Sicherheit von Zapfwellen-Notstromaggregaten: Ministerin mit G’schmäckle
Statt Zapfwellen-Notstromaggregate sicherer zu machen, befindet die Abteilung 43 unter der Baden-Württemberger Ministerin Thekla Walker die Tricks der Hersteller für gut. Ein Update.
Viele Landwirte können von einem misslungenen Einsatz des Notstromaggregates mit Zapfwellenantrieb berichten. Misslungen, weil danach teure und systemrelevante Elektronik in Lüftungs- und Fütterungscomputern zu reparieren war. Auch kann geradezu regelmäßig aus dem Generator aufsteigender Qualm beobachtet werden.
Behörden sitzen Probleme aus
Die Probleme mit Zapfwellen-Notstromaggregaten sind seit gut zehn Jahren Thema in profi. Dass wir immer noch darüber berichten, liegt mit an den Behörden der Marktüberwachung. Aktuell liegt der Ball bei der Baden-Württemberger Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Thekla Walker (Bündnis 90/Die Grünen). Sie steht dem Referat 43 Marktüberwachung, Chemikalien und Produktsicherheit vor.
Vor drei Jahren übertrugen die Leiter der Marktüberwachung der anderen Bundesländer ihrer Behörde den Arbeitsauftrag, neue Zapfwellen-Notstromaggregate durch eine gezielt gewählte Sicherheitsausstattung auf den Stand der Technik zu bringen.
Der Arbeitsauftrag basiert auf einem Gutachten von Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Kay Hameyer, welches das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gab. Der Institutsleiter der RWTH Aachen stellte 2018 fest, dass das erforderlich hohe Schutzniveau von Zapfwellen-Notstromaggregaten nur mit einem Leistungsschutzschalter, einem sogenannten Generator-Leistungsschalter, zu realisieren ist. Durch seine einstellbaren Auslöseparameter lässt sich nur mit diesem eine sichere und zuverlässige Abschaltung realisieren, so der Gutachter. Der Überlastfall werde auf diese Weise sehr gut beherrschbar. Gleiches gilt für den Kurzschlussfall, denn durch die große Kurzschlussimpendanz des Zapfwellengenerators ist ein zuverlässiges Auslösen der Schutzeinrichtung nur mit abgestimmten Auslöseparametern gewährleistet. Der von den meisten Herstellern bis heute verwendete Leitungsschutzschalter (LS-Schalter) bietet dieses Sicherheitsniveau dagegen nicht, da dieser für den Schutz von Stromleitungen konstruiert wurde, stellte der Universitätsprofessor damals fest.
2019 präsentierte Prof. Hameyer sein Gutachten im Düsseldorfer Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vor den namhaften Herstellern. Verständnisfragen konnten sie so direkt mit dem Sachverständigen klären. Anwesend waren auch Vertreter der Marktüberwachung der betroffenen Bundesländer. „Sie kamen zum Schluss, dass die notwendigen Maßnahmen bei den Herstellern erforderlichenfalls anzuordnen sind, wenn diese keine freiwilligen Maßnahmen durchführen und sie ihre Generatoren nicht entsprechend dem Stand der Technik herstellen“, fasste der Referatsleiter Jürgen Thier seinerzeit das Gespräch für profi zusammen (profi 1/2020).
Im September 2021 fragten wir beim Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg schriftlich nach, wie es um die Umsetzung des Gutachtens bestellt sei. Daraufhin erhielten wir von der zuständigen Presseabteilung folgende Antwort:
„Zapfwellengeneratoren, die eine andere Ausstattungen besitzen als in dem Gutachten empfohlen, sind dadurch nicht automatisch zu bewerten als ein nicht konformes Produkt. Maßgeblich ist, dass die Sicherheitsarchitektur des Produktes in Gänze berücksichtigt und hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen der Maschinenrichtlinie geprüft wird. Dies betrifft auch die Fragestellung bzgl. des Einsatzes eines Leistungs- oder Leitungsschutzschalters“, lässt uns der zuständige Beamte mitteilen.
„Ausgehend von den Erkenntnissen aus dem Gutachten wurde ein Zapfwellengenerator geprüft, der seitens des Herstellers lediglich mit einem Leitungsschutzschalter ausgestattet wurde. Bei der Überprüfung wurde auch die technische Dokumentation des Herstellers berücksichtigt. Hierbei wurde festgestellt, dass sich die Erkenntnisse der theoretischen Abhandlung des o. g. Gutachten nicht adäquat in die Praxis übertragen lassen“, so der im Referat 43 zuständige Mitarbeiter weiter.
