Geschlossene Befüllsysteme im Vergleich: Die Spritze geschlossen befüllen
Pflanzenschutzmittel einfüllen, ohne zu kleckern: Zwei Landwirte, die Landwirtschaftskammer NRW und top agrar haben zwei Systeme für den geschlossenen Transfer ausprobiert.
Kein Kontakt mit dem Anwender, saubere Gebinde, kein Verschütten: Das sind die Anforderungen an ein Closed-Transfer-System (CTS) im Pflanzenschutz. Das Ganze ist schnell erklärt: Durch einen Adapter oder ein spezielles Koppelsystem soll sich der Kanisterinhalt in die Spritze füllen lassen, ohne dass der Inhalt mit der Umgebung in Kontakt kommen kann. In das System ist eine Reinigungsdüse integriert.
CTS-Lösungen in der Entwicklung
Derzeit gibt es in Deutschland zwei CTS-Lösungen, die nach und nach in der Praxis ankommen: das schon länger verfügbare easyFlow von Agrotop und das easyconnect, das ein Konsortium um BASF in den Markt bringen will.
Zusammen mit Harald Kramer von der Landwirtschaftskammer NRW haben wir mit zwei Praktikern über die Vor- und Nachteile diskutiert. Der Termin fand auf dem Ackerbaubetrieb von Wilhelm Wortmann im nordrhein-westfälischen Fröndenberg statt. Wortmann arbeitet im Hauptberuf ebenfalls für das Pflanzenschutzamt der Kammer NRW. Stephan kleine Kalvelage bewirtschaftet einen Betrieb im bergischen Lindlar und erledigt Pflegearbeiten im Lohn. Im Folgenden fassen wir die Praxiseindrücke zusammen.
Das easyFlow von Agrotop ist bereits seit 2013 am Markt. Das Einstiegsmodell gibt es für unter 200 Euro (alle Preise ohne MwSt.). Ein angehängtes M in der Typenbezeichnung weist auf einen integrierten Behälter zum Abmessen von Teilmengen hin. Der Preis hierfür bewegt sich um die 700 Euro. Der Hersteller räumt allerdings ein, dass der große Durchbruch am Markt noch nicht erreicht ist.
Beide Landwirte haben ihre Spritzen hingegen auf eigene Initiative schon länger damit ausgestattet. Für sie spielen Anwendersicherheit und das Vermeiden von Punkteinträgen eine wichtige Rolle. Sie haben die CTS-Einheiten über Halter direkt an den Geräten montiert und in den Flüssigkeitskreislauf integriert.
Hilfe beim Einfüllen von Mitteln: Adapter für jeden Kanister
Kern der Entwicklung sind spezielle Adapter, die man vorher auf den Kanisterhals schraubt. Der Adapter passt von oben in den Anschluss des easyFlow. Ein Bügel sichert Adapter und Kanister. Über eine Drehung des Bügels öffnet die Kupplung den Zufluss in das System. Auch die Reinigungsdüsen sind bei diesem System im Adapter integriert.
Drückt man von oben auf den aufgeschraubten Adapter, durchstößt ein Kranz aus Kunststoffzähnen die Siegelfolie. An einer Stelle bleibt ein Steg stehen, so dass die Folie weiter am Kanister hängt, aber nicht stört. Ein kleiner Drahtbügel drückt die Folie nach unten und gibt so den Weg für die Pflanzenschutzmittel frei.
Die Spritzenprofis Wortmann und kleine Kalvelage finden diese Lösung sehr gelungen. Denn normalerweise öffnet man die Folie z. B. mit einem Taschenmesser oder einem anderen Werkzeug — und verschleppt mitunter konzentriertes Mittel. Ein Adapter kostet 39,90 Euro und passt auf Kanister mit dem weltweit gängigen
63-mm-Standardgewinde. Das macht das System weitgehend unabhängig vom Mittelanbieter.
