Die Xylon-Traktoren von Fendt hatten ihre Fans. Durchgesetzt haben sie sich nicht. Gebaut wurden sie von 1991 bis 2004.
Technisch ist der Xylon in der Tat „nur" ein Freisicht-Traktor mit einer (neu entwickelten) mittigen Kabine. Anders wäre eine wirtschaftliche Fertigung auch kaum denkbar. Denn die Entwicklung und der Bau von speziellen Trac-Schleppern ist zu teuer, wie die Trac-Erfahrungen von Mercedes-Benz und Deutz-Fahr gezeigt haben.
Optisch ist der Xylon 320, wie er in Frankfurt Ende November zu sehen war, dagegen dennoch fast ein „richtiger" Trac-Schlepper: er hat die Kabine mittig und vier Anbauräume, nur die gleichgroßen Räder fehlen ihm noch. (Technik-Geschäftsführer Detlef Prietz : ,,Die gleichgroßen Räder können wir auch realisieren. Mit ungleichgroßen Rädern - 18.4 R 38 hinten und 16.9 R 34 vorne - ist die Wendigkeit allerdings besser.")
Die entscheidende Frage für die Praxis ist jedoch: Was bringt ein Xylon-Konzept in der Praxis an Vorteilen? Welche Arbeiten kann ich auf meinem Betrieb mit dem Xylon tun, die nicht auch mit einem Standardschlepper oder mit dem GTA zu erledigen wären? - Wir haben deshalb den Xylon 320 in der Praxis mit verschiedenen Geräten gefahren, um seine Vorteile (und Nachteile) festzustellen.
Zunächst zur Technik des Xylon. Hier gibt es vergleichsweise wenig Besonderheiten. Denn der Xylon basiert auf dem Freisicht-Traktor F 395 GHA; Motor und Getriebe, Achsen und Hydraulik sind identisch. Darum hat der Xylon auch keine Turbokupplung. Siegfried Leutner, vormals Entwicklungs-Chef für den Schlüter-Eurotrac und jetzt bei Fendt für die Entwicklung der Geräteträger, Freisicht-Traktoren ( = Geräteträger mit Allradantrieb) und den Xylon zuständig: „Das Baukastensystem und die weitgehende Baugleichheit des Xylon mit dem Freisicht-Traktor machen die Entwicklung der mittigen Kabine erst möglich. Eine 'Sonder-Anfertigung' mit eigenem Antriebsstrang, Turbokupplung und höherer Motorleistung allein für den Xylon wäre wirtschaftlich nicht darstellbar."
Bei einer späteren Serienfertigung wird der Xylon auf dem Montageband deshalb erst dann sichtbar, wenn die Kabine montiert wird: der Freisicht-Traktor hat die Kabine im Heck, der Xylon bekommt einen zusätzlichen Montagerahmen und die Kabine mittig. - Und das soll gleich ein neues Konzept sein?
Es ist in der Tat ein neues Konzept und ein Traktor, der einiges besser und anderes schlechter kann als der Standardschlepper und der Freisicht-Traktor. Denn die mittige Kabine ändert das Fahrverhalten, des Schleppers und gibt ihm neue Einsatzmöglichkeiten:
1. Einsatz für Zugarbeiten. Nach seiner Gewichtsverteilung ist der Xylon besser als der Freisicht-Traktor und genauso gut wie der Standardschlepper: 40 % der knapp 6 t Betriebsgewicht lasten auf der Vorderachse, 60 % auf der Hinterachse, die angetriebene Vorderachse kann deshalb beim Pflügen mitziehen. Im Vergleich zum Freisicht-Traktor (30 % vorne, 70 % hinten) ist der Xylon besser, weil er die Säkombination oder den 4-Schar-Pflug auch ohne Frontgewichte wie ein Standardschlepper ausheben kann.
Wer statisch 60 % des Gewichtes auf der Vorderachse und unter Last eine „ideale" dynamische Gewichtsverteilung von 50/50 sucht, wird allerdings nach wie vor mit dem MB-trac zufriedener sein. Im Vergleich dazu bietet der Xylon bei 120 PS jedoch eine größere Bereifung (18.4 R 38 hinten und 16.9 R 34 vorne).
2. Einsatz für Pflegearbeiten. Weil der Xylon (ähnlich wie der Eurotrac) zwei zusätzliche Aufbauräume hat (einen hinter und einen zweiten kleineren vor der Kabine), ist er hier flexibler und für viele Arbeiten besser geeignet als die meisten anderen Baukonzepte. Vorne und/oder hinten lassen sich Behälter für Saatgut, Düngemittel und Pflanzenschutzarbeiten anbauen. Da Fendt den Xylon mit einem Adapter auch für die MB-trac-Aufbaugeräte versehen will, kann der Xylon bei Pflegearbeiten den MB-trac vollwertig ersetzen. Er ist sogar besser als der MB-trac: die Sicht nach vorn ist bei Arbeiten mit Frontgeräten ungestört, der vordere Aufbauraum anstelle des großen Motors erlaubt sogar zusätzliche Kombinationen.
Das 2000-l-Faß des Freisicht-Traktors, mit dem dieser im Frontanbau eine „ideale" Gewichtsverteilung bringt und als selbstfahrende Spritze arbeiten kann, passt auf den Xylon allerdings nicht. Der Xylon müsste stattdessen mit zwei Fässern (z.B. 2000 l im Heck und 800 l vorn) arbeiten. Dafür hat das neue Konzept im Vergleich zum Freisicht-Traktor bei kombinierten Arbeitsgängen wiederum Vorteile: wer vorne hackt und hinten spritzt, findet beim Xylon eine bessere Gewichtsverteilung und hat den störenden Spritztank nicht im Blickfeld.
