Einsatzbericht: Gea DairyRobot R9500 Edition 2021: Details mit großer Wirkung
Mit der Edition 2021 stellt Gea ein Update seines automatischen Melksystems DairyRobot R9500 vor. Erfahren Sie hier, welche Verbesserungen damit verbunden sind.
Auf den ersten Blick sieht die Edition 2021 des DairyRobot R9500 so aus wie sein Vorgänger. Einzig die „Nase“ an der Edelstahlverkleidung verrät das Update. Sie steht für die vielen Änderungen unter der Haube, die Gea für eine höhere Effizienz unternahm.
So ist mit der Edition 2021 der Tierwechsel um ganze 26 Sekunden beschleunigt — macht bei 60 Kühen einen Zeitgewinn von über einer Stunde täglich. Im Fokus der Verbesserungen stand auch die Reduzierung der Wartungs- und Reparaturkosten. So müssen bestimmte Dichtungen nur noch alle sechs anstatt bislang alle drei Monate gewechselt werden. Doch der Reihe nach.
Das Besondere am automatischen Melksystem von Gea ist bekanntermaßen das sogenannte In-Liner-Everything-Prinzip. Heißt: Nach dem Eintreten der Kuh in die Melkbox wird nicht Zitze für Zitze gereinigt. Stattdessen werden sofort alle Melkbecher angehangen, und zugleich alle Zitzen mit warmem Wasser von anhaftendem Schmutz gereinigt, stimuliert und vorgemolken.
Folglich sind mit dem In-Liner-Everything-Prinzip die Bewegungen unterm Euter auf ein Minimum reduziert — was Energie und Zeit spart und die Verschleppung von Krankheiten von Zitze zu Zitze reduziert. Nach der viertelgenauen Prüfung des Vorgemelks auf Farbveränderungen durch Blut, Überprüfung von Milchfluss, -menge, -temperatur und Leitwert sowie einer Online-Messung auf den Zellzahlgehalt (Option) erfolgt beim Gea R9500 ein nahtloser Übergang zum eigentlichen Melkvorgang.
Dieser findet seinen Abschluss mit einem Dippen der Zitzen — was wiederum ebenfalls im Melkbecher stattfindet. Neu ist ein auf Milchsäure basierendes und für Biobetriebe zugelassenes Dippmittel, das bereits beim Dippen eine Zwischendesinfektion der Melkbecher erlaubt.
Bislang setzte Gea konsequent auf Peressigsäure zur Melkzeug-Zwischendesinfektion. Darauf kann nun verzichtet werden. Neu ist, dass die Melkbecher nach ihrer Abnahme gleichzeitig von außen und von innen gereinigt werden. Das Reinigen der Kamera erfolgt (mit verbesserter Düse) nun ebenfalls zeitsparend parallel dazu.
Was sich lapidar anhört, summiert sich im Laufe eines Tages. Konkret gibt Gea die hiermit verbundene Zeitersparnis mit 26 Sekunden je Melkvorgang an. Macht bei 60 Kühen je Roboter und durchschnittlich 2,7 Melkungen täglich bei einem Milchfluss von 2 l/min eine Ersparnis von 70 Minuten am Tag.
Bei 7,5 Minuten Melkzeit je Tier sind so täglich fast zehn Melkungen mehr möglich. In unserem Beispiel könnte die Zahl der Melkenden je Melksystem rechnerisch von 60 auf fast 64 Tiere erhöht werden.
Das sogenannte MilkRack verbleibt wie gehabt während des Melkens passiv unterm Euter. Melkbecher können so nicht auf den Boden fallen und folglich keinen Dreck ansaugen. Und durch die gleichmäßige Belastung der Melkbecher sind im Idealfall alle Euterviertel zügig und gleichmäßig leer gemolken.
Das Design des Racks wurde insoweit verbessert, als dass es Schmutz weniger Ablagefläche bietet und sich folglich einfacher reinigen lässt. Neu ist auch die Seilführung. Sie soll unplanmäßige Reparaturen reduzieren, zugleich verspricht sich Gea damit eine Verlängerung des Serviceintervalls.
