiert und befindet sich so stets in der richtigen Griffweite des Fahrers. In Neutralstellung steht der Schalthebel senkrecht, mit einem roten Druckknopf auf dem Hebel wird die Sicherung gelöst, und der Ganghebel lässt sich nach vorn bewegen. Der Schlepper fährt an, das große Display im rechten Kabinenholm zeigt den 6. Vorwärtsgang an.
Drückt man den Schalthebel in der Kulisse weiter nach vorn, schaltet das Getriebe bis zum 18. Gang (40 km/h!) hoch, zieht man ihn zurück, schaltet der Schlepper bis zum 1. Gang (2,7 km/h) herunter. Um rückwärts zu fahren, wird der Schalthebel aus der vorderen Position wieder in die mittlere Neutralstellung gezogen und (bei gedrücktem roten Knopf) in die hintere Position bewegt, dann fährt der 8.31 im 3. Rückwärtsgang. Auch hier wieder lässt sich der Schalthebel zum Hochschalten bis in den 6. Rückwärtsgang (11,7 km/h) nach hinten ziehen und zum Herunterschalten in den 1. Rückwärtsgang (3,1 km/h) nach vorn bewegen.
Die Schaltung des Agrostar 8.31 hat man schneller begriffen als erklärt, sie ist sehr einfach aufgebaut und gut zu betätigen. Hält man den Ganghebel beim Herauf- oder Herunterschalten in der jeweiligen Position fest, schaltet das Getriebe zunächst eine Stufe und nach kurzer Pause auch die folgenden Stufen automatisch. Nach dem Anlassen beginnt das Getriebe stets im 6. Vorwärts- und 3. Rückwärtsgang, während der Arbeit merkt sich die Elektronik aber den eingelegten Gang und wählt diesen bei einem Fahrtrichtungswechsel wieder. Bei getretener Kupplung lässt sich ein gewünschter Anfahr-Gang auch bis Stufe 11 vorwählen.
Die Elektronik moduliert die Schaltvorgänge lastabhängig. Auf dem Acker unter Last wird zügig und mit leerem Schlepper sanft und komfortabel geschaltet. Wenn bei Transportfahrten oberhalb von 12 km/h die Kupplung getreten wird, sucht sich das Getriebe nach dem Wiedereinkuppeln automatisch einen passenden Gang und schaltet dann in die vorherige Stufe hoch.
Dass wir die Fußkupplung bislang noch nicht erwähnt haben, hat seinen Grund: man braucht sie kaum. Selbst unter Last von Vorwärts auf Rückwärts und umgekehrt soll das Getriebe ohne Kupplung geschaltet werden. Zum langsamen Rangieren und als Notstopp ist das Pedal ganz nützlich, ansonsten aber lässt sich der Agrostar 8.31 gut über das voll lastschaltbare Getriebe und den gut erreichbaren Ganghebel fahren.
Im Heck des Schleppers findet sich übrigens ein sehr stark dimensioniertes Hubwerk, das Deutz-Fahr für den 8.31 aus dem 320 PS starken White-Knicklenker entnahm. Eine EHR hat der Traktor nicht, damit leider auch kein Radar für die Geschwindigkeit und den Schlupf. Das mechanische Hubwerk mit Kategorie III, Walterscheid-Schnellkupplern und Zugkraft-, Lage- und Mischregelung soll maximal 10,5 t heben. Das geschlossene Hydrauliksystem wird von einer Axialkolbenpumpe angetrieben, die konstant 190 bar Druck liefert und bis zu 87 l/min Öl fördert.
Drei doppeltwirkende Zusatzsteuergeräte sind serienmäßig. Die elektrohydraulisch geschaltete Zapfwelle im Heck hat die 1000er Normdrehzahl und ist mit einem dicken 1-3/4-Zoll-Stummel und 20teiligem Profil ausgestattet. Die Differentialsperre in der Agco-Hinterachse wird elektrohydraulisch geschaltet, in der ZF-Vorderachse befindet sich ein automatisches Selbstsperr-Differential.
Das Arbeiten mit dem neuen 8.31 macht Spaß. Der Schlepper ist subjektiv recht leise, die serienmäßige Klimaanlage sorgt für die richtige Temperatur, die Sicht ist gut. Das Lenkrad lässt sich einfach auf den Fahrer einstellen, der Schlepper lässt sich willig und komfortabel schalten. Die Lenkung ist gut, der 8.31 macht subjektiv einen wendigen Eindruck.