3. Einsatz für Transportarbeiten. Hier macht sich der wesentliche Unterschied zum Standardschlepper und GTA positiv bemerkbar: die mittige Kabine befindet sich in der schwingungsärmsten Zone des Schleppers, der Xylon läuft ruhig und komfortabel, die freie Sicht nach vorn und hinten verschafft einen guten Überblick über das Fahrzeug. Dass die Vorderachse pendelt und die starre Hinterachse den Schlepper führt, kann bei Bodenwellen allerdings zu Irritationen führen. Sollte das Konzept deutlich weiter entwickelt werden, müssen die Fendt-Konstrukteure sicherlich über gefederte Achsen nachdenken (und das wird dann teuer).
4. Einsatz für Frontlader- und sonstige Arbeiten. Mit dem Frontlader lässt sich der Xylon hervorragend einsetzen. Der Blickwinkel ist zwar etwas steiler als beim Freisicht-Traktor, dafür sitzt der Fahrer jedoch näher am Geschehen und hat ungestörte Sicht nach vorn. Unser Prototyp hatte noch eine konventionelle Frontladerschwinge mit einem störenden Querholm, hier würde eine Art „Freisichtschwinge" wirklich freie Sicht auf die Schaufel bieten können. Die Wendigkeit des Xylon ist allerdings heute noch keinen Deut besser als beim 395 GHA (siehe profi Schleppertest Heft 4/91).
Die mittige Kabinenposition und freie Sicht erlaubt bei vielen Arbeiten ein zielgenaues Lenken des Fahrzeugs. Störend war hier nur, dass auch der landwirtschaftliche Prototyp des Xylon noch die zwei luftgefederten Sitze aus dem Kommunalbereich hatte: die nach rechts aus der Mitte versetzte Sitzposition des Fahrers ist bei Arbeiten mit Geräten links vom Schlepper nachteilig und bei Rangierarbeiten geradezu hinderlich. Ein einzelner guter Sitz in der Mitte, vielleicht noch mit einem guten Beifahrersitz, würde hier für die Landwirtschaft vollauf genügen.
Nachteilig ist das Xylon-Konzept ebenso bei allen Arbeiten, die eine ständige Kontrolle von Geräten im Schlepperheck erfordern. Wie beim MB-trac und Eurotrac ist die Sicht auf die hinteren Unterlenker naturgemäß schlechter, das Rodeschar des Rübenroders ist vom Standardschlepper oder Freisicht-Traktor aus besser zu sehen.
Motor: Sechszylinder-Motor F6L 913 (KHD) , 6128 cm3 Hubraum, Nennleistung 88 kW/ 120 PS bei 2400 Umdrehungen, 18 % Drehmomentanstieg, 240 l Kraftstofftank.
Getriebe und Zapfwelle: 21 Vorwärts- und 6 Rückwärtsgänge, lastschaltbare Zapfwelle mit Normdrehzahl 540/750/1000 (Heck) bzw. 1000 (Front).
Hubwerk und Hydraulik: Kategorie III/II, Unterlenkerregelung mit Bosch EHR-D und Schwingungstilgung, Hubkraft 5800 kp (Heck) bzw. 3500 kp (Front). Betriebsdruck 180 bar, Tandempumpe mit 43+30 l Fördermenge. Einhebelbedienung für 4 Steuergeräte.
Kabine: Mittelkabine, seitlich hydraulisch kippbar.
Gewicht und Bereifung: Leergewicht 5800 kg, zulässiges Gesamtgewicht 7500 kg (9000 kg). Bereifung vorne 16.9 R 34, hinten 18.4 R 38.
Preis: Als Konzept-Studie ist der Xylon von Fendt derzeit noch nicht lieferbar.
Das bleibt festzuhalten: Technisch ist das Xylon- Konzept von Fendt ein Freisicht-Traktor mit mittiger Kabine. Weiterentwicklungen im Motor, im Getriebe oder anderen Bauteilen des Traktors lassen sich aus wirtschaftlichen Gründen stets nur in beiden Bauformen realisieren.
Die mittige Kabine mit zusätzlichen Anbauräumen bietet jedoch viele systembedingte Besonderheiten:
■ Die Sicht nach hinten und die Arbeit mit Heckgeräten ist beim Xylon schlechter als beim Standardschlepper oder Freisicht-Traktor und genauso wie beim MB-trac und Eurotrac.
■ Die Sicht nach vorn und die Arbeit mit Frontgeräten ist beim Xylon besser als beim Standard- und Frontsichtschlepper, MB-trac und GTA. Der Fahrer befindet sich weiter vorne, das Einhalten des 3,50-m Abstandes zwischen Lenkrad und Vorderkante Frontgerät ist kein Problem.
■ Für kombinierte Arbeitsgänge bietet der Xylon (ähnlich wie der Eurotrac) mehr Möglichkeiten als die meisten anderen Bauformen.
Derzeit scheint der Xylon das einzige Konzept auf dem Markt, das sich dank seiner Nähe zum Freisicht-Traktor zu wirtschaftlichen Kosten darstellen lässt: Nach Angaben von Fendt wäre der Xylon heute etwa 12 000 Mark teurer als der Freisicht-Traktor.
Man darf gespannt sein, wann Fendt den Xylon in sein Produktionsprogramm aufnimmt. Dr. Wilfried Kaiser, Vorsitzender der Fendt-Geschäftsführung, hält einen Serienanlauf nicht vor 1993 für machbar. Wie der Xylon dann aussehen wird, weiß der Chef allerdings auch noch nicht: „Wir müssen die Praktiker nach ihren Wünschen befragen und sehen, was sich technisch zu vertretbaren Kosten realisieren lässt …“