Ergebnisse aus dem Projekt DigiMilch: Wie genau ist NIRS im Häcksler ?
Wie gut die NIRS-Sensortechnik im Feldhäcksler in der Praxis funktioniert und welcher Aufwand damit verbunden ist, hat das Experimentierfeld DigiMilch untersucht.
NIRS-Sensoren am Feldhäcksler ermitteln den Trockenmassegehalt und die Inhaltsstoffe im Erntegut. Diese Informationen stellen für den Landwirt eine wichtige Entscheidungsgrundlage dar. Um die Genauigkeit und die Praxistauglichkeit zu überprüfen, wurde die Sensortechnik an selbstfahrenden Feldhäckslern im Rahmen des Projekts DigiMilch auf neun Praxisbetrieben in ganz Bayern verteilt eingesetzt. Daran beteiligt waren die Hersteller Claas, CNH, John Deere und Krone.
Bei den Untersuchungen stand nicht ein Herstellervergleich im Vordergrund, sondern die Bewertung der Genauigkeit aller am Markt verfügbaren Systeme. Diese wurden sowohl im Grünland als auch bei Silomais und weiterem Ackerfutter wie Kleegras und Luzerne bei unterschiedlichsten Erntebedingungen getestet.
Nicht ohne Gegenwiegen
Über den Auslenkungsgrad der Vorpresswalzen am Einzug des Feldhäckslers erfassen die Systeme den Volumenstrom. Damit korrelieren die Frischmasseerträge. Für eine genaue Ertragsermittlung ist aber eine regelmäßige Kalibration der Volumenstrommessung durch Gegenwiegen einer Fuhre notwendig.
Die Kalibration erfolgt immer zu Erntebeginn und im Optimalfall bei Schlag- und Fruchtartwechseln. Dazu ein Tipp aus dem Projekt DigiMilch: Stehen weder eine Fuhrwerkswaage noch eine dynamische Achslastwaage oder ein Erntewagen mit Wiegeeinrichtung zur Verfügung, so kann das Häckselgut für die Kalibration auch mit einem Futtermischwagen mit Wiegeeinrichtung aufgefangen werden.
Der Trockenmasse (TM)-Gehalt und die Inhaltsstoffe des Ernteguts werden über den Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)-Sensor geschätzt, der am Auswurfkrümmer des Häckslers sitzt. Der Messbereich und die Genauigkeit des NIRS-Sensors sind an die Kalibrierkurven des jeweiligen Herstellers gebunden und dadurch mehr oder weniger limitiert. Es sollte regelmäßig ein Update des NIRS-Systems am Häcksler vonseiten der Hersteller angeboten und vom Lohnunternehmer installiert werden, um eine reibungslose Funktion sicherzustellen.
Gute Werte bei Ertrag und TM
Zur Überprüfung der Frischmasseermittlung wurden an verschiedenen Schnittterminen im Grünland und Feldfutterbau sowie bei der Silomaisernte mehrere Fuhren mit einer dynamischen Achslastwaage verwogen und die Referenzgewichte mit den Daten des Häckslers verglichen. Wie die Grafiken zur Ertragsermittlung der Frischmasse auf der nächsten Seite zeigen, korrelieren die mit dem Ertragsmesssystemen in den Feldhäckslern ermittelten Massen eng mit den per Achslastwaage gewogenen. Die Trendlinien der vier Hersteller (in der Grafik anonymisiert und mit A, B, C und D zufällig gekennzeichnet) weichen nur wenig von der Referenzlinie ab.
Die mit den Ertragsmesssystemen in den Feldhäckslern ermittelten Frischmasseerträge unterscheiden sich wenig von den per dynamischer Achslastwaage gemessenen Referenzwerten.
(Bildquelle: Tovornik)
Aufgrund des homogenen Gutstroms bei der Silomaisernte funktioniert die Frischmassebestimmung im Feldhäcksler tendenziell etwas besser als bei der Grasernte.
(Bildquelle: Tovornik)
Für die Referenzwerte wurden Stichproben getrocknet und die so ermittelten TM-Gehalte den Daten aus den NIRS-Systemen der Häcksler je Fuhre gegenübergestellt.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Genauigkeit der NIRS-Systeme war in Silomais etwas besser als in Gras. Bei extremen Erntebedingungen stoßen die NIRS-Systeme an ihre Grenzen.