Vor allem bei großen Spritzen und Tankmischungen sind entsprechend viele Adapter notwendig. Praktiker sehen das oft als wichtigen Nachteil des Systems. Sie befürchten zudem einen hohen zusätzlichen Zeitbedarf für das Umschrauben der Adapter. Stephan kleine Kalvelage kann das nicht bestätigen, weil der Adapter das separate Entfernen des Siegels überflüssig macht und damit den Aufwand für das Aufschrauben mehr oder weniger neutralisiert. Wenn es in der Saison schnell gehen muss, wechselt er die Adapter direkt von Kanister zu Kanister.
Einspülschleuse: Messbecher für Teilmengen
Der vollintegrierte, geschlossene Messbecher für Teilmengen fasst 2 200 ml. Der Becher lässt sich mit der eingebauten Reinigungsdüse säubern. Nach Erfahrung von Wilhelm Wortmann geht das schneller, wenn er die Innenwandungen des Bechers vor dem Einsatz über das Reinigungssystem befeuchtet.
Zu viel dosiertes Mittel lässt sich aus dem Becher nicht zurück in den Kanister füllen. Deshalb starten die beiden Landwirte immer erst mit der Teilmenge und füllen dann die kompletten Kanistermengen ein. Machen sie also einen Fehler, lässt sich dieser noch korrigieren. Bei zähflüssigen Mitteln kritisieren die Anwender allerdings die relativ langsame Fließgeschwindigkeit durch den Adapter.
Das soll der sogenannte Chucker beschleunigen. Das ist ein Belüftungsdorn, den man in den Boden des kopfstehenden Kanisters stößt (14,90 Euro). Der Dorn bleibt bis zum Abschluss der Kanisterreinigung hier
stecken. Unsere beiden Tester nutzten den Dorn aber bisher nicht.
Die Reinigungsdüse ist direkt im Adapter integriert. Damit lässt sich der entleerte Kanister im gekuppelten Zustand ausspülen. Beide Landwirte haben die Erfahrung gemacht, dass die Reinigung besonders bei zähflüssigen Mitteln durchaus anspruchsvoll ist.
Koppelstation des easyconnect von Pentair mit neuem Messbecher.
(Bildquelle: Höner)
Neue Station mit elektronischem Durchflussmesser.
(Bildquelle: Höner)
Künftig Mehrwegbehälter für Pflanzenschutzmittel?
Die Entsorgung der Kunststoffkanister ist ein wachsendes Problem. Nachdem ein System mit Mehrwegbehältern vor einigen Jahren schon einmal gescheitert war, gibt es aktuell einen neuen Ansatz von Agrotop und dem Anbieter SumiAgro mit Getreidefungiziden.
Die Behälter easyMatic sind mit RFID-Chips ausgestattet (Dokumentation unter anderem, welches Mittel im Tank war). Über eine tropffreie Kupplung, ähnlich wie bei einem Bierfass, kann man das Mittel entnehmen. Manche landwirtschaftliche Großbetriebe beziehen ihre Pflanzenschutzmittel auch im IBC, wahlweise mit 560 oder 1 000 l.
Für beide Systeme hat Agrotop das easyFlow M aufgerüstet. Die komplette Anlage ist dann auf einer Karre untergebracht (komplett rund 3 150 Euro). Hier gibt es für Kanister die normale Adapterlösung mit Messbecher.
Für die großen Behälter saugt die Pflanzenschutzspritze das Mittel über einen speziellen Anschluss an. Ein präziser Durchflussmesser mit integrierter Taumelscheibe zeigt die Menge auf einem Display an. Ist das Ziel erreicht, schließt der Nutzer die Saugleitung per Kugelhahn. Ein Behälter unten in der Karre fängt Wasser beim Reinigen auf. Er wird später in die Spritze entleert.
Das notwendige Aufschrauben eines separaten Adapters ist ein oft genannter Kritikpunkt im Zusammenhang mit dem easyFlow. Das System easyconnect arbeitet deshalb mit einem speziellen Schraubverschluss inklusive integriertem Innendeckel, der den Adapter überflüssig machen soll. Zum Entleeren setzt man den Kanister mit der Öffnung nach unten in den „Coupler“. Eine Lanze greift dann von unten mit Krallen in den Innendeckel, fixiert ihn und schiebt ihn nach innen (oben) in den Kanister.
