Neue Reifendruckregelanlage VariQtire von IWN: Zwei-Leiter-Technik mit nur einer Leitung
Die neue Reifendruckregelanlage VariQtire von IWN hat nicht nur innenliegende Drehübertrager, sondern bietet mit nur einer Leitung die Sicherheit einer Zweileiter-Anlage.
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Systeme zum Verstellen des Reifendrucks (Kasten: „So unterscheiden sich Ein- und Zweileiter-Anlagen“). IWN ist es nun gelungen, die Vorteile der Zweileiter- mit denen der Einleiter-Anlage zu kombinieren.
Das Herzstück der Entwicklung ist eine Ventileinheit an jedem Rad, die es in sich hat. Wird sie über den Zuführschlauch mit unter 3 bar belüftet, öffnet sie das Radventil, und es kann Luft aus dem Reifen entweichen. Erhöht man den Druck in der Zuführleitung auf über 5 bar, schalten Kolben in der Ventileinheit um. Dann kann die Luft aus dem Rad nicht mehr entweichen, sondern der Reifen wird aufgepumpt. Das ist genial, aber aus patentrechtlichen Gründen können wir nicht mehr zeigen.
Bei Einleiter-Anlagen wird bislang am Rad selbst kein Ventil geschaltet, deshalb stehen Leitungen und Drehübertrager immer unter Druck. Führt man die Leitung von außen an das Rad und kann einen Drehübertrager mit einem kleinen Radius nutzen, ist diese Technik einfach, preiswert und bewährt.
Nachteil: Hat die Anlage eine kleine Leckage, muss man — zumindest über Nacht — die Kugelhähne an den Rädern manuell schließen, um morgens keinen Plattfuß zu haben. Außerdem stehen natürlich die Leitungen von außen über die Fahrzeugumrisse hinaus, was z. B. beim Silowalzen stören kann.
Bei der Zweileiter-Anlage führt eine zweite Leitung zu jedem Rad, um ein Ventil am Reifen zu öffnen. Über die Hauptleitung kann dann Luft aufgepumpt oder abgelassen werden. Vorteil: Die Leitungen sind meist drucklos, so dass der geringere Verschleiß innenliegende Drehübertrager mit großem Durchmesser erlaubt. Hinzu kommt, dass es weder beim Schlauchabriss noch bei kleinen Leckagen ein Problem mit Druckverlusten in den Reifen gibt. Nachteil der Zweileiter-Anlagen ist der höhere Aufwand für eine doppelte Verschlauchung samt Drehübertragern sowie die zusätzlichen Ventile in den Rädern.
Reifendruckregelanlage: Drucküberwachung per Funk
Um die Innendrücke aller vier Reifen jederzeit im Blick zu haben, geht IWN ebenfalls eigene Wege: In jeder Felge ist zusätzlich eine Bohrung, in der ein Funksensor zur Drucküberwachung und ein mechanisches Druckbegrenzungsventil (DBV) installiert sind. Das DBV aus Edelstahl ist auf 2,7 bar justiert, so ist man im Falle des Falles auf der sicheren Seite.
Die Drucksensoren haben eine langlebige Batterie (IWN kalkuliert fünf Jahre) und senden ihre Information alle zwei Minuten an den Funkempfänger. Der ist — genau wie die übrige Elektronik — im Deckel der zentralen Ventileinheit des Systems untergebracht.
Ändert sich der Druck beim Befüllen, Ablassen oder bei einem Reifenschaden um mehr als 0,1 bar innerhalb von 20 Sekunden, werden die Sensoren in einen „Alarm-Modus“ versetzt. Dann senden sie für 6 Minuten alle 10 Sekunden einen Wert. Angezeigt werden die Werte in der Traktorkabine auf einem separaten Bediendisplay (Topcon Opus A3).
Die Ventileinheit war bei „unserem“ John Deere 6155R am linken Frontladerbock montiert. Durch die zentrale Position hält sich der Aufwand für die Verkabelung und Verschlauchung in Grenzen. So gibt es zum einen die Versorgungsleitung, die an die Druckluftanlage angeschlossen wird. Fällt der Versorgungsdruck hier unter 5 bar, wird die Anlage zur Sicherheit komplett abgeschaltet, erst über 6 bar beginnt sie wieder zu arbeiten.
Serienmäßig gibt es am Ventilblock auch einen Anschluss für einen Zusatzkompressor, genauso wie einen fünften Ausgang zur Verstellung des Reifendrucks an einem Anhänger. Die übrigen Ausgänge sind für die Räder, die über 1/2"-PU-Rohr (12 mm Tecalan-Leitungen) angeschlossen werden.
Damit kommen wir zu den — ebenfalls von IWN selbst entwickelten — innenliegenden Drehübertragern. Sie sind aus hart-coatiertem Aluminium gefertigt, was die Oberflächen des leichten Werkstoffs besonders verschleißfest macht. Der Stator ist über eine Drehmomentstütze am Achstrichter befestigt. Die Stütze verfügt über Kugelkalotten, um keine Axial-Kräfte zu übertragen.