(Bildquelle: Tovornik)
Da die Grünlandstandorte sehr unterschiedlich sind, schwanken die Erträge hier enorm. Auch extreme Wetterverhältnisse beeinflussen die Erträge, sodass die Messung des Volumenstroms beispielsweise bei extremer Trockenheit und dementsprechend kleinen Schwadgrößen wegen zu geringer Auslenkung der Vorpresswalzen ungenau wird oder je nach Herstellervorgaben gar nicht erst möglich ist.
Wie die Grafiken zur Trockenmasse (TM)-Bestimmung zeigen, lieferten die NIRS-Systeme auch hier bereits gute Ergebnisse, wobei die Genauigkeit der Systeme in Silomais etwas besser war als in Gras. Allerdings stoßen die NIRS-Sensoren bei sehr hohen oder sehr niedrigen TM-Gehalten, wie sie bei extremen Erntebedingungen vorkommen, an ihre Grenzen. Die Hersteller bemühen sich, die Kalibrierkurven entsprechend zu erweitern. Trotzdem werden die Daten in den Extrembereichen weniger aussagekräftig bleiben.
Inhaltsstoffe mit Potenzial
Je nach Hersteller können zusätzlich verschiedene Inhaltsstoffe vom NIRS-Sensor in Echtzeit geschätzt werden. Der Fahrer kann sie während der Ernte genauso wie die Erntemenge und den TM-Gehalt live auf dem Häckslerterminal verfolgen.
Zur Bewertung der Genauigkeit der Inhaltstoffbestimmung wurden Stichproben aus dem Erntematerial im Labor nasschemisch untersucht. Dazu wurden Proben mit unterschiedlicher Beschaffenheit des Ernteguts von verschiedenen Schlägen und Fruchtarten gezogen.
Bei der Betrachtung der Ergebnisse in den Grafiken zur Inhaltsstoffbestimmung in Gras und Mais aus den Versuchsjahren 2021 und 2022 fallen die unterschiedlich großen Abweichungen zwischen Gras und Mais und zwischen den Parametern innerhalb einer Fruchtart auf. Ein direkter Vergleich der verschiedenen NIRS-Systeme ist nicht zweckmäßig, weil sie nicht die gleichen Parameter ausgeben.
Die NIRS-Systeme in den Feldhäckslern können die Inhaltsstoffe Rohprotein (XP), Rohfaser (XF) bzw. Faserfraktionen (ADF und NDF), Zucker (XZ), Stärke (XS), Rohasche (XA), Rohfett (XL) und Energiegehalt (MJNEL) mehr oder weniger gut schätzen.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Boxen enthalten jeweils 50 Prozent der Werte. Die mittleren prozentualen Abweichungen zum Laborwert liegen überwiegend bei unter 20 Prozent. Schon relativ gut ist die NIRS-Schätzung des Rohfasergehalts (XF) bzw. der Faserfraktionen (ADF und NDF).
(Bildquelle: Tovornik)
Zu beachten ist auch, dass die Inhaltsstoffbestimmung bisher auf Kalibrierkurven mit vergleichsweise geringem Datenumfang basiert. Das ist bei der TM-Bestimmung anders. Außerdem enthält das Erntematerial bei der Schätzung mittels NIRS noch viel Wasser. Dadurch weisen die in geringen Konzentrationen vorliegenden Inhaltsstoffe erwartungsgemäß größere Abweichungen zum Realwert auf als dies bei der TM-Bestimmung der Fall ist. Auch können die Systeme die Gehalte dieser Stoffe teils nur indirekt schätzen.
Deshalb werden die Inhaltsstoffe sowohl größtenteils über- als auch unterschätzt. Die durchschnittliche prozentuale Abweichung zum Laborwert liegt überwiegend bei unter 20 % und daher in einem noch akzeptablen Bereich. Und obwohl die Inhaltsstoffschätzung mittels NIRS noch nicht so genau ist, machen die Parameter Differenzen im Schlag sichtbar. Das kann der Betriebsleiter für Optimierungsmaßnahmen nutzen.
So lassen sich beispielsweise die Rohproteingehalte auf der beernteten Fläche in Ertragskarten darstellen. Sie zeigen dann im Nachgang, wo der Bestand verbessert und die Proteingehalte gesteigert werden müssten.
