Elektroantriebe: Kluge Technik im Schatten großer Namen
Elektroantriebe in Landmaschinen sind sehr hoch beansprucht, so dass sich nur wenige Hersteller um die Produktion reißen. Einer von ihnen ist die Firma KAG.
Wenn das Saatbett für die Rüben vorbereitet ist und das Wetter passt, wird die Einzelkorndrille herausgeholt. Dass diese 11 Monate gestanden hat und die Elektroantriebe eigentlich einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, wird oft übersehen. Die Maschine muss laufen. Ob es knapp über 0 oder 30 °C in der Sonne ist, ob der Boden klutig ist und Steine für Erschütterungen sorgen, darf den Antrieben nichts ausmachen. Nach dem Einsatz bekommen sie noch vom Hochdruckreiniger eins auf den Deckel und sollen in der nächsten Saison sofort wieder ran. So sieht das Leben vieler Elektroantriebe in der Landwirtschaft aus.
Elektroantriebe: In der Landtechnik verbreitet
Deshalb stellen sich nur wenige Hersteller elektrischer Antriebe dieser Herausforderung. Zu ihnen gehört die Firma Kählig Antriebstechnik GmbH (KAG) aus Hannover. Fast alle Hersteller von Sä- und Pflanztechnik sowie von Düngerstreuern in Deutschland und europaweit setzen KAG-Antriebe ein. Auch einige Elektronikausrüster der Landtechnik greifen darauf zurück, wenn sie Steuerungen in Kombination mit Elektroantrieben für kleinere Hersteller produzieren. Wichtig zu wissen ist noch, dass KAG keine Elektroservos, sondern nur Antriebe produziert.
Den Anstoß für das Vorgängerunternehmen von KAG, in die Landtechnik zu gehen, lieferte die Firma Kleine Anfang der 1990er Jahre mit dem elektronisch gesteuerten Elektroantrieb der Rübendrille Unicorn Synchrodrive. Deren damaliger Chefentwickler Reinhold Schulte hatte sich diese Technik an Geldautomaten abgeschaut. Die Scheinausgabe stammte damals aus dem Hause der heutigen Firma KAG.
Gemeinsam mit dessen Mitarbeitern brachte Schulte den elektrischen Antrieb für die Synchrodrive zur Serienreife und in die landwirtschaftliche Praxis. Seitdem greifen immer mehr Hersteller auf die Komponenten aus Hannover zurück.
Allerdings macht es einen Unterschied, ob solch ein Antrieb in einem Geldautomaten oder zum Beispiel in einer Kartoffelpflanzmaschine sitzt. Deshalb bestehen sehr hohe Anforderungen an solche 12-Volt-Einheiten. Aus dem Grund produziert KAG keine normalen Elektromotoren, sondern fertigt vollständig gekapselte Antriebseinheiten. Diese bestehen in der Regel aus
einem Gleichstromelektromotor für 12 oder 24 Volt mit Stator und Rotor,
einer elektronischen Steuerung,
einem Encoder, der die 360°-Lage der Welle erfasst,
auf Wunsch einer CAN-Bus-Schnittstelle sowie
einem Reduziergetriebe.
Nichts von der Stange
Abhängig vom verfügbaren Einbauraum und dem geforderten Drehzahlbereich montiert KAG entweder Planeten-, Schnecken- oder Stirnradgetriebe an die Motoren. Optional gibt es auch Bremsen für die Antriebe.
Die größte Herausforderung ist es, diese Einheiten widerstandsfähig gegen Feuchte, Staub und Erschütterungen zu machen. Deshalb produziert KAG alle Antriebe entsprechend der Schutzart IP65.
Die Motoren sollten aus dem Stand mit dem vollen Drehmoment starten und dürfen bei einer Blockade nicht durchbrennen. Im Dauereinsatz darf es nicht zu einer Überhitzung kommen, und letztlich ist es wichtig, dass die Motoren effizient laufen. Denn gerade ältere Traktoren geraten mit der Stromversorgung schnell an ihre Grenzen.
Eine ganz spezielle Aufgabe für KAG ist es immer, die Gehäuse so konstruieren, dass der Antrieb tatsächlich in die jeweilige Maschine passt. Deshalb werden alle Antriebseinheiten nur im Auftrag und nicht auf Vorrat produziert. Produktmanager Klaus Marahrens weist in dem Zusammenhang noch darauf hin, dass KAG niemals firmenspezifische Entwicklungen von einem Hersteller zum anderen weiterträgt: „Dann wären wir sofort weg vom Fenster“.
KAG fertigt alle Antriebe aus Rohmaterial selbst in Hannover. Lediglich einige Baugruppen werden von Zulieferern vorgefertigt bezogen. Einige Fertigungsschritte wie das Anlegen der Kupferwicklungen sind automatisiert. Speziell geschulte Mitarbeiter montieren die Motoren an Einzelarbeitsplätzen. Jeder Elektromotor und später jede Antriebseinheit bestehend aus Motor und Getriebe werden automatisch oder einzeln von Hand geprüft.
KAG legt auch die Kupferwicklungen des Rotors selbst an, dafür gibt es demnächst vier automatische Wickelstraßen.
(Bildquelle: Tovornik)
KAG fertigt die Motoren und Antriebseinheiten zum überwiegenden Teil in Handarbeit.
(Bildquelle: Tovornik)
Das ist der Anfang der Motorproduktion, hier das Gehäuse und die noch nicht magnetisierten Dauermagnete.
(Bildquelle: Tovornik)
Ein wichtiger Schritt in der Produktion ist die Endkontrolle, im Vordergrund der Drucker für die Etiketten der Motoren.
(Bildquelle: Tovornik)
Das Unternehmen KAG
Die Ursprünge der Kählig Antriebstechnik GmbH (KAG) in Hannover reichen bis 1967 zurück. Damals wurde das Unternehmen als Teilbereich der Marke VDO gegründet und in der Folge mehrmals verkauft und umbenannt. Das Kernprodukt sind 12- und 24-Volt-Motoren die für Industrie. Die bürstenbehafteten und bürstenlosen Gleichstrommotoren leisten zwischen 2,5 und 250 Watt und werden oft als Einheit mit einem Reduziergetriebe gefertigt. KAG beschäftigt aktuell 170 Mitarbeiter. Die Landtechnik macht etwa 13 Prozent des Umsatzes aus. Weitere Felder sind Antriebe z. B. für Bustüren, Fahrstühle und die Medizintechnik.