Einsatzbericht: Farminsect Larven-Mastanlage: Larvenland in Bauernhand
Wie funktioniert eine Anlage zur Produktion von Larven der Soldatenfliege? — Farminsect gewährte profi einen Einblick in eine für Landwirte konzipierte Larven-Produktionsanlage.
Zügig und sehr präzise greift sich der Industrieroboter eine Kunststoffbox, leert deren lebendigen Inhalt über einem Rüttelsieb und füllt sogleich die Box wieder mit 10 kg frischem Futterbrei auf.
In der Zwischenzeit werden auf dem Rüttelsieb die binnen sieben Tagen bei 30 °C Raumtemperatur gemästeten Tiere zu Tausenden sichtbar. Während die vom Substrat getrennten Larven der Soldatenfliege in einem Eimer landen und in den nächsten Tagen in der Fischzuchtanlage von Alfred Stier als proteinreiches Futter Verwendung finden, landet der ausgezehrte Futterbrei auf dem Mist.
Am Ende des Tages werden so 10 Mio. Larven geerntet sowie 8,8 t Futter angemischt und mit Junglarven versetzt in den Klimakammern des Betriebs verfrachtet sein. Durch die optimalen Lebensbedingungen werden wieder winzig kleine Larven binnen einer Woche ihr Gewicht um das 250-Fache vergrößern. Und wieder können erneut binnen acht Stunden 1 600 kg Larven geerntet werden — zum aktuellen Preis von 1,20 Euro/kg lebend. Macht einen Jahresumsatz von 100 000 Euro mit nur einer Klimakammer. Doch der Reihe nach.
Ob als proteinreiches Futter (16 % Rohprotein (XP) frisch/43 % XP trocken) für Fische, Geflügel oder Schweine: Insekten sind seit 2017 als Futter für Fische und seit 2021 für Schweine und Geflügel zugelassen — und durch die Abholzung der Regenwälder derzeit in aller Munde. Nur: Wie werden Insekten vermehrt, was fressen sie und welche Ansprüche stellen sie an ihre Umwelt? — Wolfgang Westermeier kennt umfassende Antworten. Er ist Geschäftsführer und Mitbegründer von Farminsect aus Bergkirchen bei München.
Der Agrarwissenschaftler betrachtet seit seinem Studium an der TU München Insekten als eine hochwertige, dem Fischmehl ebenbürtige Proteinquelle für Nutztiere. Durch die Verwendung regionaler Reststoffe lässt sich das Protein mit niedrigen CO2-Emissionen und unabhängig von globalen Lieferketten produzieren.
Einen Vorteil sieht Westermeier auch in der Möglichkeit, Tieren die Larven getrocknet, gefroren oder lebend vorlegen zu können. Die Lebendvorlage verspricht dabei nach ersten Erkenntnissen sogar eine Reduzierung von Verhaltensstörungen wie Federpicken oder Schwanzbeißen.
Fünf Jahre forschten Westermeier und sein Partner Thomas Kühn am optimalen Haltungsverfahren für die Larven der Schwarzen Soldatenfliege. Das Ergebnis ist ein erster Zuchtbetrieb des Unternehmens in den Stallungen eines ehemaligen sauenhaltenden Betriebes. Hier werden die Elterntiere zur Produktion der Junglarven für die Mast produziert. Nach fünf Tagen sind die Larven groß genug, um sie in Spezialcontainern verschicken zu können.
Während die Zucht fest in der Hand von Farminsect ist, sind die Mastbetriebe frei in ihrem Handeln. Farminsect garantiert allerdings eine fachliche Betreuung. Und, falls gewünscht, kauft Farminsect die gemästeten Larven zurück, um die zunehmend große Nachfrage aus dem Heimtierbereich decken zu können.
Am Ende der siebentägigen Mast in der Klimakammer werden im Betrieb Stier wöchentlich 884 Kisten Maden geerntet.
(Bildquelle: Tovornik)
Das Ernten der großen Larven übernimmt ein hinter Gittern platzierter Roboter.
