Verzogene Fahrzeuge lassen sich fast immer wieder
richten — vorausgesetzt man verfügt über die
notwendigen Richtwerkzeuge und das nötige Know-how.
Dietmar Renfert-Deitermann hat die Instandsetzung
eines umgekippten Zweiachs-Kippers begleitet.
Der Klassiker: Schief
gestanden beim Kippen
und dann umgefallen.
So ist das Fahrzeug
unbrauchbar.
IWer Militär-Lkw, die
in Krisengebieten
auf Minen gefahren
sind, wieder
herrichten kann, der macht sich
auch vor der Instandsetzung umgekippter
oder verunfallter landwirtschaftlicher
Fahrzeuge keine
Bange. Bei der Firma Steinmeier
in Bielefeld ist das jedenfalls so.
Neben zerschossenen Militärfahrzeugen
(aktuell aus Afghanistan)
stehen in den Werkstatthallen
hier vor allem umgestürzte
Kippanhänger, Ladewagen, Schlepper etc.
Ob die Reparatur lohnt, wird in jedem Fall
vorab genau kalkuliert. Damit im Vorfeld keine
unnötigen Kosten entstehen, wird das beschädigte
Fahrzeug erst dann angeliefert,
wenn man sich darüber im Klaren ist, dass
die Instandsetzung möglich ist und sich auch
lohnt. Aussagekräftige Fotos reichen dem
Steinmeier-Team oftmals schon aus, um den
Schaden einschätzen zu können. Für kompliziertere
Fälle reist ein Spezialist an, um das
Schadenbild vor Ort einzuschätzen.
„Geht nicht, gibt’s nicht“, aufgegeben wird
keines der angelieferten Fahrzeuge. Sofern
es mit dem Besitzer so abgesprochen
wurde, verlassen die Fahrzeuge nur vollständig
repariert den Firmenhof. In den verschiedenen
Abteilungen der Firma Steinmeier sind
Mitarbeiter beschäftigt, die auf verschiedene
Schwerpunkte spezialisiert sind, wie das
Rahmenrichten, den Karosseriebau, die Hydrauliktechnik,
Schweißarbeiten etc.
In den meisten Fällen ist es mehr der Zeitaufwand
als der Materialaufwand, der
über die Höhe der Reparatursumme entscheidet.
Richten bedeutet schließlich,
dass die verzogenen und verwundenen Baugruppen
des Fahrzeugs wieder in ihre alte
Form gebracht werden. Gerade beim Anhängerrichten
sind es dann oft nur einfache, relativ
preiswerte Profile, die eventuell ersetzt
werden müssen, und das oft auch nur teilweise.
Auch eine möglicherweise deformierte Zuggabel
oder Feder ist als Massenartikel oft
relativ preiswert zu haben. Das gilt sogar für
Kippzylinder, die im Nachbau günstig angeboten
werden. Der Aus- und Einbau solcher
Teile ist einfache Schrauberei und oft relativ
schnell gemacht. Spezialisierte Ersatzteilhändler
können oft kurzfristig liefern.
Zum Fahrzeugrichten braucht man entsprechende
Einrichtungen und Werkzeuge.
Noch wichtiger ist jedoch der erfahrene
Mann, der damit umgehen kann, denn jeder
Fall ist anders.
Die Steinmeiers verfügen über Richtstände
in mehreren Größen. Für Motorradrahmen
und Fahrerkabinen kommen eher die kleineren Richtstände zum Einsatz, für Busse,
Lkw und eben landwirtschaftliche Fahrzeuge
werden die ganz großen Gerätschaften
benötigt. Die Richtstände des namhaften
amerikanischen Herstellers „Black-Hawk“
bestehen im Wesentlichen aus schweren
Eisenträgern am Boden und aus verschiebbaren
seitlichen Säulen. Die massiven Eisenprofile
besitzen an verschiedenen Stellen
Bohrungen, in die Bolzen eingesteckt oder
Ketten eingehängt werden können.
Ein Fahrzeug, das im Richtstand steht, kann
dann an jeder Stelle gezogen bzw. gedrückt
werden. Sehr hilfreich ist bei der ganzen Sache noch ein leistungsstarker, in jede Richtung
verfahrbarer Deckenkran.
Für die meisten Arbeitsschritte beim
Richten werden Hydraulikzylinder verwendet.
Mit schraubbaren Verlängerungsstücken
und verschiedenen Endstücken können
sie sehr flexibel eingesetzt werden. Das zu dieser Richthydraulik gehörende Aggregat
erzeugt einen Arbeitsdruck von 700 bar
(…bei der Schlepperhydraulik sind es gerade
einmal 200 bar).
