Der Erfolg blieb trotz des Kampfpreises (umgerechnet schlanke 30 000 Euro) aus. Nach der Insolvenz des Mutterkonzerns ist die Zukunft der Traditionsmarke ungewiss.
Wenn Ihnen ein Traktor mit 88 kW/120 PS für 60000 Mark angeboten wird, wissen Sie genau: das ist ein mindestens 5 Jahre alter Schlepper mit 2000 Betriebsstunden, und die ersten teuren Reparaturen sind fällig. Bei Ursus ist das nicht so: die Schlepper aus Polen sind nagelneu und kosten trotzdem nicht mehr. Wir wollten wissen, was hinter diesem Angebot steckt und haben uns den Ursus 1234 mit 87,5 kW/119 PS näher angesehen.
Der 1234 gehört zur großen Baureihe von Ursus. Das Typenangebot in Deutschland besteht nämlich aus zwei Serien: die kleinen Typen 2812 (28 kW/38 PS) bis 4514 (59 kW/80 PS) sind MF-Lizenzen von Ursus, die Typen der großen Baureihe vom 0932 (59 kW/80 PS) bis zum 1634 (114 kW/155 PS) sind dagegen originale Ursus-Traktoren.
Der erste Eindruck vom 1234 ist gemischt: natürlich ist das Design nicht das allermodernste, aber der Schlepper sieht auch nicht unmodern aus. Seit wenigen Monaten hat der 1234 eine neue Kabine, die den westlichen Standards weit mehr entspricht als die Vorgänger-Reihe: der Einstieg wurde modernisiert (ein weiterer Haltegriff wäre allerdings hilfreich), der unmögliche querliegende Beifahrersitz hinter dem Fahrer ist verschwunden, die Ausstattung mit Kunststoff-Innenverkleidung, kippbarem Lenkrad, westlichem Sitz (auf Wunsch), Arbeits-Scheinwerfern und Spiegeln ist ordentlich.
Bei unserem Schlepper war der Gangschalthebel schon nach rechts verlegt, der links vom Sitz liegende Gruppenschalthebel führte allerdings noch mittig vor dem Sitz in den Kabinenboden. Diesen Mangel der überlangen Schalthebel, der auch lange Schaltwege verursacht und bei der Arbeit recht störend ist, will Ursus nächstens aber noch abstellen: die neuen Schlepper sollen rechts vom Sitz eine Konsole mit zwei kurzen und direkteren Schalthebeln erhalten.
Vier Gänge am voll synchronisierten Gangschalthebel, zwei Vorwärts- und eine Rückwärtsgruppe am unsynchronisierten Gruppenhebel macht insgesamt 8/4 Gänge, ein Billig-Getriebe also - denkste! Der vordere der beiden kleinen Hebel links am Armaturenbrett schaltet nämlich die zweistufige Lastschaltung, die der Ursus serienmäßig hat. Damit kommt der Schlepper auf 16/8 Gänge und 8 Geschwindigkeiten im Hauptarbeitsbereich bei 30 km/h Endgeschwindigkeit - zu dem Preis eine gute Ausstattung. 40 km/h gibt es ebenso gegen Aufpreis wie ein Kriechgetriebe, dann bietet der 1234 insgesamt 24/8 Gänge mit einer Minimal-Geschwindigkeit von rund 200 m/h.
Der Sechszylinder-Saugmotor mit 6,8 Liter Hubraum dreht mit 2 200 Umdrehungen recht bedächtig und verspricht ausreichend Leistungsreserven. Der Verlust zur Zapfwelle ist allerdings beachtlich: Ursus gibt selbst 10,5 % zwischen Motor und Zapfwelle an, hier macht sich wohl die kraftzehrende Lastschaltung unangenehm bemerkbar.
Die Zapfwelle des 1234 wird unabhängig hydraulisch über den zweiten Hebel links am Lenkrad ein- und ausgeschaltet, der Schlepper hat serienmäßig 540/1000 Umdrehungen mit pneumatischer Umschaltung der Drehzahl. Eine wegabhängige Zapfwelle ist auf Wunsch lieferbar. Der Schlepper hat eine hydrostatische Lenkung, einen Kraftheber mit Unterlenker-Regelung und 5400 daN Hubkraft sowie eine Hydraulik mit maximal 41 l/min Fördermenge und maximal 160 + 20 bar Druck.
Serienmäßig gibt es zwei normale doppeltwirkende (dw) Steuergeräte und ein einfachwirkendes (ew) Steuergerät, das aber erst nach dem Abschalten des Hubwerks zu betätigen ist. Im Ursus-Handbuch wird sogar eine Zylinderdruck-Regelung als Hydraulikfunktion beschrieben.
Die Differentialsperre des 1234 wird über ein Fußpedal betätigt, dann sperren gleichzeitig das Hinterachsdifferential mechanisch und das Vorderachsdifferential hydraulisch. Die Serienbereifung 14.9-24 vorn und 18.4-34 hinten ist entweder von Taurus, von Stomil, von Dunlop oder von Goodyear. Auf Wunsch sind vorne auch Reifen der Größe 14.9-28 lieferbar, hinten sind die Alternativen 18.4-38 oder 20.8-38 möglich.
Die Grundausstattung des 1234 ist ordentlich: Die Einkreis-Druckluftbremse ist serienmäßig im Grundpreis enthalten, ebenso gehören die Front- und Radgewichte, 4 gute Arbeitsscheinwerfer und ein Radio zum Serienumfang. Schnellkuppler an den Unterlenkern und ein Rockinger-Zugmaul mit Schnellverstellung schließlich werden serienmäßig in Deutschland angebracht.