(Bildquelle: Tovornik)
Altbekannte Haltungstechnik
Was die Technik zum Halten der Maden betrifft, arbeitet Farminsect mit der Firma Better Insect Solutions aus Vechta zusammen. In dem neu gegründeten Unternehmen mit Schwerpunkt Insektenhaltung arbeiten Experten von Big Dutchman, Skov und Inno+ zusammen. Aus einer Reihe altbekannter Standardkomponenten entwickelten sie für die Larvenmast ein modular aufgebautes Fütterungs- und Haltungssystem.
Herzstück der Anlage ist die 4,25 x 7,75 m große Klimakammer. Diese sollte eine Höhe von 3,90 m haben, damit 13 übereinander gestapelte Kisten hineinpassen. Dann bietet jede Klimakammer genug Platz für mehr als 1 000 Kisten. Rund 2 t lebende Larven der Schwarzen Soldatenfliege produziert so eine Standard-Kammer jede Woche.
In den ersten Tagen herrschen in der Klimakammer idealweise 30 °C Temperatur bei 85 % Luftfeuchte. Für ein gleichmäßiges Klima wird die Zuluft vor dem Eintritt in die Klimakammer auf 20 °C vorkonditioniert. Zusätzlich sind in der Klimakammer Deltarohre verlegt, in denen 65 °C heißes Wasser zirkuliert. Um keine Energie zu vergeuden, erfolgt das Lüften nach Luftfeuchte und nach Höhe des CO2-Gehalts der Raumluft.
Gehalten werden die Maden in einem dick angerührten Futterbrei. Dieser basiert zu 10 % auf einer von Farminsect angelieferten, mineralstoffreichen Vormischung (Preis: 350 Euro/t). Die restlichen 90 % Futter stammen aus für Nutztiere zulässigen Abfallstoffen — aktuell vor allem aus Kleie. Alternativ können andere Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden. Das Anmischen des Futters erfolgt mit einer in der Schweinehaltung üblichen Flüssigfütterungsanlage.
Um auf 1 060 Kisten standardmäßig 10,6 t Futter schlagkräftig verteilen zu können, wird zuerst das Futter mit 35 °C warmem Wasser angemischt. Um binnen acht Stunden alle Maden ernten und die neue Brut ansetzen zu können, übernimmt ein zweiter Futterbehälter das Ausdosieren. Damit die Maden nicht im Futterbrei ertrinken, sollte er nach Erfahrung von Farminsect möglichst dickflüssig sein.
Nach acht Tagen in der Klimakammer folgt die Ernte der Maden durch einen Industrieroboter. Dieser greift die Kisten Lage um Lage und kippt sie über ein Rüttelsieb aus. Binnen 20 Sekunden trennt das Rüttelsieb die Maden, die im Betrieb Stier in einem Eimer zwischengelagert werden. Der sogenannte Insektenfraß — die Ausscheidungen der Maden mit 60 % Trockensubstanz — landet idealerweise in der Biogasanlage. Denn 1 t Insektenfraß entspricht etwa dem Biogaspotenzial von 1 t Maissilage.
Nach dem Ausleeren der Kisten über dem Rüttelsieb werden diese unmittelbar wieder befüllt. Dazu hält der Roboter die Boxen für wenige Sekunden unter ein automatisch betätigtes Futterventil.
Rund 200 Kisten je Stunde entleert die Maschine vollautomatisch über dem Rüttelsieb.
(Bildquelle: Tovornik)
So klein sind die jungen Larven der Soldatenfliege, wenn sie aus dem Zucht- zum Mastbetrieb kommen.
(Bildquelle: Tovornik)
Nach dem Entleeren der Kisten werden diese sofort mit Futterbrei befüllt.
(Bildquelle: Tovornik)
Anschließend stapelt der Roboter die Kisten wieder auf Paletten.
(Bildquelle: Tovornik)
Hohe Produktionskosten
Ökonomisch ist die Mast von Maden der Schwarzen Soldatenfliege kein Selbstläufer — allein wegen der jüngst stark gestiegenen Futterpreise. Weizenkleie kostet aktuell an der Bremer Futtermittelbörse 270 Euro/t. Für den mit Mineralstoff versetzten Ergänzer verlangt Farminsect 350 Euro/t. Bei einer Futterverwertung von 1 : 1,2 schlägt so das Futter je Tonne lebend erzeugter Maden mit 334 Euro zu Buche. Diese Summe halbiert sich laut Farminsect bei Nutzung regionaler Reststoffe.