Treu geblieben ist sich Gea in Sachen Zugang zum Euter über eine Grube. Tatsächlich gibt es reichlich Praktiker, die zum Anlernen von Färsen, für Euterbehandlungen und fürs Trockenstellen eine Grube nicht missen möchten. Erwähnenswert ist hier der 2020 eingeführte Zementkit. Er erleichtert mit festgelegten Maßen die Montage von Leerrohren und Abflüssen und vermeidet Fehler beim Bau des Plateaus für die Melkbox.
Für eine beschleunigte, einfachere Fehlersuche kommen nun bei den Leitungen für Wasser, Dippmittel und Druckluft unterschiedliche Farben zum Einsatz.
(Bildquelle: Tovornik)
Die Edition 2021 besitzt zum Säubern der Kamera am MilkRack eine verbesserte Düse.
(Bildquelle: Tovornik)
Für eine schnellere Wartung und verlängerte Serviceintervalle wurde das Melktechnikmodul gründlich überarbeitet.
(Bildquelle: Tovornik)
Neuer Abtrennmodus
Der Einfluss des Managements auf die Wirtschaftlichkeit eines Melkroboters ist groß. So erfolgt das Melken von Kannenkühen im konventionellen Melkstand quasi nebenbei und zum Melkende. Bei einem automatischen Melksystem wird der Betrieb durch das Einlegen einer Zwischen- oder Hauptreinigung für längere Zeit unterbrochen. Dabei geht nicht nur wertvolle Zeit verloren, sondern es werden auch Wasser, elektrische Energie und Chemie verbraucht.
Zwar sind drei Hauptreinigungen am Tag seitens der Hersteller mit Blick auf die Milchhygieneverordnung ohnehin vorgeschrieben. Wenn aber öfters am Tag ein in Behandlung befindliches Tier zum Melken kommt, steigen die Kosten. Vor allem geht viel Zeit fürs Melken der gesunden Tiere verloren.
Um Zeit und Kosten zu sparen, führt Gea mit der Edition 2021 den sogenannten Abtrennmodus ein. Kalbekühe oder Tiere in Behandlung werden hier per Knopfdruck zu einer Gruppe selektiert und dann nacheinander gemolken. Im Anschluss daran startet unmittelbar eine Systemspülung oder gar eine Boxenreinigung — denn eine Desinfektion des Melkbechers allein ist bei Tieren in Behandlung nicht ausreichend.
Die gute Nachricht: Der DairyRobot R9500 ist so aufgebaut, dass — nach vorheriger Eingabe durch den Landwirt — das Gemelk bei Tieren in Behandlung über einen eigenen Milchabscheider geleitet und dieses über die Dumpline der Gülle zugeführt wird. Die Milch von Kalbekühen sowie die als nicht verkehrsfähig deklarierte Milch, z. B. aufgrund von Blutbeimengungen im Vorgemelk, fließt ebenfalls über den zweiten Milchabscheider. Sofern die Milch für die Kälber verwendet werden soll, pumpt das System das Gemelk in einen extra Behälter.
Die Abtrennung der Milch unmittelbar hinter dem Melkbecher erlaubt bei Verwendung von ölbasierten Antibiotika, dass nur die betreffende Box mit 80 °C heißem Wasser und Chemie zu reinigen ist, so Gea. Die Dauer dieser Boxenreinigung mit Reinigungsmittel gibt der Hersteller mit 5 Minuten an. Zum Vergleich: Eine Hauptreinigung dauert beim DairyRobot R9500 ca. 23 Minuten. Macht eine Ersparnis von gut 15 Minuten je Tier. Übers Jahr gesehen kommt da ein ganz schönes Sümmchen zusammen.
Ordentlich Hand angelegt hat Gea bei der Technik selbst. Ziele der Maßnahmen sind weniger laufende Kosten durch einen verminderten Wartungs- und Serviceaufwand. Beispiele hierfür sind:
Die Leitungen für Luft, Wasser, Dipp- und Reinigungsmittel sind jetzt alle in einer eigenen Farbe gehalten. Bei einem Fehler findet der Monteur so leichter die Leitung, die zu reparieren ist.
