Die vergangenen Trockenjahre haben zum Nachdenken angeregt: Wie kann man vorhandenes Wasser effizienter nutzen? Ein Puzzleteil ist die Direktsaat. Diese fordert aber nicht nur pflanzen- sondern auch maschinenbaulich heraus. Strohmatten, Zwischenfrüchte und harte, trockene Böden sind nur drei Beispiele, die meist mit Schardruck und Maschinengewicht kompensiert werden. Unter feuchten Bedingungen ist das aber oft kontraproduktiv.
Mit Blick auf diese Anforderungen wurde das Boss-System vor über 15 Jahren in Australien entwickelt. Markant hierbei ist ein schrägangestelltes Einscheibenschar mit einer gegenläufig angestellten Druckrolle. Für den europäischen Markt wurde dieses System zunächst durch die Firma Sly in Lizenz gebaut und adaptiert. Beispielsweise sind seitdem werkzeuglose Verstellmöglichkeiten integriert. Im Jahr 2019 ging der Vertrieb an Agrisem über.
Notiz am Rande: Einer der früheren Sly-Mitinhaber vertreibt heute ähnliche Drillmaschinen aus England (Horizon Agriculture DSX 4020, profi 7/2021).
Verschiedene Ausführungen der Direktsaatmaschine Agrisem Boss
Die Boss von Agrisem gibt es in drei Ausführungen. Als MiniBoss (3 und 4 m), Boss (3 bis 7 m) oder BigBoss (7 bis 12 m). Während sich die Aufbauten der Maschinen unterscheiden, ist das Scharsystem immer identisch. Es gibt vier verschiedene Reihenweiten: 16,7, 18,75, 20 oder 25 cm. Wir waren mit der 6-m-Boss und 18,75 cm im Feld. Diese Reihenweite ist laut dem deutschen Importeur LWF AgroTec ein guter Kompromiss zwischen Durchgang und Pflanzenentwicklung. Die Säeinheiten sind auf zwei Säschienen verteilt, der Scharschritt beträgt 155 cm.
Tiefengeführt werden die Säelemente im Parallelogramm samt hydraulischer Schardruckverstellung. Ein Manometer oberhalb der Deichsel zeigt den eingestellten Druck an. Auch wenn es durch die Schrägstellung nach Herstelleraussagen weniger Druck bedarf, sind bis zu 500 kg möglich. Allerdings nur mit vollen Saattanks, ansonsten heben die Aggregate die Maschine aus. Die Hydraulikzylinder werden auch für den Scharaushub am Vorgewende genutzt, da der Hauptrahmen von der Deichsel bis zum Fahrwerk stets auf einem Niveau verbleibt.
Die serienmäßig hydraulische Schardruckanpassung wird auch für den Scharaushub am Vorgewende genutzt.
(Bildquelle: Tovornik)
Einscheibenschar und Druckrolle sind schräggestellt.
(Bildquelle: Tovornik)
Direktsaatmaschine Agrisem Boss mit schrägem Konzept
Zentrales Bauteil des Scharsystems ist das schräggestellte Einscheibenschar mit 10° Anstellwinkel zur Fahrtrichtung und 30° Untergriff. Direkt daneben ist ein Farmflexrad platziert, das drei Funktionen erfüllen muss: Einerseits dient es als Abstreifer für die Scheibe. Anderseits schützt es vor Bodenbewegung durch das Säschar. Zu guter Letzt ermöglicht es — vor allem bei Mulchsaaten — eine Tiefenführung der Scheibe. Bei Direktsaat empfiehlt Agrisem eine Tiefenführung über die hintere Druckrolle, da dort der Einfluss durch Erntereste kleiner ist. Vor dem Schar sind optional Strohräumer erhältlich.
Im Schatten des Einscheibenschars ist der Saatgutauslauf mit einem nachstellbaren Säkeil platziert. An diesem Saatgutauslass hat man die Wahl zwischen zwei verschiedenen Abgabepunkten. Die vordere Position empfiehlt Agrisem für Feinsaaten, die hintere z. B. für Getreide und Leguminosen. Für einen Wechsel ist der Saatschlauch oberhalb des Saatguteinlaufs umzustecken.
Die Saattanks sind druckdicht. Die Gasdruckdämpfer am Deckel sind etwas schwach.
(Bildquelle: Tovornik)
Für die elektrisch angetriebenen Dosiergeräte gibt es verschiedene Zellenräder.
