Nexat Wide-Span Trägerfahrzeug: Ein Traum für den großen Raum?
Kalverkamp überraschte mit dem Trägerfahrzeug Nexat zur Agritechnica 2019. Jetzt konnten wir das Gerät bei der Gülleausbringung und beim Pflanzenschutz beobachten.
Groß ist er, der Nexat. Doch Größe ist bekanntlich nicht alles. Was steckt hinter dem System? Welches Kundenklientel interessiert sich für das System Nexat (Next Generation Agriculture Technology)? Mit über
14 m Spurbreite, 1.100 PS und Trimble RTK Lenksystem liegt der Fokus klar auf den großen Ackerbaubetrieben weltweit. Und so vertreibt das junge Unternehmen Nexat nicht nur die Technik, sondern sieht im Wide-Span-CTF-Verfahren den Schlüssel für Nachhaltigkeit, Bodenfruchtbarkeit, Wasserverfügbarkeit und den effizienten Einsatz von Betriebsmitteln.
Nicht nur in Deutschland, erste Serienmaschinen laufen auch in der Ukraine, im mittleren Westen der USA und in Brasilien. Auch Australien sei ein prädestinierter Markt für dieses Verfahren. Noch in diesem Jahr sollen 12 Trägerfahrzeuge das Werk verlassen.
Nexat-fähiger Acker
Doch bevor der Nexat anrollt, werden die Betriebsparzellen zunächst „nexafiziert“. Dahinter steckt eine optimale Spurverwaltung für die jeweiligen Flächen. So werden einmalig Spuren vorgezeichnet, Vorgewende geplant und Routen bei etwaigen Hindernissen eingezeichnet.
Dazu gehört auch die Planung der Anfahrt, denn auf der Straße fühlt sich der Nexat nicht wohl. Mit über 20 m Länge sind enge Einfahrten und Gassen nur schwierig passierbar. Die Joysticklenkung bei 25 km/h ist dabei noch händelbar. In anderen Teilen der Erde werden die Abmessungen hingegen kaum eine Rolle spielen.
Während der Fahrer vor Freude tanzt den Acker erreicht zu haben, tanzt der Nexat in die Arbeitsstellung. So bezeichnen die Ingenieure bei Nexat das Schwenken der Räder um 90°, um den Systemträger von der Transport- in die Arbeitsstellung zu bringen. Zunächst dreht ein Räderpaar bei langsamer Vor- oder Zurückfahrt um 90°. Das Ganze funktioniert alternativ auch mit einem Stützfuß. Mit dem hydraulischen Fahrwerk mit mehr als 80 cm Hubweg heben sich die Räder dann an und schwenken um 90° in die Arbeitsposition.
Die Räder werden entweder durch langsames Vor- oder Zurückfahren um 90° geschwenkt...
(Bildquelle: Velderman)
...oder per Stützfuß angehoben und dann geschwenkt — Nexat nennt das „tanzen“.
(Bildquelle: Velderman)
Mit fast 22 m Länge und 3,5 m Breite ist der Koloss auf dem Acker und nicht auf der Straße zu Hause.
(Bildquelle: Velderman)
Modulwechsel in kurzer Zeit
Nexat wirbt mit einem universellen Geräteträger. Ein schneller Wechsel der Werkzeuge ist dabei unabdingbar, damit zum einen die Auslastung des Systemträgers passt und zum anderen die Schlagkraft für den Betrieb gegeben ist. Auf den Flächen des Agrarunternehmens Barnstädt ist der Nexat seit zwei Jahren im Einsatz. Zunächst ein Fahrzeug der zweiten Generation, das mittlerweile um einen Systemträger der dritten Generation ergänzt wurde. Zusammen bewirtschaften beide aktuell knapp 2.000 ha Marktfruchtfläche. Zukünftig soll das nur ein Modulträger schaffen. Also Bodenbearbeitung, Aussaat, Düngung,s Pflanzenschutz und natürlich auch die Ernte — ein ehrgeiziges Ziel.
Der U-förmige Systemträger besitzt einen zentralen Anbauraum, in dem mit einem Hakensystem Geräte ähnlich wie bei einem Frontladerwerkzeug aufgenommen und verriegelt werden. Hydraulik und Elektrik werden über Multikuppler verbunden.