Das sogenannte Melktechnikmodul wurde für eine einfachere und damit schnellere Wartung umgebaut.
Die Dichtungen am Ventilblock (vergleichbar mit dem Milchsammelstück) sind jetzt nur noch alle sechs, anstatt alle drei Monate zu tauschen.
Laut Gea führt der mit den Verbesserungen mögliche, verlängerte Serviceintervall zu einer 20-prozentigen Reduzierung der Wartungskosten.
Für eine bessere Zugänglichkeit verlangt das neue Melktechnikmodul etwas mehr Platz. Deshalb sind Systeme der Edition 2021 gut an einer Nase in der Edelstahlverkleidung des Melktechnikmoduls zu erkennen.
Die Service-Unit (SU), welche unter anderem die Technik zur Anlagenreinigung beherbergt, kann vier anstatt bislang nur drei Melksysteme bedienen.
Die Montage der Service-Unit ist jetzt örtlich flexibler möglich. Es wird ein Mindestabstand zur Anlage empfohlen.
Sofern Peressigsäure zum Einsatz kommt, ist die Technik hierfür getrennt von der Service-Unit aufzustellen.
Für alle Maschinen vom Typ Monobox, DairyRobot R9500 und DairyProQ gibt es die Möglichkeit zum Update auf die Edition 2021, so Gea.
Wir halten fest
Gea unterzog sein Melksystem DairyRobot R9500 mit der „Edition 2021“ einem auf den ersten Blick unscheinbares Update. Die damit verbundenen Effekte sind jedoch erheblich. So ist nicht nur der Melkprozess optimiert, auch Funktionen wie das Sammeln von Tieren oder die neue Systemreinigung machen eine um bis zu 10 % höhere Melkkapazität möglich.
Auf der Kostenseite positiv zu spüren sein werden die um bis zu 20 % reduzierten Wartungs- und Servicekosten. Und wer auf den Einsatz von Peressigsäure verzichten möchte, hat mit der Edition 2021 ebenfalls erstmals Gelegenheit dazu.
Familie Gaelings aus Kerken konnte 2021 einen Milchviehstall hinzupachten. Zur Bewältigung der Mehrarbeit investierte sie in zwei DairyRobot R9500 in der Edition 2021 von Gea.
Was tun, wenn der Milchviehbetrieb für zwei Familien zu klein, ein Neubau aber nicht möglich ist? — Vor dieser Frage stand die Familie von Thomas Gaelings (24). Nach einem Aufenthalt in Neuseeland und 1,5 Jahren auf einem 600er Milchviehbetrieb horchte der Agrarbetriebswirt auf, als 2 km vom Haus entfernt ein Milchviehbetrieb mit 85 Liegeboxen zur Pacht angeboten wurde. Nach der Einigung mit dem Verpächter fiel der Beschluss, dass der eigene Stall mit 60 Liegeboxen unter der Obhut von Petra und Helmut Gaelings nur noch die Kalbekühe und die Kühe in Behandlung beherbergen soll. Am neuen Standort wird dagegen für mehr Flexibilität und für mehr Zeit zum Betreuen der Herde der 2x6er FGM durch zwei Melkroboter ersetzt.
Pragmatische Entscheidung
Bei der Wahl des Fabrikats standen sich die Gaelings nicht selbst im Weg: „Wir wollten wieder eine Melkergrube, da wir wie beim Trockenstellen nicht auf Knien oder in gebückter Haltung arbeiten möchten. Und wir wollten mit unserem Händler weitermachen — so fiel die Wahl auf Gea“, begründet Thomas Gaelings die Entscheidung. Auf dem Kaufvertrag stand auch die Ausstattung mit der Zellzahlmessung DairyMilk M6850, die Tierselektion Guided Exit, die Tierpositionshilfe CowScout und das Herdenmanagementprogramm DairyNet. Der empfohlene Listenpreis: 280 000 Euro inklusive Montage (ohne MwSt., ohne 8 000-l-Milchtank).