„Der Wirtschaftsakteur konnte anhand der technischen Unterlagen plausibel nachweisen, dass bei betroffenen Zapfwellengeneratoren eine Sicherheitsarchitektur eingesetzt wird, welche aus einer Kombination von verschiedenen Komponenten zur Absicherung der Gefährdungen besteht. Die Absicherung gegen einen unzulässig hohen Stromfluss, wie er beispielsweise bei einem Kurzschluss auftritt, wird hier durch den Leitungsschutzschalter gewährleistet, welcher hinsichtlich des Nennstromes und der Auslösecharakteristik entsprechend des jeweiligen Generatormodelles ausgewählt wird“, beschreibt der Referatsmitarbeiter das eher theoretische Prüfverfahren seiner Marktüberwachungsbehörde.
„Die Absicherung des Generators selbst gegen unzulässige Überbelastung und damit verbundener thermischer Überlast wird zusätzlich durch einen elektronischen Generatorregler erreicht, der entsprechend dem jeweiligen Generatormodell parametriert wird. Zusätzlich wird ein elektrisches System zur Frequenz- und Spannungsüberwachung eingesetzt, welches bei Unter- oder Überschreitung eines eingestellten Grenz–wertes erst einen optischen Alarm auslöst und anschließend eine automatische Abschaltung des Hauptleitungsschutzschalters bewirkt“, führt der Verantwortliche im Referat 43 weiter aus.
„Die Kombination von Maßnahmen erfüllt nach hiesiger Einschätzung die Anforderungen des Anhang I der Maschinenrichtlinie hinsichtlich der elektrischen Sicherheit“, folgert die Behörde schlussendlich im Schreiben, das profi vorliegt.
Den Unbedarften stimmen die Erläuterungen gewiss zufrieden. Positiv festzustellen ist, dass die Marktüberwachung bei Zapfwellen-Notstromaggregaten wohl endlich auf die Ausstattung mit einem System zum Schutz vor Unter- und Überspannung achtet. Viele Schäden in der Vergangenheit gehen allein auf das Fehlen einer solchen Schutzeinrichtung zurück.
Mit Blick auf den Bedarf landwirtschaftlicher Betriebe enttäuscht das Schreiben. Denn geprüft wurde anhand technischer Unterlagen — und nicht im praktischen Einsatz. Dann wäre aufgefallen, dass die üblicherweise verwendeten Leitungsschutzschalter (LS-Schalter) eine kurzzeitig auftretende Überlast fehlinterpretieren. Eine kurzzeitige Überlast tritt beispielsweise beim Anlaufen des Rührwerks einer Biogasanlage oder einer Getreidemühle im tierhaltenden Betrieb auf. Die drehmomentstarken Motoren benötigen das sechs- bis achtfache ihres Nennstroms für das Anlaufen. Diese Überlast ist bei einem Hausanschluss mit einem C-Automaten in der Verteilung kein Problem, da die Generatoren im Kraftwerk der Energieversorger eine derartige Überlast problemlos überstehen.
Ein für die Landwirtschaft typischer Notstromgenerator ist nur auf die dreifache Nennstromabgabe ausgelegt. Der Anlaufstrom muss deshalb überwacht und begrenzt werden, denn sonst brennt die Wicklung des Generators durch. Dabei könnte neben dem Aggregat samt Schlepper auch die Hausverteilung in Brand geraten. LS-Schalter besitzen nur eine festeingestellte Auslösecharakteristik. Ein BAutomat löst beispielsweise erst sicher aus, wenn der fünffache Nennstrom (5 x IN) erreicht ist. Bei einer Absicherung mit einem LS-Schalter mit 100 Ampere müsste so ein Auslösestrom von 500 Ampere erzielt werden. Diesen Strom liefert ein 80-kVA-Generator nicht. Bei einem Kurzschluss käme es folglich nicht zu einer Abschaltung.
Hersteller, die ihre Geräte mit LS-Schalter gegen Überlast absichern, verbauen deshalb eine Sicherung, die kleiner ist als die Nennleistung des Generators. Im konkreten Fall verbaut ein namhafter Hersteller immer nur einen 50-Ampere-LS-Schalter — verkauft wird der Generator aber mit dem auf dem Typenschild ausgewiesenen Nennstrom von 57,8 Ampere — ein schöner Trick.
Unpraktikabel wird der LS-Schalter jedoch dadurch, dass er hohe Anlaufströme nicht von einem Kurzschluss zu unterscheiden vermag. So abgesichert schaltet ein Aggregat mit hoher Wahrscheinlichkeit im praktischen Einsatz viel zu früh ab.
Anders der Generator-Leistungsschalter. Er erkennt den Unterschied zwischen Kurzschluss und einem hohen Anlaufstrom. Und so kommen mit einem Generator-Leistungsschalter bei einem Netzausfall die Rührwerke der Biogasanlage, der Motor der Mahl- und Mischanlage oder die Reinigung der Melkanlage sicher ans Laufen.