Auch die Liste der Wunschausstattungen kann sich sehen lassen: Fronthydraulik und Frontzapfwelle (entweder aus Polen für knapp 7000 DM oder von deutschen Lieferanten über den Händler), ebenso ein Industriefrontlader mit einem Arbeitsgerät nach Wahl für 6800 DM werden gegen Aufpreis geliefert. Eine Zweikreis-Druckluftbremse wird ebenso angeboten wie ein luftgefederter Sitz und ein hydraulischer Oberlenker.
Unsere Eindrücke beim Fahren des Schleppers sind schnell beschrieben: die Schaltung ist wegen der langen Hebel recht ungenau und derzeit das größte Handicap des Schleppers. Sie soll aber wie gesagt noch verbessert werden. Die Sicht auf dem Schlepper ist recht gut, die Wendigkeit ist nur mittelmäßig, der Motor arbeitet ruhig und dank seines großen Hubraumes überaus gelassen. Der Sitzkomfort – unser 1234 war mechanisch gefedert - war recht ordentlich, auch an die Handhabung und Bedienung insgesamt kann man sich gewöhnen.
Motor: Sechszylinder-Saugmotor mit 6 842 cm3 Hubraum, Leistung 87,6 kW/119 PS bei 2200 Umdrehungen, wassergekühlt. 120 l Tankinhalt.
Getriebe und Zapfwelle: 16/8 Gänge, 30 km/h (40 km/h auf Wunsch). Synchronisierte Viergangschaltung, unsynchronisierte Gruppenschaltung mit 2 Vorwärts- und 1 Rückwärtsgruppe, zweistufige Lastschaltung. Kriechgetriebe auf Wunsch. Unabhängige lastschaltbare Zapfwelle mit 540/1000 Umdrehungen (pneumatische Umschaltung).
Hubwerk und Hydraulik: Unterlenker-Regelung mit Lage-, Zugkraft- und Mischregelung (2 Stufen), Hubkraft 5400 daN. Hydraulik mit Zahnradpumpe und 2 dw/1 ew Steuergeräten, 41 l/min Pumpenleistung, Betriebsdruck 160 + 20 bar.
Bremsen und Fahrwerk: serienmäßig Einkreis-Druckluftbremse (auf Wunsch Zweikreis). Frontantrieb seitlich, hydraulisch geschaltet. Differentialsperre über Fußpedal für beide Achsen gleichzeitig. Bereifungen siehe Text.
Maße und Gewichte: Länge 4,67 m, Breite 2,27 m, Höhe 3,00 m. Leergewicht ohne Ballast 5100 kg.
Preis: Listenpreis in Grundausstattung ohne Mehrwertsteuer als Allradschlepper mit Kabine 57915 DM.
Das bleibt festzuhalten: Natürlich ist der Ursus 1234 kein Traktor mit westlichem Technik-Standard, das darf man zu diesem Preis auch nicht erwarten.
Dennoch: Wer nach preiswerten PS für bestimmte Arbeiten sucht (z.B. für eine jährliche Arbeitsspitze von wenigen Wochen), wer auf den höheren Komfort und die technischen Finessen westlicher Schlepper verzichten kann, kann sich für den Ursus 1234 durchaus interessieren. Immerhin ist der Ursus brutto halb so teuer wie ein West-Schlepper und noch runde 10 000 bis 20 000 Mark billiger als ein Zetor, in Einzelfällen sogar preiswerter als ein gleichstarker Gebrauchtschlepper…
Ursus: Wieder auf dem deutschen Markt
Bis vor einiger Zeit lag der Ursus-Generalvertrieb in den Händen der Paderborner Firma Schlepper-Ersatzteildienst, doch um die Schlepper aus dem polnischen Warschau war es in den letzten Jahren still geworden. Die letzten Nachrichten aus Polen besagten gar, Ursus sei pleite.
Im Sommer dieses Jahres wurde jedoch im hessischen Homberg/Ohm ein neuer Generalvertrieb für Ursus-Traktoren gegründet, der den Vertrieb der Ursus-Schlepper für die Bundesrepublik Deutschland aufbaut. Nach eigenen Angaben wurden in dieser kurzen Zeit bereits etwa 100 Traktoren im Osten und Westen der Bundesrepublik verkauft. Das ist eine erstaunlich hohe Zahl.
Pleite ist Ursus nach den Aussagen des neuen Importeurs nie gewesen. Schon die Einführung der neuen Schlepperbaureihe in diesem Jahr zeige, dass Ursus mitnichten vor der Pleite stehe. Wohl habe es eine Reihe von Schwierigkeiten gegeben, vor allem weil die Produktion von früher 65000 Schleppern auf heute rund 20000 Stück (überwiegend MF-Lizenzbauten aus dem neuen Warschauer Werk) zurückgefahren werden musste. Umso mehr aber sei Ursus an der langfristigen Belieferung des Westens interessiert.
Dass die Verhandlungsposition des deutschen Importeurs bei Ursus heute stärker ist als früher je für möglich gehalten, erkennt man in der Tat sogar an den Schleppern: die Ursus-Schlepper sollen die Seitenschaltung auf Wunsch des deutschen Generalvertriebs bekommen, andere Kleinigkeiten werden noch geändert oder sind schon in die Produktion eingeflossen.
Mit derzeit 10 Handelsvertretern, einem noch im Aufbau befindlichen Händlernetz und einem Ersatzteillager im ostfriesischen Leer will der Ursus-Generalvertrieb (Obergasse 46, 6322 Kirtorf-Ober-Gleen) möglichst schnell flächendeckend die preiswerten Schlepper anbieten.