Befallsermittlung mit Sumiagro anyA: Drohnenobservation für gesunde Pflanzen
Wo sind die Hotspots kranker oder mit Schädlingen befallener Pflanzen? Wo die Unkrautnester? Sumiagros anyA findet sie in hochauflösenden Drohnenfotos.
Bis zu 80 % der eingesetzten Pflanzenschutzmittel wären einsparbar, wenn sie gezielt ausschließlich dort ausgebracht würden, wo ein Befall nachgewiesen und dokumentiert ist“, so die Schätzung von Reinhard Appel, Geschäftsführer bei Sumiagro Deutschland.
Anjas Idee zu anyA
Sumiagro, Tochter des japanischen Handelsunternehmens Sumitomo Corporation, vertreibt Pflanzenschutzmittel. Umso erstaunlicher ist das Projekt anyA, mit dem sich der deutsche Pflanzenschutzmittelhändler jetzt ein zweites Standbein schafft. Die Abkürzung anyA steht für „Analytics of Nutrition, Yield and Agronomy”, also für die Analyse von Nährstoffversorgung, Ertrag und anderen agronomischen Daten. Gleichzeitig erinnert der Produktname auch an die Ideengeberin für das neue Befallsanalysesystem von Sumiagro, Appels Nichte Anja.
Appel ist selbst Landwirt, und auf dem Betrieb werden Pflanzkartoffeln vermehrt. Hier kommt es darauf an, dass Krankheiten rechtzeitig entdeckt werden, um befallene Pflanzen entfernen zu können. Bislang kam es dabei immer auf das geschulte Auge des Landwirts an. Doch jüngere Helfer haben für das Selektieren von Viruskranken oftmals nicht genügend Erfahrung — so auch Appels Nichte. Sie brachte daher die Idee ins Spiel, mit Drohnen und Bildverarbeitung kranke Kartoffeln zu finden. Damit war das Projekt anyA geboren.
KI wertet Fotos aus
Die aktuelle Version des Bildverarbeitungssystems anyA findet Kartoffelkäfer und Thripsen, kann zwischen den Kartoffelkrankheiten Phytophthora infestans und Alternaria solani unterscheiden oder auch Verticilium in Kartoffeln und Cercospora in Zuckerrüben erkennen. Laut Hersteller spürt anyA selbst kleinste Schadinsekten ab 0,5 cm Größe auf. Möglich wird dies mit hochauflösenden Drohnenfotos und der Bildanalysesoftware von Taranis.
Taranis ist ein israelisches Start-up-Unternehmen, das 2015 gegründet wurde. Die Software von Taranis durchforstet mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI oder auch AI Artificial Intelligence genannt) die Bildinformationen in Fotos nach gleichen oder ähnlichen Farben und Formen. Auf diese Weise lassen sich Unkräuter und Ungräser von Kulturpflanzen unterscheiden sowie Blattverfärbungen finden und bestimmen.
Zugriff auf die Fotos seiner Flächen mit Auswertungen dazu erhält der Landwirt über das webbasierte Dashboard unter dashboard.taranis.ag oder über die App Taranis Connect für Android- und iOS-Geräte.
Nach der Befliegung einer Rapsfläche hat anyA die Unkrautdichte und -verteilung ermittelt. Rot sind die Punkte mit Unkrautfunden.
(Bildquelle: Tovornik)
Das gezoomte Foto zeigt eingerahmt ein Unkraut und daneben eine Rapspflanze.
(Bildquelle: Tovornik)
Hier in Kartoffeln hat anyA Gräser und unten rechts eine Blattverfärbung identifiziert.
(Bildquelle: Tovornik)
Befliegung buchen
Zuerst muss der Betriebsleiter im Webportal die Feldgrenzen seiner Flächen einzeichnen oder importieren. Anschließend kann er Befliegungen buchen. Dabei legt er vorab fest, wonach anyA später die Drohnenfotos durchsuchen soll: Bestandesdichte, Schädlinge, Krankheiten, Unkräuter und Ungräser sowie Nährstoffversorgung. Derzeit bietet Sumiagro die Befallsermittlung per Drohnenfotos für Kartoffeln und Zuckerrüben sowie ab Herbst 2022 für Raps an. Im kommenden Jahr soll anyA auch für Mais, Soja und Sonnenblumen anwendbar sein.
Jeder Drohnenflug kostet 35 Euro pro Hektar. Im Lieferumfang enthalten sind mindestens 35 Fotos mit 20 Megapixel Auflösung. Für jede dazu gebuchte Indikationsgruppe berechnet Sumiagro zehn Euro pro Hektar und Jahr (alle Preise ohne Mehrwertsteuer).
