Hackroboter Farming GT von farming revolution: KI statt k.o.
Der Farming GT von farming revolution hackt Rüben mit Hilfe von Multispektralkameras und künstlicher Intelligenz (KI). Er ist unermüdlich und arbeitet rund um die Uhr.
Noch brennt es nicht — doch in Zukunft könnte die Unkrautbekämpfung mit Hackrobotern auch für konventionelle Landwirte interessant werden. Zur Zeit sind eher die Biobauern die Triebfedern für solche Entwicklungen. Sie müssen schon jetzt auf Herbizide verzichten und haben deshalb immens hohe Kosten, weil meist zusätzlich zur Maschinenhacke manuelles Hacken nötig ist.
Hackroboter Farming GT von farming revolution: Datenbank für Deep Learning
Das vor drei Jahren gegründete Start-up-Unternehmen aus Ludwigsburg hat sich dieser Herausforderung gestellt. Ursprünglich arbeitete ein Teil des neunköpfigen Teams an Agrarrobotik und Deep Learning bei Bosch. Es wurde eine Bilddatenbank für Pflanzen aufgebaut. Sie enthält inzwischen 18 Mio. sogenannte annotierte Bilder. Das sind Fotos, die mit zusätzlichen Informationen verknüpft sind. Diese nutzt die künstliche Intelligenz (KI) für die Bildanalyse.
Für den Aufbau der umfangreichen Bilddatenbank hat das Team bei Tag und Nacht, bei trockenen und nassen Bedingungen, auf unterschiedlichen Böden, bei Tau, Staub und Schlamm, in allen Wachstumsstadien von über 80 verschiedenen Pflanzen Fotos aufgenommen, anschließend gesichtet und kategorisiert.
Die KI der Bildverarbeitung erkennt anhand von Farbe, Wuchshöhe, Blattkontur und anderen Merkmalen verschiedene Kulturpflanzen wie Zuckerrüben, Kohl, Salat, Raps, Mais oder Ackerbohnen sowie ausgewählte Unkräuter. Dabei ordnet das System laut farming revolution bereits kleine Pflanzen ab 1 cm Wuchshöhe mit einer Zuverlässigkeit von 99 % richtig zu. Außerdem berechnet sie auf Basis der Bildinformationen den Verlauf der Kulturpflanzenreihen, so dass der Roboter daran entlang navigieren kann.
Multispektralkameras mit NIR-Farbkanal
Für die Pflanzenerkennung setzt farming revolution Multispektralkameras ein. Die Kameras sind 50 cm über der Bodenoberfläche montiert und haben auf dem Boden eine Auflösung von 10 Pixel pro mm. Sie nehmen zehn Bilder pro Sekunde auf, gleichzeitig verrechnet die KI die Bilder. Die multispektralen Bilder enthalten zusätzlich zu einem grünen, blauen und roten Farbkanal einen Farbkanal im nahinfraroten Spektrum. Aus dieser ergänzenden Information leitet die KI weitere Informationen über die Pflanzen ab — mehr als mit den Daten einer Echtfarbkamera möglich wäre.
Damit die Fotos alle immer gleich und gut ausgeleuchtet sind, senden mehrere SMD-LED gepulstes Licht aus. Diese speziellen Leuchtdioden sind auf Leiterplatten aufgelötet und lassen sich elektronisch ansteuern.
Und obwohl der Farming GT kameragesteuert durch die Reihen fährt, benötigt er zusätzlich die RTK-korrigierten Positionssignale von zwei GNSS-Empfängern — zum einen, um seine Fahrtrichtung bestimmen
zu können und zum anderen, um beim Wenden oder beim Wechsel vom Feldinneren in das Vorgewende die Reihenanfänge und deren Ausrichtung zu finden. Eine der Antennen ist deshalb vorne und eine weitere hinten auf dem Fahrzeug montiert.
Die SMD-LED beleuchten mit gepulstem Licht die Pflanzenreihen.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Multispektralkamera liefert Echtfarbvideos und filtert Bildinformationen einzelner Farbkanäle. Die Bildverarbeitung hat hier vom System erkannte Rübenblätter blau markiert.
(Bildquelle: Tovornik)
Zwischen den Reihen arbeiten konventionelle Hackschare, in der Reihe rotierende Messer. Die Arbeitstiefe lässt sich werkzeuglos einstellen.
(Bildquelle: Tovornik)
Navigation anlernen
Für das Kennenlernen der Feldgrenzen sowie der Reihen im Hauptteil des Schlags und in den Vorgewenden muss der Landwirt das Lenksystem des Roboters anlernen. Dazu fährt der Farming GT jeweils die äußersten Reihen autonom mittels Kameranavigation ab. Der Landwirt speichert dabei die A-B-Punkte für die Reihen im Feldinneren und für bis zu zwei Vorgewende. Das soll zukünftig automatisiert über die Bildauswertung erfolgen.
