Start-/Stopp-Einrichtung: Tausende Betriebsstunden gespart!
Ja, ich gebe zu, im Auto nervt mich das ständige „Aus“ und „An“ auch so manches Mal — an jeder Ausfahrt oder Kreuzung und vor jeder Ampel geht der Motor aus, um nur Sekunden später durch den Tritt auf das Gaspedal wiederbelebt zu werden — was für ein Unsinn!
Von 100 auf 0
Genauso klappen sich einem jedes Mal die Fußnägel hoch, wenn man mit 200 km/h von der Autobahn kommt und schon beim kurzen Halt an der Abfahrt der Motor ausgeht — kaum vorstellbar, dass das Turbolader & Co. wirklich nicht schadet.
Nichtsdestotrotz bin ich Befürworter eines Start-/Stopp-Systems auch in Traktoren, Teleskop- und Radladern etc. Warum ich — trotz der schlechten Erfahrungen aus dem Pkw-Bereich — ein so vehementer Verfechter dieses Systems bin?
Es geht nicht nur um den Umweltschutz. Es ist bares Geld, das die Start-/Stopp-Einrichtungen sparen können!
Hubert Wilmer
Über 20 % Leerlauf
Die Antwort haben mir gleich zwei der größten Landtechnikkonzerne weltweit geliefert: Zusammen haben sie nach eigenen Angaben per Telemetrie mittlerweile Zugriff auf die CAN-Bus-Daten von mehreren 100.000 Traktoren weltweit. Und die Auswertung dieser Zahlen zeigt, dass im Durchschnitt jeder einzelne dieser Schlepper deutlich mehr als 20 % seiner gesamten Einsatzzeit im Standgas läuft!
Das müssen Sie sich mal vorstellen: Wenn Ihr Schlepper 1.000 Betriebsstunden im Jahr auf dem Zähler hat, steht er davon über 200 Stunden im Standgas irgendwo herum und macht — nichts! Außer natürlich Diesel zu verbrennen und die Zeit bis zur nächsten Wartung zu verkürzen. Genau das ist der entscheidende Punkt: Die rund 2,5 l Sprit pro Stunde mag ja vielleicht der ein oder andere noch nicht als so tragisch ansehen (wobei das auch mindestens 600 Euro pro Jahr sind).
Aber richtig ins Geld geht es bei den Betriebsstunden: Hier kommen (z. B. bei einem 150-PS-Schlepper) schnell noch einmal mindestens 15 Euro pro Stunde hinzu. Bei 200 Stunden „Leerlauf“ reden wir (samt Dieselverbrauch) folglich über sage und schreibe 3.500 Euro pro Jahr!
3.500 Euro pro Jahr
Natürlich kann man diese Zahl jetzt noch etwas „schönrechnen“, da es natürlich Situationen gibt, wo das Laufen im Standgas durchaus Sinn machen kann (Motor noch kalt, Druckluft aufpumpen etc.). Aber genau hier ist der Punkt, wo eine intelligente Start-/Stopp-Einrichtung ansetzen muss. Das heißt, erst wenn der Schlepper ein paar Minuten sicher steht, keine Verbraucher wie Hydraulik und/oder Zapfwelle im Einsatz sind, sollte der Motor stoppen.
JCB als großer Baumischenhersteller hat so eine Lösung beim Fastrac bereits umgesetzt — und wir waren seinerzeit beim Test überrascht, wie oft der Engländer auf dem Hof in den „Schlafmodus“ ging. Uns hat es nicht einmal gestört, im Gegenteil: Es macht auch ein gutes Gefühl, wenn man nicht nur Diesel spart, sondern auch die Betriebsstunden nicht weiterlaufen.
Konsequenterweise fehlt in dem Spiel noch eine Heizung/Klimaanlage, die ohne laufenden Motor — zumindest eine Weile — funktioniert. Dann stünde dem Motorstopp auch in der Warteschlange im kalten Frühjahr mit dem Güllezubringer oder im Hochsommer beim Körnertransport nichts mehr im Wege.