Das Tankmodul für Saatgut und auch das Güllemodul besitzen gleiche Koppelhaken ähnlich Unterlenkern mit Kat. IV-Haken, an denen dann wahlweise Ausbringtechnik, eine Säschiene oder Bodenbearbeitungsgeräte eingehängt werden. Auch die Kombination der Werkzeuge ist möglich. Die Unterlenker heben dabei im Parallelogramm aus. Der Modulwechsel ist einfach, wenn Rangierfläche für den Systemschlepper vorhanden ist.
Zusätzlich kann der Fahrer die Arbeitshöhe über das Fahrwerk justieren. Beim Einsatz mit der Pflanzenschutzspritze wären Durchgangshöhen von 2 m realisierbar, wenngleich der Radstand im Feldmodus dann kleiner wird.
Für den mechanischen Antrieb der Module (z. B. das Druschmodul Nexco oder das Hydrauliksystem von Wienhoff) dienen zwei Powerbänder, die jeweils an einem der Liebherr Motoren gekuppelt werden können. Sie werden hydraulisch ge- und entspannt.
Zentrale Aufnahmepunkte erleichtern den Modulwechsel. Dieser dauert laut Fahrer etwa eine halbe Stunde.
(Bildquelle: Velderman)
Jeder Motor hat zudem eine Riemenscheibe zur mechanischen Kraftübertragung wie hier für die Hydraulik des Gülletanks.
(Bildquelle: Bensing)
Stur die gleiche Spur
Zurück zur Arbeit: Die zwei quer im Rahmen aufgebauten Liebherr Motoren leisten je bis zu 550 PS und übertragen die Kraft auf ein Verteilergetriebe, das sowohl die Generatoren für die Elektromotoren als auch die Hydraulikpumpen mit jeweils 260 l/min Leistung versorgt. Links und rechts des Rahmens sind die Kühlerpakete angebracht, die die Luft von außen in den Rahmen drücken. Dafür ist neben einem rotierenden Sieb ein Trichter mit Absaugung angebracht, damit die Kühler sicher arbeiten. Denn der Systemträger ist aufgrund seiner Bauform immer nah am Geschehen. Was für die Kühlung ein Nachteil darstellen kann, ist für die Werkzeugführung der Vorteil überhaupt. Die Werkzeuge werden getragen und optimal geführt. Neben der Werkzeugentlastung bringt der Systemträger genügend Gewicht für einen sicheren Einzug der Geräte mit, falls gefordert. Beim Einsatz mit dem Gülleaufbau von Wienhoff und unten angebrachter Scheibenegge von Väderstad thront der Fahrer — Nexat nennt ihn „Überwacher“ — in 5 m Höhe und steuert den Koloss millimetergenau in Richtung Tülle des Zubringers. Die Abstimmung von Software und Antriebsmotoren ist dem jungen Team gelungen. Die elektrischen Radmotoren mit jeweils 160 KW Leistung werden für mehr Drehmoment zusätzlich untersetzt.
Die zwei Motoren von Liebherr sind quer im Rahmen des Nexat eingebaut.
(Bildquelle: Bensing)
Die jeweils 160 kW Elektromotoren sind als Radmotoren klein konstruiert. Die Werkzeuge werden vom Systemträger getragen, was einen hohen Komfort für die Einstellung bedeutet und die Arbeitsqualität begünstigt.
(Bildquelle: Velderman)
Immer ein Selbstfahrer
In weniger als drei Minuten hat die 12 m³/min fördernde Pumpe den Zubringer am Feldrand leergepumpt, der Nexat dockt wieder ab und steuert die nächste Spur an, die auf dem hochformatigen 22-Zoll-Terminal angezeigt wird. Dem Walken der Reifen kann der Praktiker die hohen Radbelastungen ansehen. Auch wenn man uns das genaue Gewicht nicht verraten wollte, rechnen wir mit etwa 70 t, die das Gespann voll auf die Waage bringt. Das Gewicht ist aber insofern zu vernachlässigen, wenn das CTF-Konzept mit dem „Deckenkran für den Acker“ konsequent umgesetzt wird.
Die festen Bahnen auf dem Acker sind verdichtet, was im Frühjahr ein Vorteil sein kann, weil diese Spuren früher befahrbar sind als neu angelegte Fahrgassen. Allerdings bleiben 5 % des Ackers ungeerntet. Ob die 95 % nicht befahrene Fläche den Nachteil kompensieren kann, analysieren aktuell die Systempartner der Fachhochschule Osnabrück und der Uni Bremen. Selbst wenn die Fahrspuren mit gedrillt werden können: Die Pflanzen werden es in den festen Spuren schwer haben.