Vor der 6-m-Scheibenegge, die wir für unseren Fahrbericht auf nassem Boden einsetzten, wurde der 8.31 nicht bange. Der Motor reagierte elastisch auf Lastwechsel und ließ sich nicht abwürgen. Bei flacher Eggeneinstellung und hoher Arbeitsgeschwindigkeit machte sich beim Hochschalten in den 12. Gang allerdings der Wechsel in die Transportgruppe bemerkbar: hier schalten alle drei Getriebekupplungen gleichzeitig, das kostet etwas mehr Kraft. Für normale Arbeiten stehen mit 7 Stufen zwischen 4 und 12 km/h ausreichend Geschwindigkeiten im Hauptarbeitsbereich zur Verfügung.
profi Daten-Kompass
Deutz-Fahr Agrostar 8.31
Motor: Deutz BF6L 513R, luftgekühlter Sechszylinder-Turbomotor mit 9 572 cm3 Hubraum, Nennleistung 169 kW/230 PS bei 2300 min-1. Geregeltes Kühlgebläse. Drehmomentanstieg 25 % bei 28 % Drehzahlabfall. 367 l Tankinhalt.
Getriebe: 18/9 Gänge; voll lastschaltbar, elektronisch gesteuert; Endgeschwindigkeit 40 km/h, 7 Gänge im Hauptarbeitsbereich zwischen 4 und 12 km/h, Schaltkonsole am Fahrersitz fest montiert. 1000er Zapfwelle mit 1 3/4 Zoll und 20teiligem Evolventenprofil. Nasse Kupplung.
Hubwerk und Hydraulik: Mechanische Hubwerksregelung Kategorie III mit 10 300 daN Hubkraft, Walterscheid-Schnellkuppler, Zugkraft-, Lage- und Mischregelung. Geschlossenes Hydrauliksystem mit Axialkolbenpumpe und Konstant-Druck, Förderleistung 87 l/min, Betriebsdruck 180 bar, serienmäßig 3 dw-Steuergeräte.
Fahrwerk: Hinterachse mit elektrohydraulisch schaltbarer Lamellen-Differentialsperre, ZF-Vorderachse 5052 mit 50o Lenkeinschlag, elektrohydraulisch geschaltetem Frontantrieb und Selbstsperrdifferential. Bereifung vorn 16.9 R 30, hinten 20.8 R 42. Nasse Bremsen in der Hinterachse, Vierradbremse über Allrad-Zuschaltung.
Maße und Gewichte: Länge 5,08 m, Radstand 2,97 m, Breite 2,48 m, Höhe 3,07 m. Leergewicht 8510 kg, zulässiges Gesamtgewicht 12 000 kg, Nutzlast 3 490 kg.
Preis: In Grundausstattung incl. Klimaanlage brutto ohne Mehrwertsteuer 171 700 DM.
Uns fiel beim Arbeiten mit dem Agrostar 8.31 wenig "Amerikanisches" auf: die mechanische Handbremse wird ohne Raste wie beim Mähdrescher über einen Totpunkt gehoben, die Schalter für Blinker und Hupe sehen für die Augen des deutschen Praktikers recht simpel aus, ansonsten aber ist man mit der Handhabung des Schleppers schnell gut vertraut.
Zwei Punkte fielen uns bei der Arbeit mit dem 230 PS-starken Schlepper allerdings auf, die vielleicht noch zu verbessern sind: die Bremsen sind druckluftbetätigt und kräftig, allerdings reagieren die Pedale etwas ungewöhnlich. Zunächst baut sich ein starker Gegendruck auf, der das Pedal zurückfedern lässt, erst danach kann man gut dosiert bremsen. Und das Funck-Getriebe sprang nach dem Anlassen des Traktors häufiger mal auf Selbst-Diagnose und ließ sich nicht betätigen. Mit einem Tritt auf die Fußkupplung ließ sich dies aber wieder beseitigen.
Fazit: Die Kombination von dem Deutz-Motor mit dem elektronisch gesteuerten und voll lastschaltbaren Getriebe und der guten Serienausstattung im Agrostar 8.31 macht Sinn. Mit dem Schlepper lässt sich gut arbeiten, die theoretischen Leistungswerte sind gut.
Dass der 8.31 aus den USA importiert wird, ist dabei eher ein Pluspunkt und kein Nachteil: dort baut Agco in dieser Baureihe insgesamt etwa 1 000 Einheiten pro Jahr (4 Typen, in Rot mit Deutz-Motor für Agco-Allis, in Silber mit Cummins-Motor für White). Damit stammt der 8.31 als größter Typ dieser Familie aus einer größeren Serienproduktion, die deutlich über die Anzahl der jährlich in dieser Leistungsklasse in Deutschland zugelassenen Einheiten hinausreicht. Und das verspricht eine größere Praxisreife.
Wenn Deutz-Fahr zumindest in den großen Ackerbaugebieten des Westens und im Osten einen guten Kundendienst und eine sichere Ersatzteilversorgung für diesen Großschlepper aufbaut, wird der Agrostar 8.31 mit 230 PS eine interessante Alternative zum bisherigen Angebot. Lieferbar soll der Schlepper ab August sein.