Agromec 700 Vario electric: 205 elektrische Pferde
Der niederländische Fendt-Importeur Agromec hat mit Electric Construction Equipment einen Fendt 700 Vario „elektrifiziert“ — mit Wechselakku im Fronthubwerk.
Wie lässt sich die Energie aus 400 l Diesel für einen emissionsfreien Antrieb ersetzen? Mit dieser Frage beschäftigte sich Mart van der Valk im Auftrag des niederländischen Fendt-Importeurs Agromec und des Bauunternehmens Van Wijlen.
Wasserstoff oder Akku?
Eine Option wäre Wasserstoff. Der ist aber nicht nur teuer und hat eine begrenzte Energiedichte, sondern die erforderliche Brennstoffzelle ist auch teuer.
Die zweite Option wäre eine Batterie im Traktor. Das erwies sich aber ebenfalls als unpraktikabel, da ein Akku, der das Energie-Äquivalent von 400 l Diesel speichern kann, etwa 15 t wiegen würde.
Hier kam dann der Wechsel-Akku im Fronthubwerk ins Spiel. Der Tausch dauert nur Minuten und danach kann die Arbeit weitergehen. Stehen also genug Batterien zur Verfügung, kann man folglich unbegrenzt elektrisch arbeiten. Doch der Reihe nach…
Agromec 700 Vario electric: Fendt 720 Vario als Basis
Als Basis für seinen emissionsfreien Traktor nutzt Agromec den Fendt 720 Vario. Hier wird alles entfernt, was mit Dieselmotor zu tun hat, einschließlich Tanks, Kühler und Auspuff. Eingebaut wird dann ein permanent-magneterregter Danfoss-Synchron-Elektromotor. Mit nur 45 x 65 cm passt der samt Schwingungsdämpfer gut in den Rahmen des Schleppers.
Potenziell kann das 800-Volt-Aggregat mehr als 300 kW/410 PS leisten. Es wurde aber natürlich auf die Leistung des Deutz-Dieselmotors mit rund 150 kW/200 PS abgestimmt, um das unverändert vorhandene Vario-Getriebe nicht zu überfordern. Und den verbleibenden Platz unter der Motorhaube nutzt Agromec zum einen für den Einbau eines Akkupaketes mit 70 kWh. Das stellt den vorübergehenden Einsatz sicher, wenn kein Wechselakku montiert ist. Zum anderen haben die Holländer ein Kühlsystem mit zwei Ventilatoren entwickelt, da die elektrischen Bauteile nicht heißer als 45 °C werden dürfen.
12, 24 und 800 Volt
Stichwort Kühlung: Während es für den Druckluftkompressor einen Antrieb im 800-V-System gibt, musste Agromec beim Klimakompressor auf ein 24-V-System gehen, das im Dach integriert ist. Die Bedienung erfolgt daher nicht über das Fendt-Display, sondern über ein separates Terminal.
Insgesamt gibt es bei dem Traktor folglich auch drei System-Spannungen (12, 24 und 800 Volt) und somit zwei Wechselrichter. Diese sind zusammen mit allen weiteren Komponenten wie Power Distribution Unit (PDU), Sicherungen, Steuerungstechnik und Hauptrelais links unter der Kabine angeordnet, wo sonst Diesel- und AdBlue-Tank sitzen. Aus diesem Grund ist die Treppe etwas steiler, als man es bei Fendt gewohnt ist.
Der Wechselakku für das Fronthubwerk ist der gleiche, den ECE in elektrischen Baumaschinen verwendet. Er ist gut 1 m lang, 1,30 m hoch sowie 1,30 m breit und wiegt stolze 2 t. Dazu gehört dann auch die Kühl- und Heizeinheit auf der Oberseite.
Sie sorgt dafür, dass der Stromspeicher immer im optimalen Temperaturbereich gehalten wird, um seine volle Kapazität von 140 kWh ausschöpfen zu können. Das bedeutet, bei leichten Arbeiten, die sonst rund 8 l/h Diesel verbrauchen, reicht der Stromvorrat für rund 3,5 Stunden. Arbeitet man aber unter Volllast, ist der Akku nach weniger als einer Stunde leer.
Um die Akku-Pakete einfach bewegen zu können, haben sie Staplertaschen und Kranösen sowie die Koppelpunkte der Volvo-Baumaschinen. Entsprechend ist das Fronthubwerk des Schleppers verkürzt und mit einer Volvo-Geräteaufnahme versehen. Nach dem Aufnehmen muss man dann nur noch die elektrische Verbindung mit dem 250-Ampere-Stecker herstellen — fertig!
In der Kabine erkennt man den Unterschied zum „konventionellen“ 700 Vario nur an dem bereits erwähnten separaten Klimaregler im Dach. Außerdem gibt es einen zusätzlichen Bildschirm neben dem Fendt-Display für die Anzeige der Batteriespannung und Temperatur.
Dreht man den Zündschlüssel, ist nur ein leichtes Brummen zu hören. Das ist eine Mischung aus dem Surren der Klimaanlage sowie E-Motor und Vario-Getriebe, das den Schlepper — wie auch beim Diesel üblich — bei etwa 800 U/min im „aktiven Stillstand“ hält. Auch das Anfahren geht genau wie beim Diesel — das Ansprechverhalten des Fahrpedals ist vergleichbar. Erst als es mit dem voll beladenen Muldenkipper den Berg hinaufgeht, fehlt das Geräusch des Dieselmotors. Dem E-Motor ist die Belastung nicht anzumerken — faszinierend!
Faszinierend sind auch die Preise, die Agromec für den emissionsfreien Vario aufruft. Alleine das Akku-Paket für das Fronthubwerk kostet 115 000 Euro. Hinzu kommen rund 500 000 Euro für den umgerüsteten Fendt 720 Vario.
Dann fehlt natürlich noch die Schnellladestation, die laut Agromec das Akkupaket in nur einer Stunde wieder auflädt. Und wer durchgehend arbeiten möchte, braucht noch mindestens einen weiteren Wechselakku. Für Bauunternehmer Van Wijlen scheint sich die Investition aber zu lohnen, er hat bereits den zweiten 700 Vario electric bekommen. Und laut Coen Loeffen, Produktmanager bei Agromec, plant man, nach sieben Maschinen in 2022 für 2023 sogar 15 bis 18 Traktoren umzurüsten. Das wären 10 % aller von Agromec in den Niederlanden verkauften Fendt-Traktoren.