Büßen muss für die Tricks neben dem Landwirt auch sein Elektriker. Bei einem auslösenden LS-Schalter wird dieser zuerst die Angaben auf dem Typenschild mit der Auslösecharakteristik des LS-Schalters vergleichen — und fälschlicherweise die Diagnose stellen, dass wohl ab Werk versehentlich ein zu schwacher LS-Schalter eingebaut wurde. Um das Leben von Tieren zu retten, wird der hinzugerufene Elektriker den vermeintlich zu schwachen gegen einen höher abgesicherten LS-Schalter tauschen. So aber setzt er eine wichtige Sicherheitsvorrichtung außer Kraft, weshalb die Gefahr einer Überlastung des Stromgenerators gegeben ist. Sollte es zu einem Brandschaden an Maschinen, Gebäuden oder verletzten Personen kommen, wird man den Elektriker haftbar machen.
Den Herstellern ist diese in der Praxis übliche Vorgehensweise nicht fremd. So wies ein Hersteller im Gespräch mit profi mit einem Lächeln im Gesicht jegliche Schuld für Manipulationen durch Dritte von sich.
Fazit
Ein mit Leitungs-Schutzschalter abgesichertes Aggregat mag auf dem Papier die Vorschrift erfüllen. Im Ernstfall ist aber auf derartig abgesicherte Geräte nicht wirklich Verlass. Der über zehn Jahre andauernde Streit hätte ein gutes Ende genommen, wäre die von den anderen Bundesländern beauftragte Marktüberwachung von Baden-Württemberg durch Umsetzung des Gutachtens von Prof. Dr. Hameyer einfach ihrem Job nachgekommen: Nur der Generator-Leistungsschalter entspricht dem Stand der Technik; Konstruktionen mit LS-Schaltern täuschen eine Sicherheit nur vor und können in der Praxis zu erheblichen Problemen führen. Die sprichwörtlich Betrogenen des Spiels sind die Landwirte und die Leidtragenden ihre Elektriker.
G’schmäckle im Ländle
Ein Kommentar von Martin Zäh
Sie kaufen einen 200-PS-Schlepper. Dieser hebt den fünffurchigen Pflug, und mit ausreichend Last auf der Vorderachse darf die Maschine auf die Straße. In der Furche aber kann der neue Schlepper nicht das, was der alte 140er konnte.
Der Vergleich mit Zapfwellen-Notstromaggregaten ohne Generator-Leistungsschalter passt hier ganz gut: Sie zahlen für die volle Leistung, erhalten aber weniger — und die Behörde sagt: „Ist doch alles in Ordnung.“ Beim Schlepper würden Sie wohl Ihrem Händler Druck machen. Was aber beim Notstromaggregat? — Ich kann an dieser Stelle nur warnen: Lassen Sie die Finger von den Aggregaten, ersetzen Sie die originalen LS-Schalter nicht durch höher abgesicherte. Sie riskieren damit nicht nur die Einsatzsicherheit Ihres Aggregats, sondern auch das Leben von Mensch und Tier.
Leider hat die Marktüberwachung von Baden-Württemberg die wohl einmalige Chance vergeben, die in der Landwirtschaft dringend notwendigen Notstromaggregate auf den Stand der Technik zu bringen. Stattdessen geht das Tricksen auf Kosten der Landwirte weiter.
Und weil sie offenbar nichts zu befürchten haben, kommen die Hersteller auf immer neue Tricks. So verzichtet ein namhafter Hersteller seit Kurzem auf die Ausstattung seiner Geräte mit Amperemetern. Das ist dann in etwa so, als ob Sie ohne Tankanzeige unterwegs sind: Es droht im entscheidenden Moment der völlige Stillstand.
Vielleicht fragen Sie sich, warum mir an einer sicheren Ausstattung derart gelegen ist? — Nun, angesichts einer in meinen Augen gescheiterten Energiepolitik bin ich mir eines großflächigen Stromausfall gewiss. Die Frage ist hier nicht „ob“, sondern „wann“. Und ich befürchte, dass der sogenannte Blackout mehr als einen Tag andauern wird. Aber auch ohne Strom aus dem Netz müssen unsere Kühe gemolken, unsere Schweine und Hühner gefüttert und die Ställe gelüftet werden.
Dies wird nur mit funktionstauglichen, dem Stand der Technik entsprechenden Zapfwellen-Notstromaggregaten funktionieren. Durch eine fehlerhafte Bewertung riskiert so für mich eine grüne Ministerin das Leben Tausender Nutztiere. Ob es daran liegt, dass im Ländle die meisten Hersteller von Zapfwellen-Notstromaggregaten ihren Sitz haben, vermag ich nicht zu behaupten. Aber es hat für mich ein G’schmäckle, wie man im Ländle gerne zu sagen pflegt.