Während des Anlernprozesses beginnt der Hackroboter seine rotierenden Hackwerkzeuge um die Pflanzen herum in die Reihen zu schwenken, sobald die KI die ersten Kulturpflanzen erkannt hat. Der Landwirt kann nun das Hackergebnis prüfen und die Einstellungen der Hackwerkzeuge optimieren.
Nachdem der Anlernprozess abgeschlossen ist, lässt sich der Automatikmodus starten. Zuvor muss der Landwirt dem Lenksystem per Smartphone-App noch mitgeteilt haben, wie viele Spuren das Vorgewende breit ist und in welchem Spurrhythmus bearbeitet werden soll. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Hackroboter unter Umständen weniger Reihen hat als die bei der Aussaat eingesetzte Einzelkornsämaschine.
Im Zwischenachsanbau trägt der Farming GT bis zu sechs Hackmodule. Jedes ist mit einer eigenen Multispektralkamera plus Bildverarbeitungsrechner ausgestattet. Die Hackwerkzeuge an dem Parallelogramm-geführten Aggregat sind Standardhackschare für die Bearbeitung zwischen den Reihen und rotierende Klingen an elektrisch angetriebenen Fräsköpfen. Die Fräsköpfe, zwei je Reihe, schwenken in die Reihen hinein, einer von rechts und einer von links.
Bei einem Presse-Praxis-Treff des Zuckerproduzenten Pfeifer & Langen führte farming revolution die aktuelle Version des Roboters vor. Pfeifer & Langen engagiert sich im gemeinsamen Projekt mit farming revolution, den autonomen Farming GT zur Praxisreife weiterzuentwickeln.
Auf einem Schlag mit jungen Rübenpflanzen zog der Roboter seine Bahnen und hackte sowohl zwischen als auch in den Reihen. Dabei schnitten die rotierenden Messer sogar größere Unkräuter in unmittelbarer Nähe zu Rübenpflanzen ab. Der Landwirt Clemens Eßer aus Erkelenz im Rheinland schätzt, dass der Bekämpfungserfolg des Hackroboters auf seinen Rübenflächen bei rund 85 % lag.
Die Hackgeschwindigkeit ist mit nur 0,3 m/s recht langsam. Limitierender Faktor ist hier die Mechanik der Schwenkarme. Sollen die rotierenden Messer präzise arbeiten, möglichst ohne Rübenpflanzen dabei zu verletzen, darf der Farming GT nicht schneller fahren. Noch langsamer unterwegs ist er beim Wenden. Bei diesem Manöver muss die Elektronik offenbar viel „nachdenken“, bevor sie Befehle für das Rangieren ausgibt. Hier gibt es noch Entwicklungspotenzial.
Nichtsdestotrotz hat der vorgeführte, dreireihige Hackroboter mit einer Arbeitsbreite von 1,80 m laut farming revolution eine Flächenleistung von etwa 1 bis 5 ha pro Tag, wenn er die Zuckerrüben im 24-Stunden-
Betrieb hackt. Mit sechs Hackmodulen und 3 m Arbeitsbreite können pro Saison bis zu 40 ha Anbaufläche gehackt werden.
Die rotierenden Werkzeuge schneiden in der Rübenreihe auch größere Unkräuter ab.
(Bildquelle: Tovornik)
Per Allradlenkung wendet der Farming GT auf engen Radien. Das Manöver dauert derzeit nocht recht lange.
(Bildquelle: Tovornik)
Jedes Rad ist angetrieben und lenkbar. Die Spurweite lässt sich einfach verstellen.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Kamera überwacht das Hackergebnis. Sie ist per Smartphone schwenkbar.
(Bildquelle: Tovornik)
Was uns sonst noch auffiel:
Viele im Farming GT verbaute Komponenten wie Achsen und Radaufhängungen sind Serienteile aus Kleintraktoren.
Jedes Hackmodul lässt sich einzeln ausheben, so dass SectionControl an schräg auslaufenden Feldern möglich ist.
Damit der Roboter bei Hinderniskontakt sofort stehen bleibt, sind vorne und hinten Pendelstangen mit Kontaktsensoren als sogenannte Bumper montiert.
farming revolution hat ein KI-basiertes Pflanzenerkennungssystem entwickelt, das mit Hilfe von Multispektralkameras und einer großen Bilddatenbank im Hintergrund zwischen verschiedenen Pflanzenarten unterscheidet. Die Hackmodule des neuen Farming GT kombinieren Standardwerkzeuge und rotierende Fräsköpfe, die elektronisch angesteuert zwischen die Rüben in die Reihe schwenken.
Elf Hackroboter hat Farming revolution im vergangenen Jahr gebaut und auf rund 200 ha eingesetzt. Landwirte können den Farming GT mieten. Ein Verkauf wird ab der Saison 2024 angestrebt.