Neben den geeigneten Gerätschaften
braucht man zum Richten vor allem sehr viel
Erfahrung und ein gutes Augenmaß. Nicht
alles lässt sich exakt nachmessen, zumal die
Fahrzeugfederung und die Luftbereifung
das tatsächliche Ergebnis optisch verfälschen
können.
Nach der Einschätzung des Schadens ist die
Vorgehensweise eigentlich immer die gleiche: Zunächst werden die größten Schäden
behoben, danach arbeitet man sich immer
weiter in die Details vor.
Das meiste wird kalt gerichtet, nur extreme
Knicke etc. werden mit einem Induktionserhitzer
zielgenau erhitzt. Wenn es sich
um einen Kipper handelt, wird die Kippbrücke
in aller Regel auf dem Fahrgestell belassen.
Ob das Chassis nun ideal gerichtet wurde
und wo eventuell noch nachgeholfen
werden muss, erkennt man schließlich am
besten daran, wie sich die aufgekippte BrüBrücke
aufs Fahrgestell absenkt. Der perfekt
gerichtete Kipper soll schließlich folgende
Kriterien erfüllen:
■■ Bei angekippter Brücke soll der Teleskopzylinder
absolut rechtwinklig zum Fahrgestell
stehen.
■■ Beim Herablassen der Brücke müssen die
vorderen Führungen (Klauen) unterhalb der
Ladefläche exakt wieder in die Aufnahmelager
des Fahrgestells greifen.
■■ Im vollständig abgelassenen Zustand soll
jede Ecke der Brücke sauber aufliegen — ohne
zu wippen!
Vor allem Kippanhänger werden so konstruiert,
dass sie sich bei Fahrten auf unebenem
Gelände verwinden können. Alle vier
Räder halten so ständigen Bodenkontakt.
Auf ebenem Untergrund hat so ein Fahrgestell
diese Verwindungen sofort wieder vergessen
und steht dann wieder absolut gerade.
Hätten die Konstrukteure ein starres Fahrgestell
aus nicht verwindungsfähigen Stahlprofilen
gebaut, dann wäre der Kipper nach
der ersten Geländefahrt wahrscheinlich
schon krumm. Beim Richten eines solchen
Dieses unscheinbare Hydraulikaggregat erzeugt
einen Arbeitsdruck von 700 bar. Natürlich
müssen die Hydraulikzylinder und Ölschläuche
darauf abgestimmt sein.
Erhitzen und richten
mit der offenen
Flamme war früher.
Heute werden die zu
erwärmenden Regionen
gezielt mit einem
Induktionserhitzer
bearbeitet. Die hiermit
erzeugte Hitze
durchströmt sofort
die komplette Materialstärke
und das
mit einer hohen Geschwindigkeit.
Anders als bei der
Flamme sind Kunststoffleitungen
und
Kabel deutlich weniger
gefährdet.
Spezielle, mit 700 bar
Hydraulikdruck belastbare
Hydraulikstempel werden
an verschiedenen Stellen
des Rahmens angesetzt.
Als Widerlager dienen vielfach
die stabilen Träger des
Richtstandes. In anderen
Fällen werden die Zylinder
zwischen den Rahmenholmen
positioniert.
Um die Richtarbeiten zu erleichtern,
werden vorab die
diagonal zwischen den Rahmenholmen
verlaufenden
Streben entfernt.
Fahrzeugs muss es dem Monteur nun gelingen,
sich über die Grenzen der Verwindungsfähigkeit
hinwegzusetzen — und das mit dem
nötigen Einschätzungsvermögen. Die Stahlprofile
müssen um ein bestimmtes Maß
„über den Punkt“ verwunden werden, um
wieder in die alte Form gebracht zu werden.
Besonders anschaulich wird das dann,
wenn das Fahrgestell auf der ganzen Länge
so gerichtet werden muss, dass alle vier
Räder wieder gleichmäßig aufstehen. Über
Eck wird das Fahrgestell dazu mit stabilen Ketten nach unten zum Boden fixiert. Mit
dem Deckenkran wird die betreffende Ecke
des Fahrgestells anschließend hochgezogen.
Mit ein paar Zentimetern ist das nicht getan.
Es sieht schon sehr spektakulär aus, wenn
das Fahrgestell jetzt so weit gezogen wird,
dass der hintere Querträger des Rahmens
im 45°-Winkel zum vorderen Querträger
steht. Und bei Fahrgestellen aus hochwertigem
Feinkornstahl überdreht man das Rahmenhinterteil
gegenüber dem Vorderteil
schon einmal um bis zu 90°. Sollte man diese
Übung übertrieben haben, kann man den Rahmen auch ohne Weiteres wieder ein
Stück zurückbiegen. Dass bei diesen extremen
Richtvorgängen Schweißnähte reißen,
ist ganz normal und nicht weiter Besorgnis
erregend. Solche Stellen werden ausgefugt
und nachgeschweißt.