Der Rotor des Drehübertragers besteht aus zwei verschraubten Einzelringen, die über eine Vier-Punkt-Lagerung samt Kugellaufbahn mit dem Stator verbunden sind. Gleichzeitig dienen Konturschnüre aus PTFE-Carbon zwischen Rotor und Stator als Vorschubdichtungen. Diese werden nur angedrückt, wenn am Drehübertrager Druck anliegt. In der übrigen Zeit sind die Dichtungen quasi verschleißfrei.
Die Luftzuführung am Stator erfolgt axial. Dagegen hat der Rotor einen axialen und einen radialen Ausgang, um den Schlauch je nach Einbausituation möglichst einfach zum Radventil führen zu können.
Der Durchmesser der Drehübertrager ist mit 255 bis 475 mm an die gängigen Flanschmaße angelehnt. Möglich sind aber auch andere Maße. Ebenfalls vorgesehen ist ein Schmiernippel mit einer kleinen Schmierbohrung zu dem Kugellager sowie zum Schmieren der Labyrinth-Abdichtung. Erste Erfahrungen zeigen aber, dass bis 2 000 Schlepperstunden noch kein Nachschmieren erforderlich war.
Einfache Bedieneinheit
In dem separaten Bedienterminal kann bzw. muss der gewünschte „Hi“- und „Lo“-Druck für jedes Rad einzeln eingestellt werden. Beim Einsatz z. B. von Seitenauslegern kann das sinnvoll sein, aber IWN arbeitet daran, sowohl achsweise einstellen als auch Druckprofile für verschiedene Arbeiten hinterlegen zu können. Genauso ist die ISO-Bus-Einbindung in Vorbereitung. Aktuell drückt man einfach den „Hi“- oder „Lo“-Button, schon beginnt die Anlage, den gewünschten Druck anzufahren.
Wir haben bei dem John Deere 6155R mit 480/70 R 30 vorne und VF710/60 R 42 hinten die Werte auf 0,8 bzw. 1,6 bar eingestellt. Mit dem Standardkompressor dauerte das Aufpumpen zwölf Minuten. Um dabei große Druckunterschiede in den Reifen zu vermeiden, wird automatisch reihum in 0,2 bar Schritten aufgefüllt.
Erkennt die Anlage dagegen, dass genug Luft da ist, z. B. von einem Zusatzkompressor, werden die Reifen gleichzeitig befüllt, was dann weniger als vier Minuten dauern soll. Auch beim Thema Kompressor bereitet IWN Lösungen mit eigenem Antriebs- und Steuerungskonzept vor.
Noch ist die eigene Bedieneinheit nötig, wo auch die Drücke einzeln eingestellt werden.
(Bildquelle: Tovornik)
(Bildquelle: Tovornik)
Zum Ablassen der Luft werden immer alle vier Radventile gleichzeitig geöffnet, und die Luft kann direkt durch einen Schalldämpfer entweichen (Grafik: „Zeitdauer zum Luftablassen“). Sieht man sich die Grafik an, haben die Vorderräder bereits nach nur 20 Sekunden die 0,8 bar erreicht, und selbst an der Hinterachse dauert es nicht einmal 1,5 Minuten, bis die 0,8 bar eingestellt sind — sehr gut!
Anschließend soll die Anlage laut IWN noch 20 Sekunden aktiv bleiben, um gegebenenfalls noch Korrekturen am Druck vorzunehmen. Bei uns waren das immerhin noch zweieinhalb Minuten, was aber dem Vorserienstatus des Systems geschuldet ist.
Stichwort Vorserienstatus: Aktuell gibt es die VariQtire von IWN noch nicht zu kaufen. Wenn alles glattgeht, soll die Anlage zur Agritechnica 2023 serienreif sein. Entsprechend ist IWN bei der Frage nach dem Kaufpreis noch sehr zurückhaltend. Wir hoffen jedoch, dass der einfache Aufbau des Systems den Preis im vierstelligen Bereich hält. In jedem Fall ist das VariQtire eine sehr spannende Entwicklung, die wir im Auge behalten werden.
Wer ist IWN?
1975 gründete Wolfgang Niemann das Unternehmen für Industriearmaturen (IWN = Ingenieur Wolfgang Niemann). 2005 übernahm Reinhold Schulte den Betrieb mit 50 Mitarbeitern (profi 1/2019, Seite 100). Zuvor hatte er bei Kleine Einzelkornsätechnik sowie Rübenroder und -lader entwickelt. Heute beschäftigt IWN in Bielefeld 350 Mitarbeiter und fertigt für den Automotive-Bereich nicht nur Ventileinheiten etc., sondern ist auch führend bei Bustür-Antrieben.
Letztendlich ist die Landtechnik- Begeisterung bei Reinhold Schulte aber ungebrochen. Neben der Entwicklung von Antrieben und Aushubmechanismen für Hacken sowie pulsweiten-modulierten Spritzventilen (profi 11/2020) gehören dazu jetzt auch Reifendruckregelanlagen.