Die Melkboxen für demnächst 105 Melkende stehen auf dem alten Melkstandpodest. Dieses wurde zum Teil abgebrochen und mit dem Gea-Zementkit neu aufgebaut. Fünf Wochen dauerte der Umbau. Die 70 Tiere wurden auf den verbliebenen sechs Plätzen der rechten Melkstandseite gemolken. „Das waren schon recht lange Tage“, erinnert sich Helmut Gaelings an die Doppelbelastung.
Die zwei neuen DairyRobot R9500 in der Edition 2021 fügen sich gut in das Altgebäude mit umgebautem Fischgrätenmelkstand ein.
(Bildquelle: Tovornik)
Thomas Gaelings: „Mir gefällt, wie schnell man mit DairyNet und CowScout klarkommt.“
(Bildquelle: Tovornik)
Glückliche Gesichter
Vier Monate nach Abschluss der Umbauarbeiten melken Gaelings 98 Kühe am neuen Standort. Und wir gucken in rundum zufriedene Gesichter: „Wir haben wohl alles richtig gemacht!“, fasst Thomas Gaelings im Gespräch mit profi die erste Zeit zusammen. „Klar, bis die älteren Kühe den neuen Ablauf verstanden haben, vergingen ein paar Tage. Aktuell müssen wir zwölf Kühe zweimal täglich zum Melken holen“, erklärt er hierzu.
„DairyNet hat ebenfalls ein paar Stunden Einarbeitungszeit gekostet. Aber ich bin überrascht, wie schnell man reinkommt und wie viel mir das Herdenmanagement-Programm im Alltag bringt“, so Gaelings.
Das gleiche gilt für die Auswertung der Leitfähigkeit sowie für die Online-Zellzahlmessung: „Kühe mit Euterproblemen erkenne ich nun oft schon so früh, dass es mit ein oder zwei Mal Einreiben getan ist“, verrät er uns. Ein Blick in die Auswertung der Zellzahlmessung bestätigt seine Aussage: Binnen vier Monaten fiel die Zahl somatischer Zellen von 300 000 auf heute 150 000 — Tendenz weiter deutlich fallend.
Gestiegen ist hingegen die Milchleistung: von anfangs 20 l/Tier/Tag auf jetzt durchschnittlich 28 l. „Wir sind noch nicht da, wo wir herkommen — aber wir sind auf gutem Wege“, kommentiert Gaelings mit einem Zwinkern die aktuellen Leistungsdaten.
Ein Blick aufs Handy genügt, um zu sehen, wo die gesuchten Tiere stehen. Die Daten kommen vom CowScout.
(Bildquelle: Tovornik)
Das Gea GuidedExit erlaubt die Selektion von Tieren nach dem Melken.
(Bildquelle: Tovornik)
Das Tierortungssystem CowScout basiert auf Antennen, die im Abstand von 15 m über den Stall verteilt installiert sind.
(Bildquelle: Tovornik)
„Nie wieder ohne Tierortung“
Gaelings praktizieren den freien Kuhverkehr. Die Kühe können so nach Belieben zum Melken oder zum Fressen kommen. Um einzelne Kühe für eine Vorstellung beim Tierarzt nicht holen zu müssen, gibt es die Gea-Tierselektion Guided Exit.
Unabhängig davon holt Thomas Gaelings wie erwähnt aktuell zwölf Tiere zum Melken. Bei drei Altgebäuden keine leichte Aufgabe. Entsprechend froh ist er über das Tierortungssystems CowScout. „Wir würden uns einen Wolf suchen! Jetzt aber reicht mir ein Blick aufs Handy, um zu sehen, wo die gesuchte Kuh aktuell steht“, zeigt sich Gaelings froh über die Erleichterung.
Dass er die zwölf Tiere immer noch handschriftlich aus dem DairyNet-Programm übernehmen muss, trägt er mit Fassung: „Es stört mich eigentlich nicht. Aber es soll ja irgendwann eine Kopplung von CowScout und DairyNet geben — dann hat sich auch das erledigt“, gibt sich Thomas Gaelings an dieser Stelle einmal mehr optimistisch.