Hinzu kommen die Kosten für das Basispaket, das den Zugang zum Dashboard freigibt. Für fünf Euro pro Hektar und Jahr stehen dem Betrieb dort auch die Satellitendaten der Landsat- und Sentinel-Satelliten mit Vegetationsindizes zur Verfügung.
Nach der Buchung wird der geplante Flug einem Drohnenpiloten zugeteilt, der die Fläche im gewünschten Zeitfenster befliegt. Mit dem Pilotensystem von Taranis erstellt der Pilot eine Flugkarte mit der Flugroute und den Aufnahmepunkten. Geflogen wird in etwa 20 m Höhe über dem Bestand. So erfasst die Kamera Zenmuse H20 der DJI-Drohne Matrice 300 RTK mit jedem Foto eine Fläche von etwa 10 m². Das bedeutet, dass 35 Fotos pro Hektar rund 3,5 % der Gesamtfläche stichprobenartig abdecken.
Sumiagro nutzt die Profi-Drohne DJI M300 RTK, die im Übrigen auch von Feuerwehr, Polizei und Grenzschutz als Arbeitspferd eingesetzt wird, weil sie mit einer hochauflösenden Kamera ausgestattet ist, mit Radar und Infrarot- und Stereosichtsensoren Hindernisse erkennt, und weil sie mit zwei Akkus bestückt bis zu 55 Minuten lang fliegen kann. Zudem kann sie mit ihrem RTK-GNSS-Empfänger ihre Position zentimetergenau einmessen.
Das Zoomobjektiv der Kamera hat eine Bildauflösung von 20 Megapixel. „Bei dieser Bildauflösung reichen der künstlichen Intelligenz des Bildanalysesystems von Taranis etwa 40 Bildpixel, um einen winzigen Käfer auf den Blättern der Pflanzen zu erkennen“, sagt Reinhard Appel. Zusätzlich nimmt die H20 mit einem Weitwinkelobjektiv immer parallel jeweils ein zweites, mit 12 Megapixel weniger hochauflösendes Foto auf. Durch Stitching lässt sich aus diesen Fotos ein Gesamtfoto der Fläche erstellen.
Die Kamera ist an einem Dreiachsen-Gimbal aufgehängt, so dass die Fotos und Videos in der Regel immer scharf sind. Trotzdem stoppt die Drohne kurz für die Fotoaufnahmen alle 15 bis 20 m.
Ist die Befliegung abgeschlossen, lädt der Pilot die Fotos von der SD-Speicherkarte der Drohne in die Google-Cloud von Taranis. Vor dem Hochladen der Fotos prüft die Pilotensoftware jedes Foto auf Brauchbarkeit.
Unscharfe, verwackelte Fotos sortiert die Software aus und lädt sie nicht in die Cloud. In der Cloud wertet die Bildanalyse die Fotos aus. Anschließend schaut sich ein Expertenteam die vom System markierten Fotos mit unklaren Erkennungen an und entscheidet darüber, um welches Symptom es sich handelt. Diese Überprüfung dauert derzeit rund 24 bis 36 Stunden. Erst danach können die Landwirte ihre Kartendaten und die einzelnen Bilder abrufen.
Im Dashboard sieht der Betriebsleiter eine Übersicht aller Indikatoren und kann eine Feldanalyse starten. Über die Funktion „Remote-Scouting“ lädt er die Aufnahmepunkte mit den Fotos zum gewählten Schlag. Anschließend kann er durch Anklicken einzelner Punkte die Fotos dieser Aufnahmepositionen betrachten und zoomen. Die von der Bildanalyse identifizierten Stellen mit befallenen Pflanzen oder Unkräutern hat das System anyA mit roten Rähmchen markiert. So bekommt er einen optischen Eindruck davon, wo die Hotspots in seinem Bestand sind.
Außerdem ermittelt anyA die Bestandesdichte. Alle gezählten Pflanzen kennzeichnet das Programm mit weißen Rähmchen. Des Weiteren kann der Betriebsleiter Zonenkarten erstellen, die z. B. auf der Bestandesdichte, dem Unkrautbesatz, dem Schädlingsbefall oder dem Befall mit Krankheiten basieren. Die Zonenkarten lassen sich als Shape-Datei exportieren. Somit sind sie als Applikationskarten nutzbar, sofern zusätzlich Produkte und Ausbringmengen hinterlegt werden.
anyA ist ein Expertensystem, das mit Bildanalyse und künstlicher Intelligenz in hochauflösenden Fotos Krankheiten, Schädlinge, Unkräuter und auch Nährstoffmangelsymptome findet. Durch die Georeferenzierung der Drohnenfotos während der Befliegung mit RTK-GNSS lassen sich Hotspots positionsgenau identifizieren, und der Landwirt kann Applikationskarten für eine teilschlagspezifische Behandlung seiner Bestände erzeugen.