Besondere Ernte: Wurzelstöcke und Unterstämme: Bäume ernten
Es braucht ein Herz für Technik, damit die Vermehrung von jungen Bäumen mechanisiert werden kann. Mark Pasveer hat einen Betrieb in den Niederlanden besucht.
Peter Hillebrand aus dem niederländischen Zeevolde hat sich auf die Vermarktung von sogenannten Unterlagen bzw. Wurzelstöcken und Obstbäumen spezialisiert. Solch eine Nische bedarf spezieller Technik, und diese gibt es nicht bei jedem Landhändler an der Ecke zu kaufen. Daher ist Erfindergeist gefragt, den Peter Hillebrand mitbringt.
Als er den Betrieb von seinem Vater übernahm, war noch sehr viel Handarbeit nötig, um die Setzlinge zu pflanzen, großzuziehen und zu ernten. Viel Handarbeit steht im Vergleich zum Marktfruchtbau immer noch an. Die 70 cm hohen Pflanzen per Hand zurückschneiden, das Veredeln selbst, die mechanische Unkrautbekämpfung oder Zäune zu setzen, um Hasen und Kaninchen von den jungen Pflanzen fernzuhalten, sind manuelle Arbeiten. „Die Zucht von Jungpflanzen fordert einen täglich“, weiß Hillebrand zu berichten. „Und die Arbeiten mischen sich manchmal mit denen eines Baumzüchters.“
Dabei haben die beiden Generationen auf dem Betrieb ihre Aufgaben klar geteilt. Sohn Erwin ist für die Vermarktung der Wurzelstöcke verantwortlich, während sein Vater sich um die Praxis und die Maschinen kümmert.
Um das Prinzip des Wurzelstockanbaus zu verdeutlichen, zeigt uns Hillebrand zwei Pflanzen. Eine kleine Pflanze ohne Verzweigungen, der sogenannte Unterstamm. Und schließlich eine Jungpflanze mit Verzweigungen, die für die Obstzüchter gedacht ist.
Die Unterstämme bzw. Wurzelstöcke wachsen aus einer Mutterpflanze, die horizontal geflochten im Boden liegt. Es sieht aus wie ein langer Strang ineinander geflochtener Baumwurzeln. Hillebrand arbeitet diese Wurzeln in eine Art Damm ein, ähnlich wie bei Kartoffeln. In diesen Damm werden Torf und Sägemehl eingemischt. Von dieser Pflanze aus wachsen die Wurzelstöcke nach oben und werden im Winter von diesem Geflecht gesägt.
Der folgende Punkt ist dann die Obstbaumzucht, bei dem Zweige des Obstbaums mit dem Unterstamm veredelt werden, auch Aufpfropfen genannt. Neben dem Aufpfropfen gibt es weitere Varianten, Unterstamm und Obstbaum miteinander zu vereinen, doch das ist die Kunst der Zucht, nicht der Technik.
Noch mal zurück zu der Betriebsübernahme in den 60er Jahren mit viel Handarbeit. Die Ernte der Wurzelstöcke wurde mit einer kleinen Axt durchgeführt, 300 m Damm am Tag waren möglich, erinnert sich Hillebrand.
Zum Vergleich: Seine jetzige Erntemaschine kann bis zu einem halben Hektar Wurzelstöcke am Tag ernten. Zwischen der Handarbeit und dem heutigen Selbstfahrer hat die Ernte einige große Schritte durchlaufen, reflektiert Hillebrand die Entwicklung. Zunächst wurden die Stöcke mit einem Sägeblatt hinter einem Schlepper von dem Geflecht getrennt. Das Ausklopfen der Erde an den Wurzeln, das Sammeln und das Binden von Bündeln wurde per Hand gemacht.
Damit gab sich der Niederländer nicht zufrieden und entwickelte einen getragenen Roder im Dreipunktanbau, der allerdings zu schwer war. Damit war die Befahrbarkeit der lehmigen Böden in Zeewolde nicht gewährleistet. Schließlich werden die kleinen Pflanzen in der Vegetationsruhe, sprich im Dezember oder Januar geerntet.