Ein weiterer Faktor sind die Energiekosten. So summiert sich laut Farminsect der Jahresverbrauch einer Klimakammer auf 6 000 kWh Strom und 48 000 kWh Wärme — macht derzeit etwa 10 000 Euro/Jahr. Fehlen die Abschreibungen für Technik und die Gebäudekosten. Dazu Folgendes: Eine Larvenfarm basiert nach Empfehlung von Farminsect auf mindestens zwei Klimakammern. Den dafür erforderlichen Mindestbedarf an Platz geben die Experten mit 300 m2 an. Macht bei einer Monatsmiete von drei Euro/m2 rund 11 000 Euro/Jahr.
Die Ausgaben für Industrieroboter, Flüssigfütterungsanlage etc. belaufen sich bei der Einsteigervariante mit zwei Klimakammern auf einmalig 400 000 Euro. Das ergibt bei 15 Jahren Abschreibung 26 700 Euro/Jahr. Die Junglarven für zwei Klimakammern kosten etwa 25 000 Euro/Jahr.
Farminsect beziffert die mit zwei Kammern mögliche Jahresproduktion auf 300 t Larven. Aktuell kostet so die Produktion 1 t lebender Larven mit 16 % Rohprotein rund 616 Euro — ohne Arbeitskosten. Demgegenüber stehen mögliche Erlöse von 1 200 Euro/t Larven (lebend).
Zum Vergleich: Fischmehl mit 64 % Rohprotein liegt Mitte November bei 1 500 Euro/t und brasilianische, GVO-freie Sojapellets mit 48 % Rohprotein bei rund 700 Euro/t.
Der von einer Flüssigfütterung hergestellte Futterbrei besteht zu 10 % aus Ergänzer.
(Bildquelle: Tovornik)
Zum Schluss kommen mit einem speziellen Handlöffel in jede Box 10 000 Junglarven.
(Bildquelle: Tovornik)
Fazit zur Larven-Mastanlage
Um hochwertiges Futtereiweiß aus heimischer Produktion bieten zu können, spezialisierte sich Farminsect auf die Züchtung der Schwarzen Soldatenfliege. Von der Beratung bis zur Lieferung von Junglarven bietet das Unternehmen seinen Kunden einen Rund-um-Service. Und durch die Kooperation mit Better Insect Solutions steht Landwirten sogar die nötige Technik in Modulbauweise zur Verfügung.
Schweinehalter, die mit einem Umbau ihrer Gebäude liebäugeln, sollten wissen, dass aufgrund der niedrigen Deckenhöhe im Schweinestall eine Umnutzung nicht immer problemlos möglich ist. Und bedingt durch die Kosten für Energie und Futter macht die Mast am meisten Spaß, wenn z. B. mit Biogas reichlich Wärme, und durch die Nähe zu Lebensmittelproduzenten Futter zu Abholkosten zur Verfügung steht.
Kurz erklärt: Larven der Soldatenfliege
Die 14 bzw. 17 mm (Männchen/Weibchen) große Schwarze Soldatenfliege (Lateinisch: Hermetia illucens) stammt ursprünglich aus den tropischen und subtropischen Gebieten Amerikas. Durch Verschleppung tritt die wärmeliebende Fliege seit Ende 1945 weltweit auf. Die Larven ernähren sich vorzugsweise von totem Material wie Kot, Aas, Pflanzen- und Holzresten. Auch im Substrat lebende Fressfeinde oder Parasiten werden vertilgt.
Anklang findet die Larve bislang vor allem in der Fischzucht, und zusehends auch in der Geflügelhaltung sowie als hypoallergenes Proteinfutter für futtersensitive Hunde und Katzen.
Für die menschliche Ernährung stehen die Larven der Schwarzen Soldatenfliege bislang wegen eines eher ungünstigen Fettsäureprofils aktuell nicht zur Diskussion. Ein weiterer Grund dürfte wohl auch der gewöhnungsbedürftige Geruch sein, der die Larven begleitet.