(Bildquelle: Tovornik)
Bequeme Verstellung
Die Position zwischen dem 460 mm großen Einscheibenschar und dem Säkeil ist fix. Den seitliche Abstand zwischen Säscheibe und Saatgutauslass muss man aufgrund dazwischen platzierten Elastomer-Scheiben nur selten anpassen. Die Tiefe bzw. einen unteren Anschlag der Säeinheit verstellt man werkzeuglos über einen ordentlichen Griff mit dazugehöriger Skala. Das gleiche System findet man hinten an der Andruckrolle.
Apropos: Die im Winkel einstellbare Druckrolle mit ihrem W-Profil läuft nie direkt über dem Saatband. Sie rückverfestigt nur indirekt, was auch unter ungünstigen Bedingungen Vorteile bringen soll. Das Einstellen der Säreihe bedarf viel Erfahrung, da alleine das Lokalisieren der Saatreihe nicht sonderlich einfach ist.
Saatgut- und Düngerdosierung bei der Direktsämaschine
Die 6-m-Boss ist mit bis zu vier, auch nachrüstbaren Drucktanks für Saatgut bzw. Dünger zu bekommen. Es können bis zu drei Tanks mit 1 200 oder 2 000 l Volumen gewählt werden, der vierte fasst 280 l. Unter jedem Tank sitzen baugleiche, aus Aluminium gefräste Dosiergeräte mit elektrischen Antrieben. Tauschen kann man die Dosierrotoren auch im befüllten Zustand. Je Tank gibt es einen Füllstandsensor und einen Leermelder im Dosiergerät.
Unter den Dosierern verlaufen zwei pneumatische Förderstrecken. Per Schieber kann man das Saatgut auf beide Förderstrecken aufteilen oder nur in eine einleiten. Die Förderstrecken münden vorne kurz hinter der Deichsel in die Agrisem-Verteilerköpfe, die bis zu acht Fahrgassenklappen bestückt werden können.
Die Schlauchverlegung zwischen den Verteilerköpfen und den Scharen macht einen geordneten Eindruck, wenngleich nicht alle Schlauchlängen identisch sind. Oberhalb der Säaggregate trennt je ein sogenannter „D-Cup“-Luftabscheider das Saatgut (oder den Dünger) von der Luft. Anschließend fallen die Körner per Schwerkraft in den Boden. So soll das Saatgut sicher in der Furche verbleiben und eine bessere Längsverteilung erzielt werden.
Bedienen lässt sich die Boss bisher über einen Windows-Tablet-PC, das über WLAN mit der Maschine kommuniziert. Ab diesem Jahr folgt eine optionale Ansteuerung über ISO-Bus Terminals. Dann ist auch Section Control möglich, variable Aussaatraten funktionieren bereits jetzt.
Einen Vorteil hat das Tablet beim Abdrehen: Man kann es zur Eingabe der gewogenen Werte bequem mit an die Maschine nehmen. Trotz brillanter Auflösung muss man sich aber auf die geringe Lichtstärke einlassen, was unter sonnigen Bedingungen störend sein kann. Dann ist auch die dunkle Bedienoptik nachteilig. Kleiner Exkurs: Für die MiniBoss gibt es bereits eine ISO-Bus-Steuerung.
Gewicht, Preis und Leistung der Direktsaatmaschine Agrisem Boss
Ohne Saatgut im Tank wiegt die 6-m-Boss leichte 6 650 kg. Um mit 40 km/h am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, sind maximal 2 400 kg Saatgut an Bord erlaubt.
Da systembedingt wenig Erde bewegt wird, ist der Leistungsbedarf gering. Je nach Topografie und Reihenweite reichen laut Hersteller 140 bis 160 PS bei 6 m Arbeitsbreite.
Preislich ruft Agrisem für die Maschine rund 134 800 Euro in der Grundausstattung auf (Listenpreise ohne MwSt.). Mit einem dritten Saattank, Druckluftbremse und größtmöglicher Bereifung steigt der Preis auf etwa 149 800 Euro an.
Die Boss von Agrisem arbeitet mit einem schräggestellten Einscheibenschar. Hierdurch entstehen nach Herstellerangaben einige Vorteile für die Direktsaat: Es wird weniger Schardruck benötigt, und Hairpinning — also das Eindrücken von Ernteresten in die Saatfurche — kommt wenn überhaupt nur selten vor. Außerdem ist Maschine im Vergleich zu anderen Direktsaatmaschinen leicht. Konstruktiv wirkt die Boss dennoch robust und überwiegend bedienerfreundlich.