Zu Beginn der 90er Jahre hat Hillebrand zahlreiche Stunden in seiner Werkstatt verbracht und einen selbstfahrenden Roder für die Wurzelstock-Ernte umgebaut. Als Basis diente ein WKM CLE 30 Zuckerrübenroder. Er baute das Vierrad zu einem Dreirad um und baute eine zweite Kabine auf, damit der Fahrer eine perfekte Sicht auf das Sägeblatt hat, um es präzise am Geflecht der Mutterpflanzen entlangzusteuern. 1993 war der erste Selbstfahrer zur Ernte fertig — unzählige Werkstattstunden später. Die Arbeit der Maschine stellte den findigen Holländer aber nicht zufrieden: Vor allem war der Radkasten des Dreirads zu groß und verhinderte den Anbau eines Bündlers, damit die Wurzelstöcke nach der Ernte gebündelt auf Paletten gepackt werden können.
In der Claas-Kabine hat der Fahrer den perfekten Blick auf das Sägeblatt, das die Wurzelstöcke vor dem Klemmband abtrennt.
(Bildquelle: Pasveer)
(Bildquelle: Pasveer)
Raupen als Durchbruch
Hillebrand wollte Raupen, die platzsparend und bodenschonend eingesetzt werden können. Per Zufall kam der Unternehmer mit dem Maschinenbauer Andela zusammen. Sie entwickelten gemeinsam den neuen Ernter, der 2017 auf dem Betrieb erstmals eingesetzt wurde.
Die jetzige Maschine mechanisiert die Ernte nahezu komplett. Jetzt braucht es neben dem Fahrer nur noch eine Person, die hinten auf der Maschine die Wurzelstöcke mit der halbautomatischen Bindemaschine bündelt und abpackt.
Zuvor werden die Pflanzen mit einem Sägeblatt von dem Geflecht getrennt und per Klemmband nach hinten zur Maschine gefördert. Währenddessen klopfen hydraulisch angetriebene Rohre auf die Wurzelstöcke, um die Erde und Torfreste aus den Wurzeln zu entfernen.
Die speziell entwickelte Erntemaschine ist nicht nur kompakt für den Tieflader, sie ist zudem sehr wendig und kann in den feuchten Erntemonaten mit dem Raupenlaufwerk punkten. Das Raupenlaufwerk kann sich der Spur von 2 auf 4,40 m anpassen. Ein 170-PS-Motor von John Deere treibt die insgesamt fünf Hydraulikpumpen an, die in Summe 16 Funktionen versorgen. Der Fahrer sitzt dabei in der geheizten Claas-Kabine und überwacht das spezielle Sägemesser.
Das 170 PS starke Dreirad ist per RTK gesteuert. Hinten stützt es sich auf Raupenlaufwerken ab.
(Bildquelle: Pasveer)
(Bildquelle: Pasveer)
Fazit
Erntetechnik fasziniert. Auch wenn diese speziell ist. So haben die Tüftler um Peter Hillebrand und die Firma Andela einen speziellen Ernter für die Wurzelstockernte entwickelt. Wurzelstöcke dienen als Träger für die spätere Obstbaumzucht. Sie werden mit Zweigen von Obstbäumen veredelt, um z. B. eine Reinzucht zu erzielen.
Die Leihmutter für den Obstbaum
Wurzelstöcke bzw. Unterlagen sind die Basis für Obstbaumzüchter. Dabei dient der Wurzelstock als Träger für den späteren Obstbaum. Mit der speziellen Veredlungstechnik werden Obstbaumzweig und Wurzelstock miteinander vereint.
Je nach Wuchshöhe des Wurzelstocks bleibt der Baum entweder sehr klein oder mit schnellwüchsigen Sorten wird der Baum sehr hoch. Je nach Klima gibt es spezielle Sorten Wurzelstöcke, die auf den jeweiligen Standort angepasst sind. Die Veredlung von Obstbäumen findet in der Vegetationsruhe statt. Daher wird beim Unternehmen Hillebrand immer im Winter geerntet. Gekühlt sind die Wurzelstöcke lange haltbar und werden weltweit vermarktet.