Jetzt kann das Pflanzenschutzmittel durch den Coupler in die Spritze gefüllt werden. Pentair, ein Düsenhersteller aus Großbritannien, hat das System unter dem Namen „Clean Load Nexus“ entwickelt. Nimmt man es genau, heißen nur die Kanisterverschlüsse easyconnect. BASF hat im IVA eine Initiative gegründet, mit dem Ziel, dass möglichst viele Hersteller von Pflanzenschutzmitteln ihr Gebinde ab Werk mit dem speziellen Verschluss ausstatten. Auf der Homepage easyconnect.tech/de finden sich neben der technischen Beschreibung die teilnehmenden Hersteller, darunter mittlerweile auch Adama, Bayer und Syngenta.
Kanister von Pflanzenschutzmitteln mit speziellem Deckel
Fehlt ein passender Coupler, lässt sich der Deckel übrigens auch wie üblich als Ganzes aufschrauben. Andersherum: Das CTS funktioniert nur, wenn die Kanister mit dem mehrteiligen Deckel verschlossen sind. Das ist ein Nachteil, wenn Hersteller — z. B. von Generika — nicht mitmachen.
Bisher hat das JKI nur eine Zulassung für die Komplettentnahme ausgesprochen und nicht für Teilmengen. Denn der anspruchsvollste Part des Systems ist das Wiederverschließen eines teilentleerten Behälters. Dazu muss die Kralle den Innendeckel zurück in den Sitz ziehen und den Kanister 100 % dicht verschließen. Zusätzlich muss die Außenseite des Innendeckels gereinigt sein, hier dürfen sich keine Mittelreste mehr finden. Vor allem bei zähflüssigen Stoffen ist das schwierig. Andererseits: Weil die Öffnung größer ist als beim easyFlow, gelangen zähflüssige Mittel schneller in die Spritze.
Nach Erfahrungen der Experten der Landwirtschaftskammer NRW gibt es noch Entwicklungsbedarf beim Wiederverschließen und bei der Dichtigkeit. Weil die Kanister auch über das Pamira-System entsorgt werden sollen, ist z. B. eine zusätzliche Gummidichtung nicht möglich — das Material würde das Recycling stören. Die Landwirte kleine Kalvelage und Wortmann haben das System ebenfalls in der Praxis getestet. Sie fanden vor allem das Dosieren von Teilmengen weniger elegant. Bisher gibt es dazu nur Markierungen am Schlauch, der zur Spritze führt. Den Schlauch muss man entsprechend hochhalten und per Hebel am Coupler langsam das Mittel dosieren, bis der Pegel die Markierung der gewünschten Teilmenge erreicht hat. Die Markierungen erlauben aktuell bis 800 ml, so dass man den Prozess mehrfach wiederholen muss, bis z. B. 3,5 l aus einem 5 l-
Gebinde entnommen sind.
Auf den DLG-Feldtagen im Juni hat Pentair einen Dosierbehälter für Teilmengen bis 1 000 ml gezeigt. Der Messbehälter ist — wahrscheinlich aus patentrechtlichen Gründen — vom Coupler getrennt an einem Gestell montiert. Teven stellte auf den Feldtagen einen neuen, elektrischen Coupler mit integriertem, digitalem Messsystem vor, der das Thema Teilmengen eleganter lösen soll. Auch Lechler arbeitet scheinbar an einem Coupler. Weil die großen Chemiefirmen hinter dem System stehen, dürfte die Entwicklung weitergehen.
Auch beim easyconnect ist eine Reinigungsdüse in der Lanze integriert. Sie gibt konstruktionsbedingt das Wasser aber nur in eine Richtung ab. Deshalb muss der Kanister während der Reinigung von Hand in 90°-Schritten gedreht werden. Und das im Uhrzeigersinn, sonst schraubt man den Deckel los. Nach Abschluss der Reinigung zieht der Coupler die Lanze zurück und damit den Innendeckel in seinen Sitz.
Damit Landwirte die Kanister komplett leer in das Pamira-System geben können, gibt es eine spezielle Abtropfwanne. Dazu steckt man den Kanister auf einen Dorn und drückt den Innendeckel endgültig in den Behälter. Das restliche Reinigungswasser kann jetzt ablaufen.