Herausgekommen sei aber bereits, dass der Dieselverbrauch je Hektar im Vergleich zum Schlepper mit Anbaugerät sinkt. Und künftig will Nexat auch Werkzeuge implementieren, die die Spuren bearbeiten und sogar höher anhäufeln sollen.
Bei einer Arbeitstiefe von etwa 10 cm mit der Väderstad-Kurzscheibenegge und einer Ausbringmenge von 35 m³ Gülle pro Hektar ist der Nexat bei 14 m Arbeitsbreite bis zu 14 km/h schnell. Gewöhnungsbedürftig ist der Blick von schräg oben auf das Geschehen. Zwar kann der Fahrer die Kabine hydraulisch sogar hinter das Fahrzeug schwenken, um das Arbeitsergebnis zu überprüfen. Dennoch ist die Sicht auf das 14 m entfernte Ende der Maschine eine Herausforderung. Übrigens: Der Nexat wird mit jedem Modul quasi zum Selbstfahrer und kann auch einfach rückwärts manövriert werden.
Die Schlagkraft des Systems ist beeindruckend — wenn die Gegebenheiten passen: Bei unserem Einsatz war der Nexat auf einem Schlag von etwa 20 ha unterwegs, der auch noch dreieckig zugeschnitten war. Hier kommt der Gigant trotz seiner automatischen Wendemanöver am Vorgewende nicht auf die Leistung, die auf Schlägen jenseits der 50 ha Marke einzufahren sind — das ist klar. Das Gegenteil präsentierte uns dann die zweite Maschine.
Nexat hebt die Vorteile des nicht befahrenen Ackers hervor. Die Spuren im Acker sind jederzeit befahrbar — aber auch verdichtet.
(Bildquelle: Velderman)
(Bildquelle: Velderman)
Nexat Wide-Span Trägerfahrzeug: 18 m³; 56 m Gestänge
Auf einer 50 ha großen Weizenparzelle unweit des Gülleausbringers arbeitet der Nexat der zweiten Generation gerade mit der Dammann-Spritze. Mit einem Brühevolumen von 18 m³ und einer Gestängebreite von 56 m wird die Leistung des Fahrzeugs deutlich. Dank der großen Spurweite ist das Gestänge in der Front nicht an einem zentralen Pendel, sondern mit stabilen Armen befestigt. Die Ausleger tasten den Boden per Ultraschall ab und passen automatisch die Höhe an. An einer weicheren Gestängeführung arbeiten die Ingenieure von Dammann und Nexat noch.
Apropos Partner: Generell ist der Systemträger für alle Hersteller frei. Die Koppelpunkte seien genormt und so könne jeder Hersteller Werkzeuge für den Nexat bauen. Aktuell sind das unter anderem Dammann, Väderstad, Wienhoff und auch Geringhoff. Alle Auf- und Anbaugeräte verfügen über die neueste Technik, die Smart Farming aktuell hergibt (Section-Control, Variable Rate und natürlich ISO-Bus).
Mit welcher Überzeugung und Elan die Niedersachsen das Projekt Wide-Span-CTF vorantreiben, erkennen wir, als wir die 28 m breite Rollhacke entdecken. Weitere Module sollen folgen. Im Gespräch sind z. B. Direktsaatmodule und Grubber.
Da stellt sich abschließend die Frage: Wer bezahlt dieses Mammutprojekt? Hier schweigen die Kalverkamps, erwähnen aber, dass das Land Niedersachsen einen zweistelligen Millionenbetrag als Landesbürgschaft investiert hat. Weitere Investoren seien überdem beteiligt, wie Felix und Klemens Kalverkamp selbst auch. Was der Nexat kostet? Ebenfalls Schweigen. Sicher ist, dass so ein Trägerfahrzeug höchste sechsstellige Summen kosten wird — ohne ein Werkzeug. Das Risiko, in ein System zu investieren, das keine andere Werkzeugnutzung mit herkömmlichen Schleppern zulässt, kommt hinzu.
Eine derartige Erfindung hat es in der Landtechnikwelt seit geraumer Zeit nicht mehr gegeben. Und hier kann man dem jungen Nexat-Team nur gratulieren und wünschen, dass das System in den großen Ackerbauregionen dieser Erde Fuß fassen wird. Die Pläne sind ehrgeizig: Es soll einen Nexat mit nur einem Motor für leichtere Arbeiten geben, zudem denken die Kalverkamps über einen kleineren Systemträger mit 9 m Arbeitsbreite nach, der auch für Sonderkulturen höchst interessant sein dürfte. Dann vielleicht auch ein Traum für den kleineren Raum...