Beim Zweiachser nimmt der Vorderwagen
mit dem Drehkranz nur selten Schaden.
Dennoch muss genau kontrolliert werden,
ob der Drehkranz noch frei beweglich
ist. Auch die Befestigung des Drehkranzes
mit dem Fahrgestell muss untersucht werden.
Nicht selten ist es hier zu Deformationen
oder Rissbildung gekommen. Wenn das
so ist, müssen die Schrauben aus dem Oberteil
des Drehkranzes entfernt werden, das
darauf liegende Fahrgestell wird angehoben,
und der Vorderwagen kann vorgezogen
werden. Alle Baugruppen sind nun für
die Instandsetzung frei zugänglich.
Der Klassiker: Schief
gestanden beim Kippen
und dann umgefallen.
So ist das Fahrzeug
unbrauchbar.
Wenn ein Fahrgestell so extrem verbiegt, waren
sehr große Kräfte im Spiel. Die Aufgabe der Instandsetzer
ist es nun, den Schaden zu analysieren und
vor allem den Hergang zu rekonstruieren. Jetzt
muss in umgekehrter Richtung gearbeitet werden
Ca. 800 000 Euro
kostet dieser britische
Militär-Lkw. In Afghanistan
ist er auf eine
Mine aufgefahren, einige
Meter hoch in die
Luft geschleudert worden
und schließlich
stark demoliert gelandet.
(Die Fahrerkabine
ist weitgehend minensicher.)
Bei Steinmeier wird
das Fahrzeug komplett
zerlegt und gerichtet.
Eine Rahmenecke wird hochgezogen, die
gegenüberliegende wird nach unten fixiert.
Die Kabinen umgestürzter Gabelstapler oder
Schlepper können ebenfalls gerichtet werden.
Immer wieder sucht sich der Richtmeister nicht verformte Baugruppen
oder Träger, an denen er sich orientieren kann.
Augenmaß ist gefragt. Die Fortschritte beim Richten lassen sich oft nur
schwer messen. Fluchtlatten dienen als Orientierungshilfe
Um die Richtarbeiten zu erleichtern,
werden vorab die
diagonal zwischen den Rahmenholmen
verlaufenden
Streben entfernt
Spezielle, mit 700 bar
Hydraulikdruck belastbare
Hydraulikstempel werden
an verschiedenen Stellen
des Rahmens angesetzt.
Als Widerlager dienen vielfach
die stabilen Träger des
Richtstandes. In anderen
Fällen werden die Zylinder
zwischen den Rahmenholmen
positioniert.
Um die Richtarbeiten zu erleichtern,
werden vorab die
diagonal zwischen den Rahmenholmen
verlaufenden
Streben entfernt.
Dieses unscheinbare Hydraulikaggregat erzeugt
einen Arbeitsdruck von 700 bar. Natürlich
müssen die Hydraulikzylinder und Ölschläuche
darauf abgestimmt sein.
Erhitzen und richten
mit der offenen
Flamme war früher.
Heute werden die zu
erwärmenden Regionen
gezielt mit einem
Induktionserhitzer
bearbeitet. Die hiermit
erzeugte Hitze
durchströmt sofort
die komplette Materialstärke
und das
mit einer hohen Geschwindigkeit.
Anders als bei der
Flamme sind Kunststoffleitungen
und
Kabel deutlich weniger
gefährdet.
Während zwei gegenüberliegende Fahrzeugecken mit Ketten nach unten fixiert wurden, wird eine
Rahmenecke mit dem Deckenkran gezogen. Je nach Verwindung und Stahlqualität wird hier schon
mal so weit gezogen, dass Vorder- und Hinterwagen im rechten Winkel zueinander stehen.
Nicht immer kann die Kippbrücke beim Richten
auf dem Fahrgestell verbleiben. Je ausgewogener
die Brücke aufgehängt wird, desto
unkomplizierter ist der Auf- und Abbau.
Nach dem Richten werden die Schweißverbindungen
kontrolliert und nachgeschweißt. Oft
sind es Schweißfehler des Fahrzeugbauers.
Um Verwindungen
im Bereich der hinteren
Kipplager zu
korrigieren, wird
der hydraulische
Richtstempel zwischen
einem Rahmenholm
und der
Kippbrücke angesetzt.
Fotos:
D. Renfert-Deitermann
Damit der Vorderwagen verschoben werden
kann, ohne zusammenzuklappen (bewegliche
Schere!), wird das Eisen eingeschweißt.