Start-/Stopp-EINRICHTUNG: Eine riskante Innovation mit fraglichem Nutzen
Die halbe Zeit des Lebens wartet der Mensch vergebens — vor der Ampel — oder am Vorgewende, bis der Mähdrescher zum Abtanken eintrifft. Angesichts solcher Leerläufe mag die Einführung einer Start-Stopp-Automatik bei Landmaschinen sinnvoll erscheinen. Doch bei näherer Betrachtung überwiegen für mich die Nachteile und Risiken.
Schon genug Probleme
Beim Auto hat die Start-Stopp-Technologie zu vielen neuen Probleme geführt. Angefangen vom Anlasser bis hin zum Zweimassenschwungrad müssen heute wieder viel mehr Teile getauscht werden als früher. Der Ruf nach Einführung der Automatik bei Landmaschinen lässt hier vermuten, dass wir nichts hinzugelernt haben.
Hinzu kommt: Wir sprechen hier von hoch aufgeladenen Motoren mit 4,5 l Hubraum und mehr. Beim Start dieser Aggregate wirken jedes Mal massive, verschleißfördernde Kräfte ein.
Garantiert bemerkbar machen wird sich die Start-Stopp-Automatik vor allem bei unseren Systemen zur Abgasreinigung. Schließlich sind jetzt schon die SCR-Systeme nicht nur teuer in der Anschaffung, sondern auch überaus reparaturanfällig. Wenn wir nun die Prozesse der Abgasreinigung zusätzlich unterbrechen, werden sich die Probleme gewiss potenzieren.
Gefahr für Leib und Leben
Die größten Sorgen aber bereitet mir eine Start-Stopp-Automatik bei Landmaschinen aufgrund eines höheren Unfallrisikos. Stellen Sie sich Folgendes vor: Ihr Fahrer hört beim Dreschen ein Geräusch, kann aber beim Gang um die Maschine nichts finden. Als der Motor ausgeht, öffnet er die Seitenklappe und tastet mit der Hand nach einer heißen Stelle. Genau in diesem Moment springt der Motor an, und das hohe Anlaufmoment nimmt die Kette mit, dessen Lagerbock der Fahrer gerade prüft...
Wenn wir wieder sofort nach dem Motorstart loslegen könnten, wäre allen mehr geholfen.
Martin Zäh
Oder: Ihr Lehrling baut den Düngerstreuer an. Als er nach der Gelenkwelle sucht, geht der Schlepper aus. Als er zurückkommt und zwischen Anbaugerät und Maschine steht, springt der Motor wieder an. Aufgrund eines Ölverlusts regelt die Hydraulik kurz nach, während der Lehrling zwischen den Maschinen steht...
Die fingierten Beispiele zeigen, dass mit einer Start-Stopp-Automatik das Risiko zu verunglücken steigt. Gewiss, eine Automatik kann man auch per Knopfdruck deaktivieren. Aber Hand aufs Herz: Wer mag garantieren, dass es nie vergessen wird?
Es gäbe eine einfache Lösung
Sommertags heizen sich bei abgeschalteter Klimaanlage unsere modernen Kabinen binnen Minuten bis zum Unerträglichen auf. Wenn heute der Motor einer Landmaschine im Stand läuft, ist der Betrieb der Klimaanlage gewiss ein Grund dafür.
Der zweite Grund hat mit dem Drumherum des Starts zu tun. Denn heute kann man nach Anlassen des Motors noch lange nicht losfahren, geschweige denn arbeiten. Stattdessen blinkt und piept es ewige Zeiten lang, während man als Fahrer gut zu tun hat, sämtliche Fehlermeldungen und Einstellungen zu quittieren.
Der Umwelt, dem Geldbeutel und vor allem der Sicherheit des Fahrers wären gewiss mehr gedient, wenn unsere Maschinen wieder binnen Sekunden nach Motorstart voll einsatzfähig wären. Ich bin mir sicher, dass dieses Ziel einfacher umzusetzen wäre wie die Einführung der — aus meiner Sicht — viel zu tückischen Start-Stopp-Automatik.