Schon vergleichsweise gut funktioniert die Schätzung des Rohfasergehalts bzw. der Faserfraktionen im Erntematerial. Diese Parameter sind für die Wahl des richtigen Schnittzeitpunktes und für die Einordnung des Futters hinsichtlich des Faseranteils von Bedeutung.
Schwache Datenverarbeitung
Entscheidend für eine genaue, flächenspezifische Erfassung der Erträge ist die richtige Einstellung des Feldhäckslers. Hier kommt dem Lohnunternehmer eine wichtige Rolle zu. Wird beispielsweise die Arbeitsbreite des Häckslers nicht der Arbeitsbreite des Schwaders gleichgesetzt, werden falsche Durchschnittserträge ausgegeben und nachher im Farm Management Informationssystem (FMIS) nicht passend zur Flächengröße zugeordnet. Den Gesamtertrag pro Schlag betrifft dies nicht. Ebenfalls wichtig ist die Auswahl der richtigen Fruchtart. Denn nur dann ist die richtige Kalibrierkurve des NIRS-Sensors hinterlegt. Zudem lassen die Terminals auf den Häckslern keine intuitive Bedienung zu. Deshalb sollte sich der Fahrer mit den Funktionen des Sensorsystems vorher beschäftigt haben. Eine Schulung und Unterstützung bei den ersten Einsätzen durch einen Fachexperten des Händlers oder des Herstellers vereinfacht es.
Das Projekt DigiMilch
DigiMilch ist eines von 14 Experimentierfeldern in Deutschland. Es beschäftigt sich mit der Digitalisierung in der Wertschöpfungskette Milcherzeugung. In den fünf Teilprojekten Wirtschaftsdüngermanagement, sensorgestützte Ertragsermittlung, Fütterungsmanagement, vernetzte Stalltechnik und tierindividuelle Sensorsysteme werden verschiedene digitale Lösungen und Sensorsysteme auf Praxisbetrieben in ganz Bayern demonstriert und überprüft. Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms Experimentierfelder in der Landwirtschaft.
Eine weitere Herausforderung ist der Datenaustausch zwischen Lohnunternehmer und Landwirt bzw. zwischen Maschine und FMIS. Aktuell werden die Daten am häufigsten über eine PDF-Datei an den Landwirt weitergegeben. Eine Weiterverarbeitung in einem FMIS ist dadurch so gut wie nicht möglich, und die Vorteile der eigentlich digital vorhandenen Datei gehen verloren. Einfacher wäre der Datenaustausch digital über eine herstellereigene Softwarelösung oder über eine sogenannte Datenaustauschplattform mit entsprechender Schnittstelle zum FMIS. Mit dieser Lösung können die Ertragsdaten z. B. in Form einer ISO-XML-Datei in das FMIS des Landwirts geladen und dort weiterverwertet werden.
Aufgrund fehlender Schnittstellen zwischen den Herstellern ist die Weiterverwendung der Daten für nachgehende und teilflächenspezifische Arbeiten derzeit nur bedingt über verschiedene Hersteller hinweg möglich. Herstellereigene Softwareanwendungen haben wegen der einfacheren Konnektivität Vorteile — aber eben nur innerhalb der eigenen Marke. Herstellerspezifisch ist zum Teil auch die Hinterlegung der Werte für die Inhaltsstoffe in einer ISO-XML-Datei. Das begrenzt den Import in das FMIS und damit auch die Nutzung der verfügbaren Daten durch den Landwirt.
Fazit und Ausblick
Es ist zu erwarten, dass die Sensortechnik zukünftig immer mehr auf den landwirtschaftlichen Betrieben genutzt wird. Der Lohnunternehmer steht dabei als Dienstleister im Mittelpunkt, und sein Einsatz muss dementsprechend vergütet werden. Hierbei ist es von Bedeutung, den Landwirten den Mehrwert der sensorgestützten Ertragserfassung am Feldhäcksler näher zu bringen.
Die Untersuchungen unter Praxisbedingungen des Experimentierfeldes DigiMilch haben gezeigt, dass eine genaue Erfassung der betriebsindividuellen Jahreserträge mit Sensorsystemen in Feldhäckslern möglich ist. Sie bieten dem Landwirt eine Entscheidungsgrundlage für zahlreiche Optimierungen im Betriebsmanagement. Der Transfer der Ertragsdaten von der Maschine zum Betrieb stellt aktuell noch die größte Herausforderung dar.