Aus dem Heft

Defekte Kolbenbremszylinder: Reparieren lohnt sich nicht!

An den Achsen druckluftgebremster Anhänger kommen zwei Bremszylindertypen zum Einsatz. Zum einen sind es die länglichen Kolbenbremszylinder, zum anderen die flacheren Menbranbremszylinder. Defekte Membranzylinder werden bedingungslos ersetzt. Für Kolbenzylinder gibt es zwar Reperatursätze, die Instandsetzung lohnt aber nur in Ausnahmefällen. ISchon seit Jahrzehnten haben sich im modernen Nutzfahrzeugbereich die Membranbremszylinder durchgesetzt. Ganz anders ist das in der Landwirtschaft, wo man die Kolbenbremszylinder noch sehr häufig antrifft. Der Grund dafür ist ganz einfach das Alter vieler Anhänger. Beim Kauf eines gebrauchten Anhängers verrät der Blick auf die Bremszylinder also gleich Einiges über das Alter des Fahrzeugs. Ob Membranbremszylinder oder Kolbenbremszylinder, die Wirkungsweise ist gleich. Lediglich die Funktionsweise ist etwas anders. Den Aufbau eines Kolbenbremszylinders kann man mit einem Hydraulikzylinder vergleichen. Im Zylinderrohr befindet sich ein Kolben, der sich nach vorne verschiebt, sobald von der Druckluftanlage des Zugfahrzeugs Luft in den Zylinder strömt. Die am Kolben befestigte Kolbenstange drückt dabei gegen den Bremshebel und veranlasst so die Abbremsung des Fahrzeugs. Wird die Luft über das Bremsventil wieder entlassen, schiebt sich der federbelastete Kolben zurück in die Ruhestellung. Der Membranbremszylinder ist wesentlich einfacher aufgebaut: Eine kräftige Gummimembran wird hier zwischen zwei Gehäusehälften eingeklemmt. Bei der Bremsung drückt die Druckluft des Zugfahrzeugs gegen die Membran, die wölbt sich nach vorn und drückt damit automatisch die Kolbenstange gegen den Bremshebel der Anhängerachse. Beide Systeme machen also ohne irgendwelche Einschränkungen ihren Job. Der größte Unterschied zwischen Kolben- und Membranbremszylinder ist wohl der Preis. So muss man für einen Kolbenbremszylinder mit ca. 160 Euro netto etwa das Dreifache bezahlen wie für einen Membranzylinder. Sicherlich war auch das ein wichtiger Grund für dessen Verbreitung. Kann man defekte Kolbenzylinder reparieren? In der Rubrik „profi-Praktisch“ versuchen wir, unseren Lesern monatlich neue, interessante Reparaturtipps zu geben. In diesem Fall (Kolbenbremszylinder) kamen wir jedoch nach unseren Recherchearbeiten zu einer eindeutigen Erkenntnis: Die Instandsetzung lohnt nicht — und das, obwohl Reparatursätze erhältlich sind. Auch wir haben einige Zeit gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, aber es ist definitiv so, und es ist auch die einhellige Meinung der Fachwelt. Wir möchten daher nur typische Fragen beantworten, die in diesem Zusammenhang immer wieder aufkommen: ...oder stattdessen Membranzylinder einbauen? Weil Membranzylinder zeitgemäßer und vor allem erheblich preiswerter als Kolbenzylinder sind, erhält man oft die Empfehlung, bei der Gelegenheit doch gleich auf Membranzylinder umzurüsten. Könnte man drüber nachdenken, wird aber mit Sicherheit erheblich aufwändiger und kostspieliger. Schließlich müssen jetzt alle Zylinder des Anhängers erneuert werden, neue Halterungen müssen an die Achsen geschweißt werden. Und das Wichtigste: Eine komplett neue Bremsenberechnung muss für das Fahrzeug erstellt werden. Wer den defekten Kolbenbremszylinder gegen einen neuen ersetzt, wird garantiert preiswerter und vor allem auch schneller davon abkommen! Wo gibt es neue Kolbenzylinder? Gegenüber den Membranbremszylindern ist der Anteil der verkauften Kolbenbremszylinder extrem gering. Man muss sich also nicht wundern, wenn einen der Verkäufer beim Fahrzeugteilehandel erst ungläubig anschaut und dann irgendwann die Frage stellt: „Kommen Sie aus der Landwirt-schaft?“ Wie bereits gesagt, ist dieser Zylindertyp aufgrund des Alters vieler Fahrzeuge fast ausschließlich noch in der Landwirtschaft anzutreffen. Die Konsequenz daraus ist, dass sehr viele Fahrzeugteilehändler keine Kolbenbremszylinder mehr am Lager haben oder nur noch eine sehr geringe Auswahl. Ganz anders ist das bei den Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, die Landwirtschaft mit Ersatzteilen zu beliefern. Wie identifiziert man den passenden Zylindertyp? Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Kolbenbremszylinder ist ihr Querschnitt. Je dicker das Zylinderrohr, desto größer ist die Kolbenfläche und desto größer ist die Kraft. Laut der Bremsenberechnung für das jeweilige Fahrzeug muss der Kolbenbremszylinder eine ganz bestimmte Dimension haben. Weil das Typenschild eines älteren Bremszylinders oft kaum noch vorhanden bzw. lesbar ist, gehen Sie so vor: Messen Sie mit einem Messschieber das Außenmaß des alten Zylinders (des Zylinderrohrs) und geben Sie dieses bei der Bestellung an. Messen Sie hier beispielsweise 106 Millimeter, dann darf gefolgert werden, dass es sich um einen Zylinder mit einem 100er-Kolben handelt. Ob der Zylinder nun von Wabco, Haldex, Knott etc. stammt, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. „Das ist die Praxis, alles andere ist Theorie“, so ein Fachmann. Die Aufnahmen für die Befestigung sind in aller Regel aufeinander abgestimmt. Reparatursätze — eine Alternative? Zu einem Reparatursatz gehören eine Kolbendichtung, eine Gehäusedichtung und ein Gummi- Faltenbalg für die Kolbenstange. Je nach Bremszylindertyp und –hersteller können vor allem die Kolbendichtungen sehr unterschiedlich sein, obwohl sich die Zylinder von außen kaum unterscheiden. Die Hersteller bauen hier sehr unterschiedlich geformte Dichtungen ein, die dann nur zu einem ganz bestimmten Zylindertyp passen. Bei der Bestellung reicht es also nicht aus, nur den Kolbenquerschnitt anzugeben. Sie müssen die genaue Typenbezeichnung finden, und das ist nach Jahrzehnten oft kaum noch möglich. Hat man es doch geschafft, dann stellt sich die Frage, ob es speziell für diesen Zylindertyp überhaupt einen Dichtsatz gibt. Ein Fahrzeugteilehandel, der sich bereits mit der Lieferung eines Kolbenbremszylinders schwertut, wird mit der Beschaffung eines passenden Reparatursatzes dann wohl noch größere Probleme bekommen. Der Preis für einen Reparatursatz liegt übrigens zwischen 65 und 85 Euro. Ein neuer kompletter Kolbenbremszylinder kostet ca. 150 Euro. Wie montiert man einen solchen Reparatursatz? Wer es unbedingt tun will, der schraubt den mit mehreren Schrauben gehaltenen Deckel auf (Achtung Druckfeder!) und tauscht die Kolbendichtung aus. Stellen Sie dabei Riefen und Rost auf der inneren Zylinderwandung fest, kann die Reparatur gleich beendet werden. Ab auf den Schrott! Sinn machen kann die Erneuerung eines defekten Faltenbalgs. Bei der technischen Untersuchung kann ein gerissener Gummibalg schon einmal bemängelt werden. Der Zylinder muss dafür nicht geöffnet werden. Lediglich die Kolbenstange wird vom Bremshebel getrennt, um den Faltenbalg dann aufzuschieben. Mit einem Kabelbinder wird er vor dem Zylinderrohr festgezogen. Leider gibt es den Faltenbalg nicht einzeln, sondern nur als Bestandteil des gesamten Reparatursatzes. Ein Anhänger mit Kolbenbremszylindern kann nicht ohne weiteres auf Membranzylinder umgerüstet werden. Andere Konsolen und eine Bremsenberechnung wären nötig. Die Anbaukonsolen für Membranbremszylinder (rechtes Bild) und Kolbenbremszylinder sind völlig unterschiedlich. Für eine nachträgliche Umrüstung auf Membranbremszylinder gibt es einzelne Konsolen als Anschweißteile. Text: D. Renfert-Deitermann Der Kolbenbremszylinder wird mit vier Schrauben auf einer Konsole gehalten. Fotos: Tovornik, Renfert-Deitermann Für die Bestellung eines Kolbenzylinders reicht es, den Querschnitt anzugeben. Der Hersteller und Typ älterer Bremszylinder ist nur noch selten festzustellen Bei entlasteter Bremse drückt die Feder den Kolben in die Ruheposition. Der Luftdruck drückt die Lippen der Kolbendichtung (links) auseinander. Um den Gummibalg zu tauschen, muss lediglich die Kolbenstange vom Bremshebel gelöst werden

(Bildquelle: profi)

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